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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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nach den ersten vier Wochen wieder entlassen, wegen dem Grad seiner Fähig¬
keit, einen andern wieder wegen der Art." Curschmann componirte bereits
als er nach Cassel kam, Hauptmann unterrichtete mit Vorliebe e^ste An¬
fänger; daß es jenem sehr ernst war, Tüchtiges zu lernen, geht, abgesehen
von der Aufgabe einer bereits Jahre hindurch verfolgten Laufbahn, auch aus
der langen Dauer seiner Studien hervor. Zuletzt blieben beide doch in gutem
Vernehmen und in steter freundschaftlicher Verbindung. "Curschmann lädt
mich zu Ostern nach Berlin zur Passion -- schreibt Hauptmann (10. März
1831) --, es ist aber doch eine Geschichte von SO Thalern, und die hab' ich
nicht übrig" und später (5. October 1836): "Curschmann will sich ja verehe¬
lichen; es wird ihm recht gut sein, wenn er eine gute Frau bekommt."

Das einactige Singspiel: "Abdul und Erinnieh", reich an ansprechenden,
süßen Melodien, wurde, wie wir bereits gehört, in Cassel wiederholt mit Bei¬
fall gegeben und später in Berlin bei Schlefinger gedruckt. Im Jahre 1829
verließ der junge Tonsetzer die kurfürstliche Residenz, kehrte in seine Vaterstadt
zurück, unternahm dann noch größere Reisen durch Deutschland, nach Paris
und Italien, sah, hörte, lernte und genoß, was das Leben seinen Günstlingen
nur gewähren konnte, und fixirte sich dann in Berlin, wo er bald der Lieb¬
ling der musikalischen Gesellschaften wurde. Er heirathete dann eine ausge¬
zeichnete Gesangsdilettantin, Rosa Behrend, die Tochter des sehr reichen
Commerzienrathes Behrend in Danzig, und schien, ein Schoßkind des Glückes,
der schönsten Zukunft entgegen zu gehen bestimmt. Das durch gegenseitige
innige Neigung geknüpfte Eheband, so beseligend für beide Theile, sollte jedoch
bald zerrissen werden. Im Sommer 1841 waren beide Gatten zu Besuch
bei dem Vater der Frau, auf einem Landgute desselben zu Langfuhr bei
Danzig. Hier raffte ein schneller Tod, am 24. August, den jungen Mann in
der Blürye seines hoffnungsvollen, reichen Daseins hin; er starb erst 37 Jahre
alt an einer Unterleibsentzündung. Die zärtliche Gattin vermochte den jähen
Verlust und die Trennung von dem Geliebten nicht lange zu ertragen. In
weniger als Jahresfrist war sie ihrem Schmerze erlegen und an der Seite
ihres Gatten, an dessen Geburtstag, 21. Juni 1842, in die Gruft gesenkt.
Beiden veranstaltete die Berliner Singakademie, zu deren hervorragendsten
Mitgliedern sie seit 1836 zählten, eigene Gedächtnißseiern. Bei der Friedrich
Curschmann's, am 7. September 1841, wurden zwei geistliche Chorgesänge
desselben aus der Casseler Zeit, die Manuscript geblieben sind, und außer
einem Chorale von Rungenhagen, ein Requiem von E. Grell und das be¬
rühmte Mozart'sche Requiem von den vorzüglichsten Solisten und einem treff¬
lichen Chöre vollendet aufgeführt. Im Juli 1842 schon ward die nicht min¬
der würdige, tief ergreifende musikalische Tootenfeier, mit Rungenhagens Mo¬
tette: "Selig sind die Todten" und Mendelssohns rührend wehmüthigem Chor:


nach den ersten vier Wochen wieder entlassen, wegen dem Grad seiner Fähig¬
keit, einen andern wieder wegen der Art." Curschmann componirte bereits
als er nach Cassel kam, Hauptmann unterrichtete mit Vorliebe e^ste An¬
fänger; daß es jenem sehr ernst war, Tüchtiges zu lernen, geht, abgesehen
von der Aufgabe einer bereits Jahre hindurch verfolgten Laufbahn, auch aus
der langen Dauer seiner Studien hervor. Zuletzt blieben beide doch in gutem
Vernehmen und in steter freundschaftlicher Verbindung. „Curschmann lädt
mich zu Ostern nach Berlin zur Passion — schreibt Hauptmann (10. März
1831) —, es ist aber doch eine Geschichte von SO Thalern, und die hab' ich
nicht übrig" und später (5. October 1836): „Curschmann will sich ja verehe¬
lichen; es wird ihm recht gut sein, wenn er eine gute Frau bekommt."

Das einactige Singspiel: „Abdul und Erinnieh", reich an ansprechenden,
süßen Melodien, wurde, wie wir bereits gehört, in Cassel wiederholt mit Bei¬
fall gegeben und später in Berlin bei Schlefinger gedruckt. Im Jahre 1829
verließ der junge Tonsetzer die kurfürstliche Residenz, kehrte in seine Vaterstadt
zurück, unternahm dann noch größere Reisen durch Deutschland, nach Paris
und Italien, sah, hörte, lernte und genoß, was das Leben seinen Günstlingen
nur gewähren konnte, und fixirte sich dann in Berlin, wo er bald der Lieb¬
ling der musikalischen Gesellschaften wurde. Er heirathete dann eine ausge¬
zeichnete Gesangsdilettantin, Rosa Behrend, die Tochter des sehr reichen
Commerzienrathes Behrend in Danzig, und schien, ein Schoßkind des Glückes,
der schönsten Zukunft entgegen zu gehen bestimmt. Das durch gegenseitige
innige Neigung geknüpfte Eheband, so beseligend für beide Theile, sollte jedoch
bald zerrissen werden. Im Sommer 1841 waren beide Gatten zu Besuch
bei dem Vater der Frau, auf einem Landgute desselben zu Langfuhr bei
Danzig. Hier raffte ein schneller Tod, am 24. August, den jungen Mann in
der Blürye seines hoffnungsvollen, reichen Daseins hin; er starb erst 37 Jahre
alt an einer Unterleibsentzündung. Die zärtliche Gattin vermochte den jähen
Verlust und die Trennung von dem Geliebten nicht lange zu ertragen. In
weniger als Jahresfrist war sie ihrem Schmerze erlegen und an der Seite
ihres Gatten, an dessen Geburtstag, 21. Juni 1842, in die Gruft gesenkt.
Beiden veranstaltete die Berliner Singakademie, zu deren hervorragendsten
Mitgliedern sie seit 1836 zählten, eigene Gedächtnißseiern. Bei der Friedrich
Curschmann's, am 7. September 1841, wurden zwei geistliche Chorgesänge
desselben aus der Casseler Zeit, die Manuscript geblieben sind, und außer
einem Chorale von Rungenhagen, ein Requiem von E. Grell und das be¬
rühmte Mozart'sche Requiem von den vorzüglichsten Solisten und einem treff¬
lichen Chöre vollendet aufgeführt. Im Juli 1842 schon ward die nicht min¬
der würdige, tief ergreifende musikalische Tootenfeier, mit Rungenhagens Mo¬
tette: „Selig sind die Todten" und Mendelssohns rührend wehmüthigem Chor:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/80>, abgerufen am 22.12.2024.