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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Denn wie damals Holland so zu sagen von allen Seiten angegriffen wurde,
so ließ dieser Bischof seine Kriegstrommcl auch rühren und siel mit 20,000
Mann, welche er mit französischem Gelde geworben, in Holland ein und nahm
viel schöne Festungen, als: Groll, Deventer, Zwvll >und Coeverden nach
kurzer Belagerung ein. Als er aber vor Gröningen kam, so wurde sein Glück
stutzig. Seine ganze Armee bestund aus 24,000 Mann und in der Stadt
waren nicht mehr als 1200 Soldaten. Allein der tapfere Rabenhaupt that
durch Hülfe der Studenten und Mennonisten (!) unbeschreibliche Gegenwehr, und
obgleich viele Tausend, wie man damals meinte, guten Theils behexte und
bezauberte Bomben in die Stadt geworfen wurden, so mußten die Bischöflichen
doch endlich abziehen, nachdem sie fast bis auf die Hälfte geschmolzen.

Gröningen hat viel schöne Kirchen. In Se. Martin, welche die größte
ist, ist noch eine Orgel von dem sehr gelehrten Herrn Rudvlpho Agricola,
Bürger von Gröningen, gemacht. Diese Kirche hat auch den höchsten Thurm
in Holland, 327 Fuß hoch, mit 5 Umgängen. Hat auch ein schönes Glocken¬
spiel. Das Rathhaus ist nicht hübsch, aber sehr alt. Sonsten ist auch 1614
eine Akademie da errichtet worden.

Von Gröningen gehet man bis Strohbusch, wo die Kuffers wieder müssen
angegeben werden. So man einige Waaren darin hat, wird ein Lootzin vor¬
gehangen, daß man im Passiren durchs Land nichts verkaufen kann. Mit
Strohbusch beginnt die Provinz Friesland. Das Land hier ist sehr fruchtbar
und niedrig, namentlich nach der Seeseite zu, so daß man von Anfang des
Herbstes bis zum Frühling allhier nicht anders als zu Wasser reisen kann.

Auf Strohbusch folget Dockum, eine nette, wohlhabende Stadt. Vor
diesem ist die Admiralitätsversammlung hier gewesen; doch weil hier der Hafen
nicht mehr so gut als sonsten ist, so ist dieselbe jetzund zu Harlingen. Der
Hospes in dem Wirthshause, wo die Schuhe abfährt, ist ein rechter Betrüger
und Schelm, der uns auch alle brav prellte.

Wie wir nun im Schiffe waren, erinnerte ich Monsieur Fouchert an die
Continuation der Niccolinischen Historie und darauf fuhr er in seiner Er¬
zählung fort: Wie der Vater die Liebe Niccolini's zur Tochter gemerket,
dachte er, es möchte einen Übeln Ausschlag damit nehmen, derowegen sann
er ein Mittel aus, wie er sie möchte von einander trennen, doch auf solche
Manier, daß es der Niccolini nicht merkte. Seine älteste Tochter, die im
Kloster war, hatte er während der Zeit an Jemand versprochen. Wie nun
der Tag herbei kommt, an dem sie sollten copuliret werden, nöthigte er unsern
Niccolini, daß er möchte mit zur Kirche gehen, welcher solches auch nicht aus¬
schlägt, sondern getrost angehet. Wie sie nun in die Kirche kommen und
die Verlobten vor dem Altar stehen sehen, meinet Niccolini nicht anders, als
daß es seine Liebste sei, worüber er sich sehr alterirte und grämte. Weil nun


Denn wie damals Holland so zu sagen von allen Seiten angegriffen wurde,
so ließ dieser Bischof seine Kriegstrommcl auch rühren und siel mit 20,000
Mann, welche er mit französischem Gelde geworben, in Holland ein und nahm
viel schöne Festungen, als: Groll, Deventer, Zwvll >und Coeverden nach
kurzer Belagerung ein. Als er aber vor Gröningen kam, so wurde sein Glück
stutzig. Seine ganze Armee bestund aus 24,000 Mann und in der Stadt
waren nicht mehr als 1200 Soldaten. Allein der tapfere Rabenhaupt that
durch Hülfe der Studenten und Mennonisten (!) unbeschreibliche Gegenwehr, und
obgleich viele Tausend, wie man damals meinte, guten Theils behexte und
bezauberte Bomben in die Stadt geworfen wurden, so mußten die Bischöflichen
doch endlich abziehen, nachdem sie fast bis auf die Hälfte geschmolzen.

Gröningen hat viel schöne Kirchen. In Se. Martin, welche die größte
ist, ist noch eine Orgel von dem sehr gelehrten Herrn Rudvlpho Agricola,
Bürger von Gröningen, gemacht. Diese Kirche hat auch den höchsten Thurm
in Holland, 327 Fuß hoch, mit 5 Umgängen. Hat auch ein schönes Glocken¬
spiel. Das Rathhaus ist nicht hübsch, aber sehr alt. Sonsten ist auch 1614
eine Akademie da errichtet worden.

Von Gröningen gehet man bis Strohbusch, wo die Kuffers wieder müssen
angegeben werden. So man einige Waaren darin hat, wird ein Lootzin vor¬
gehangen, daß man im Passiren durchs Land nichts verkaufen kann. Mit
Strohbusch beginnt die Provinz Friesland. Das Land hier ist sehr fruchtbar
und niedrig, namentlich nach der Seeseite zu, so daß man von Anfang des
Herbstes bis zum Frühling allhier nicht anders als zu Wasser reisen kann.

Auf Strohbusch folget Dockum, eine nette, wohlhabende Stadt. Vor
diesem ist die Admiralitätsversammlung hier gewesen; doch weil hier der Hafen
nicht mehr so gut als sonsten ist, so ist dieselbe jetzund zu Harlingen. Der
Hospes in dem Wirthshause, wo die Schuhe abfährt, ist ein rechter Betrüger
und Schelm, der uns auch alle brav prellte.

Wie wir nun im Schiffe waren, erinnerte ich Monsieur Fouchert an die
Continuation der Niccolinischen Historie und darauf fuhr er in seiner Er¬
zählung fort: Wie der Vater die Liebe Niccolini's zur Tochter gemerket,
dachte er, es möchte einen Übeln Ausschlag damit nehmen, derowegen sann
er ein Mittel aus, wie er sie möchte von einander trennen, doch auf solche
Manier, daß es der Niccolini nicht merkte. Seine älteste Tochter, die im
Kloster war, hatte er während der Zeit an Jemand versprochen. Wie nun
der Tag herbei kommt, an dem sie sollten copuliret werden, nöthigte er unsern
Niccolini, daß er möchte mit zur Kirche gehen, welcher solches auch nicht aus¬
schlägt, sondern getrost angehet. Wie sie nun in die Kirche kommen und
die Verlobten vor dem Altar stehen sehen, meinet Niccolini nicht anders, als
daß es seine Liebste sei, worüber er sich sehr alterirte und grämte. Weil nun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/109>, abgerufen am 22.07.2024.