Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.dem hiesigen Theater zur Aufführung gebrachten kleinen Oper: "Die Todten, Curschmann blieb vier Jahre in Cassel. Er machte mit Spohr und an¬ dem hiesigen Theater zur Aufführung gebrachten kleinen Oper: „Die Todten, Curschmann blieb vier Jahre in Cassel. Er machte mit Spohr und an¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0079" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127475"/> <p xml:id="ID_272" prev="#ID_271"> dem hiesigen Theater zur Aufführung gebrachten kleinen Oper: „Die Todten,<lb/> oder Abdul und Erinnieh" zuerst zur Aufführung kamen. So belebte er in<lb/> mannigfacher Weise das Kunsttreiben unserer Stadt und wurde bald der<lb/> Liebling der musikalischen Welt."</p><lb/> <p xml:id="ID_273" next="#ID_274"> Curschmann blieb vier Jahre in Cassel. Er machte mit Spohr und an¬<lb/> dern Freunden desselben im Mai 1826 die vergnügliche Reise zum Musikfeste<lb/> nach Düsseldorf mit, wo der Meister sein damals neues Oratorium: „Die<lb/> letzten Dinge" mit ganz außergewöhnlichem ^und höchst ehrenvollen Erfolge<lb/> zur Aufführung brachte. Minder als die Gunst Spohrs scheint er die Haupt¬<lb/> manns gewonnen zu haben. Dieser spricht sich in seinen jüngst erschienenen<lb/> Briefen an Hauser nicht immer günstig über ihn aus. Möglich, daß ihn das<lb/> angenehme, weitläufige musikalische und gesellige Talent seines Schülers, das<lb/> er selbst in solchem Grade nicht besaß, gegen diesen etwas verstimmte. Im<lb/> Februar 1827 schreibt er in seiner spöttischen und drastischen Manier: „Fräu¬<lb/> lein (!) Curschmann componirt jetzt eine Oper von Herrn von Calenberg —<lb/> „Wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang!" —<lb/> Das ist auch eine Ruhe und Genügsamkeit, die zu nichts rechtem führt. Da<lb/> möcht ich lieber sein wie Gretchen „Einmal munter, meist betrübt, einmal<lb/> recht ausgeweint, dann wieder ruhig, wie's scheint" :c. — ich lasse bedeutende<lb/> Kenntniß der deutschen Classiker merken — aber ohne Absicht." Haupt¬<lb/> mann, ein höchst geiht- und kenntnißreicher Theoretiker, verhielt sich übrigens<lb/> seinen ihn hochverehrenden zahlreichen Schülern gegenüber wie Beethoven, der<lb/> sich selbst gern mit einem übellaunigen Eselein verglich, wenn er Unterricht<lb/> geben mußte. Er wußte, bei dem geringen Beruf, den er zum Unterricht¬<lb/> geben, auf das er doch mehr oder minder angewiesen war, in sich fühlte, mit<lb/> seinen Scholaren sich selten recht zu stellen. Als er sich 1841 ein eigenes<lb/> Hauswesen einrichtete, schreibt er: „Für Schüler und anderes Lumpenpack<lb/> mag der Eingang zu mir durch die Küche gehen, honette Besuche gehen durch<lb/> das Zimmer." Dann äußert er sich unter vielen ähnlichen Stellen einmal<lb/> (1842): „Dem Lehrer muß das Lehren an sich das Interesse sein und der<lb/> stupide Schüler gleich interessant dem offenen Kopf. Das ist nun bei mir<lb/> gar nicht; großentheils habe ich überhaupt gar keine Neigung zum Unter¬<lb/> richten, und kommt mir jeder Andere, der etwas Anderes thun kann, be¬<lb/> neidenswert!) vor; sodann ist auch in der besten Zeit das Interesse nur bei<lb/> solchen Individuen, wo ich merke, daß etwas haftet, und das sind nicht immer<lb/> gerade die talentvollsten; oft ist ein Talent da, aber es, hat kein Bedürfniß<lb/> zur Ausbildung, wie ich sie gerade geben möchte. Die lasse ich nun gern in<lb/> ihrer Sphäre sich ergehen, ohne sie in die meinige zwingen zu wollen, dann<lb/> sind aber die Zügel so lang, daß es schwer lenken wird. Hätte sie ein An¬<lb/> derer in seiner Volte, er könnte viel leichter helfen. So möchte ich Manchen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
dem hiesigen Theater zur Aufführung gebrachten kleinen Oper: „Die Todten,
oder Abdul und Erinnieh" zuerst zur Aufführung kamen. So belebte er in
mannigfacher Weise das Kunsttreiben unserer Stadt und wurde bald der
Liebling der musikalischen Welt."
Curschmann blieb vier Jahre in Cassel. Er machte mit Spohr und an¬
dern Freunden desselben im Mai 1826 die vergnügliche Reise zum Musikfeste
nach Düsseldorf mit, wo der Meister sein damals neues Oratorium: „Die
letzten Dinge" mit ganz außergewöhnlichem ^und höchst ehrenvollen Erfolge
zur Aufführung brachte. Minder als die Gunst Spohrs scheint er die Haupt¬
manns gewonnen zu haben. Dieser spricht sich in seinen jüngst erschienenen
Briefen an Hauser nicht immer günstig über ihn aus. Möglich, daß ihn das
angenehme, weitläufige musikalische und gesellige Talent seines Schülers, das
er selbst in solchem Grade nicht besaß, gegen diesen etwas verstimmte. Im
Februar 1827 schreibt er in seiner spöttischen und drastischen Manier: „Fräu¬
lein (!) Curschmann componirt jetzt eine Oper von Herrn von Calenberg —
„Wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang!" —
Das ist auch eine Ruhe und Genügsamkeit, die zu nichts rechtem führt. Da
möcht ich lieber sein wie Gretchen „Einmal munter, meist betrübt, einmal
recht ausgeweint, dann wieder ruhig, wie's scheint" :c. — ich lasse bedeutende
Kenntniß der deutschen Classiker merken — aber ohne Absicht." Haupt¬
mann, ein höchst geiht- und kenntnißreicher Theoretiker, verhielt sich übrigens
seinen ihn hochverehrenden zahlreichen Schülern gegenüber wie Beethoven, der
sich selbst gern mit einem übellaunigen Eselein verglich, wenn er Unterricht
geben mußte. Er wußte, bei dem geringen Beruf, den er zum Unterricht¬
geben, auf das er doch mehr oder minder angewiesen war, in sich fühlte, mit
seinen Scholaren sich selten recht zu stellen. Als er sich 1841 ein eigenes
Hauswesen einrichtete, schreibt er: „Für Schüler und anderes Lumpenpack
mag der Eingang zu mir durch die Küche gehen, honette Besuche gehen durch
das Zimmer." Dann äußert er sich unter vielen ähnlichen Stellen einmal
(1842): „Dem Lehrer muß das Lehren an sich das Interesse sein und der
stupide Schüler gleich interessant dem offenen Kopf. Das ist nun bei mir
gar nicht; großentheils habe ich überhaupt gar keine Neigung zum Unter¬
richten, und kommt mir jeder Andere, der etwas Anderes thun kann, be¬
neidenswert!) vor; sodann ist auch in der besten Zeit das Interesse nur bei
solchen Individuen, wo ich merke, daß etwas haftet, und das sind nicht immer
gerade die talentvollsten; oft ist ein Talent da, aber es, hat kein Bedürfniß
zur Ausbildung, wie ich sie gerade geben möchte. Die lasse ich nun gern in
ihrer Sphäre sich ergehen, ohne sie in die meinige zwingen zu wollen, dann
sind aber die Zügel so lang, daß es schwer lenken wird. Hätte sie ein An¬
derer in seiner Volte, er könnte viel leichter helfen. So möchte ich Manchen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |