Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.aber die Sache nicht mehr zu ändern war, so machte er sich aus der Kirche, aber die Sache nicht mehr zu ändern war, so machte er sich aus der Kirche, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128038"/> <p xml:id="ID_301" prev="#ID_300" next="#ID_302"> aber die Sache nicht mehr zu ändern war, so machte er sich aus der Kirche,<lb/> aus Paris, ja aus Frankreich weg, um diesen Gedanken aus dem Sinn zu<lb/> schlagen, und reiste weiter in der Welt herum. Inzwischen nun der Kauf¬<lb/> mann mit ihm in der Kirche gewesen, hat er seine jüngste Tochter aus Paris<lb/> wegbringen lassen und sie in ein Kloster geschickt, um ihr die Gedanken an<lb/> Niccolini zu benehmen, welcher sich indessen brav in der Welt herumtummelte,<lb/> nicht anders meinend, als er würde seine Liebste nie wiedersehen. Es reiste<lb/> aber damals eine gewisse deutsche Fürstin in Frankreich und kommt<lb/> auch in das Kloster, allwo sich unsere Demoiselle aufhielt. Diese war des<lb/> Klosterlebens überdrüssig und wollte nicht wieder zu ihren Eltern zurück;<lb/> und da sie höret, daß die Fürstin wieder nach Deutschland zurückkehret, ersucht<lb/> sie dieselbe, sie doch als Kammerfräulein mitzunehmen, denn sie dachte viel¬<lb/> leicht, daß sie Niccolini noch einmal wieder finden würde. Der Herzogin ge¬<lb/> fiel ihre Person ganz wohl und nimmt sie mit sich nach Deutschland. Weil<lb/> nun aber das eine ziemliche Tour ist, wozu einige Zeit erfordert wird, so ginge<lb/> das ziemlich langsam. Auf der Retour besuchte die Herzogin mehrere deutsche<lb/> Höfe und traf mit ihrer Begleitung dann auch in Zelle ein. Der Herzog<lb/> war indeß schon längst wieder daselbst angelanget. Zu Zelle wurde die Her¬<lb/> zogin mit ihrer Suite magnifique empfangen und auf dem Schlosse eingeholet.<lb/> Unserer Mademoiselle liegen noch immer die Gedanken an ihren Niccolini im<lb/> Kopf und um sich zu zerstreuen, legt sie sich in's Fenster, um zu sehen, was<lb/> auf dem Schloßhof passiret. Nun begab es sich aber, daß der Herzog eben<lb/> über selbigen ging, und wie sie nun seiner ansichtig wird, erkennt sie ihren<lb/> Niccolini, weswegen sie laut angefangen, seinen Namen zu rufen. Darauf<lb/> verfällt sie in eine Ohnmacht. Als sie nun wieder zu sich gekommen und die<lb/> Herzogin sie fraget, was ihr widerfahren, hat sie es nicht sagen wollen. Des<lb/> Abends darauf nöthigte der Herzog die fremde Herzogin zur Mahlzeit, und<lb/> wie sie nun dabei mit einander discuriren, erzählet auch die Herzogin, was<lb/> sich mit ihrer Kammerfrau zugetragen. Der Herzog denket darüber nach,<lb/> daß er diesen Namen in Frankreich geführet, und ersuchet die Herzogin, ihm<lb/> zu vergönnen, daß er diese Fräulein einmal allein besuchen dürfe. Als nun<lb/> die Herzogin solches gestattet und der Herzog des andern Tages zur Made¬<lb/> moiselle kam, und sie seiner ansichtig wurde, rief sie abermals seinen Namen<lb/> und siel darauf in Ohnmacht. Wie sie sich nun wieder ermuntert, und vom<lb/> Herzog vernommen, daß er ehemals des Niccolini Person präsentiret, nun<lb/> aber der Herzog von Zelle selber sei, hat sie sich darüber höchlich entsetzet<lb/> und sich seiner gänzlich entgehen wollen, weil sie wohl wußte, daß sie ihm<lb/> an Stande nicht gleiche. Wie nun der Herzog solches verspüret, hat er sie<lb/> zufrieden gesprochen und gesagt: er wolle es schon machen, daß sie sich zu¬<lb/> frieden gebe und ist darauf von ihr gegangen. Des andern Tages läßt er</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
aber die Sache nicht mehr zu ändern war, so machte er sich aus der Kirche,
aus Paris, ja aus Frankreich weg, um diesen Gedanken aus dem Sinn zu
schlagen, und reiste weiter in der Welt herum. Inzwischen nun der Kauf¬
mann mit ihm in der Kirche gewesen, hat er seine jüngste Tochter aus Paris
wegbringen lassen und sie in ein Kloster geschickt, um ihr die Gedanken an
Niccolini zu benehmen, welcher sich indessen brav in der Welt herumtummelte,
nicht anders meinend, als er würde seine Liebste nie wiedersehen. Es reiste
aber damals eine gewisse deutsche Fürstin in Frankreich und kommt
auch in das Kloster, allwo sich unsere Demoiselle aufhielt. Diese war des
Klosterlebens überdrüssig und wollte nicht wieder zu ihren Eltern zurück;
und da sie höret, daß die Fürstin wieder nach Deutschland zurückkehret, ersucht
sie dieselbe, sie doch als Kammerfräulein mitzunehmen, denn sie dachte viel¬
leicht, daß sie Niccolini noch einmal wieder finden würde. Der Herzogin ge¬
fiel ihre Person ganz wohl und nimmt sie mit sich nach Deutschland. Weil
nun aber das eine ziemliche Tour ist, wozu einige Zeit erfordert wird, so ginge
das ziemlich langsam. Auf der Retour besuchte die Herzogin mehrere deutsche
Höfe und traf mit ihrer Begleitung dann auch in Zelle ein. Der Herzog
war indeß schon längst wieder daselbst angelanget. Zu Zelle wurde die Her¬
zogin mit ihrer Suite magnifique empfangen und auf dem Schlosse eingeholet.
Unserer Mademoiselle liegen noch immer die Gedanken an ihren Niccolini im
Kopf und um sich zu zerstreuen, legt sie sich in's Fenster, um zu sehen, was
auf dem Schloßhof passiret. Nun begab es sich aber, daß der Herzog eben
über selbigen ging, und wie sie nun seiner ansichtig wird, erkennt sie ihren
Niccolini, weswegen sie laut angefangen, seinen Namen zu rufen. Darauf
verfällt sie in eine Ohnmacht. Als sie nun wieder zu sich gekommen und die
Herzogin sie fraget, was ihr widerfahren, hat sie es nicht sagen wollen. Des
Abends darauf nöthigte der Herzog die fremde Herzogin zur Mahlzeit, und
wie sie nun dabei mit einander discuriren, erzählet auch die Herzogin, was
sich mit ihrer Kammerfrau zugetragen. Der Herzog denket darüber nach,
daß er diesen Namen in Frankreich geführet, und ersuchet die Herzogin, ihm
zu vergönnen, daß er diese Fräulein einmal allein besuchen dürfe. Als nun
die Herzogin solches gestattet und der Herzog des andern Tages zur Made¬
moiselle kam, und sie seiner ansichtig wurde, rief sie abermals seinen Namen
und siel darauf in Ohnmacht. Wie sie sich nun wieder ermuntert, und vom
Herzog vernommen, daß er ehemals des Niccolini Person präsentiret, nun
aber der Herzog von Zelle selber sei, hat sie sich darüber höchlich entsetzet
und sich seiner gänzlich entgehen wollen, weil sie wohl wußte, daß sie ihm
an Stande nicht gleiche. Wie nun der Herzog solches verspüret, hat er sie
zufrieden gesprochen und gesagt: er wolle es schon machen, daß sie sich zu¬
frieden gebe und ist darauf von ihr gegangen. Des andern Tages läßt er
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |