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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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sehr angenehmen hohen Bariton um, und bei seinen nachmaligen Aufent¬
halten in Göttingen und Ccissel zählte er daher zu den gesuchtesten und be¬
liebtesten Sängern, was namentlich ihm, der vorzugsweise Liedercomponist war,
zu Gute kam, denn vorzüglicher, wie durch ihn selbst, konnten seine Lieder
kaum von Andern gesungen werden. In Berlin galt er, ein feingebildeter,
im geselligen Umgang höchst liebenswürdiger Mann, nach seiner Rückkehr
nicht allein als das belebende Princip -der höheren Musikkreise, als beliebter
Director der für Wohlthätigkeitszwecke so thätigen Dilettanten-Concerte, son¬
dern stets auch als der bewundertste Liedersänger, sodaß man ihn "die Son-
tag des männlichen Geschlechts" nannte.

Curschmann erhielt eine sorgfältige Erziehung, absolvirte eines der Ber¬
liner Gymnasien und bezog dann, um Jurisprudenz zu studiren, die Univer¬
sität Göttingen. Doch bewogen ihn seine große Neigung zur Musik und die
völlig unabhängigen Verhältnisse, in denen er sich befand, die eingeschlagene
Laufbahn wieder zu verlassen, und nach Cassel. wo ihn Spohrs Anwesenheit
und der Unterricht Hauptmanns anzog, überzusiedeln. In dem Schüler-
verzeickmiß des letzteren erscheint er unter Ur. 14 im Jahre 1824; gleichzeitig
mit ihm studirten damals die Theorie des Tonsatzes Robert Burgmüller und
Kufferath aus Düsseldorf, sowie viele andere talentvolle, später berühmt ge¬
wordene junge Männer aus den verschiedensten Gegenden, meist auch zugleich
Schüler Spohrs'. Dieser, der den fein gebildeten und geistreichen, für seine
Kunst glühend begeisterten, strebsamen Jüngling sehr liebgewonnen und ihn
durch Rath und That freundlich förderte, erinnerte sich noch in späten Jahren
seiner mit Wohlwollen. Er erzählt in seiner Autobiographie: "Im Sommer
1825 (?) kam ein liebenswürdiger junger Mann, Fr. Curschmann aus Berlin,
in der Absicht nach Cassel, sich unter meiner Leitung zum Musiker auszu¬
bilden. In Göttingen hatte er zwar schon seine juristischen Studien begon¬
nen, gedachte dieselben jedoch aufzugeben und versuchte sich bereits mit Glück
in allerlei Compositionen, besonders Liedern, die er mit wohlklingender Bari¬
tonstimme vortrug, und sich dadurch in unsere musikalischen Kreise einführte.
Da seine Vorbildung in der Musik noch mangelhaft war, rieth ich ihm, sich
zunächst an Hauptman zu wenden, der auf meinen Wunsch es übernommen
hatte, meine Violinschüler in der Theorie der Musik zu unterrichten und vor-
zügliches Geschick dazu entwickelte. Auch unserm Cäcilien-Vereine trat Cursch¬
mann sogleich bei und wurde ein sehr nützliches Mitglied desselben, da er
nicht nur die Baßsoli sehr gut vom Blatte sang, sondern auch öfters die
Clavierbegleitung übernahm und das Amt eines Bibliothekars mit vielem
Eifer bekleidete. In Gemeinschaft mit einigen der besten unserer Dilettanten
stiftete er daneben ein Opernkränzchen, in welchem gar manche seiner nachher
so beliebt gewordenen Compositionen und Bruchstücke aus seiner später auf


sehr angenehmen hohen Bariton um, und bei seinen nachmaligen Aufent¬
halten in Göttingen und Ccissel zählte er daher zu den gesuchtesten und be¬
liebtesten Sängern, was namentlich ihm, der vorzugsweise Liedercomponist war,
zu Gute kam, denn vorzüglicher, wie durch ihn selbst, konnten seine Lieder
kaum von Andern gesungen werden. In Berlin galt er, ein feingebildeter,
im geselligen Umgang höchst liebenswürdiger Mann, nach seiner Rückkehr
nicht allein als das belebende Princip -der höheren Musikkreise, als beliebter
Director der für Wohlthätigkeitszwecke so thätigen Dilettanten-Concerte, son¬
dern stets auch als der bewundertste Liedersänger, sodaß man ihn „die Son-
tag des männlichen Geschlechts" nannte.

Curschmann erhielt eine sorgfältige Erziehung, absolvirte eines der Ber¬
liner Gymnasien und bezog dann, um Jurisprudenz zu studiren, die Univer¬
sität Göttingen. Doch bewogen ihn seine große Neigung zur Musik und die
völlig unabhängigen Verhältnisse, in denen er sich befand, die eingeschlagene
Laufbahn wieder zu verlassen, und nach Cassel. wo ihn Spohrs Anwesenheit
und der Unterricht Hauptmanns anzog, überzusiedeln. In dem Schüler-
verzeickmiß des letzteren erscheint er unter Ur. 14 im Jahre 1824; gleichzeitig
mit ihm studirten damals die Theorie des Tonsatzes Robert Burgmüller und
Kufferath aus Düsseldorf, sowie viele andere talentvolle, später berühmt ge¬
wordene junge Männer aus den verschiedensten Gegenden, meist auch zugleich
Schüler Spohrs'. Dieser, der den fein gebildeten und geistreichen, für seine
Kunst glühend begeisterten, strebsamen Jüngling sehr liebgewonnen und ihn
durch Rath und That freundlich förderte, erinnerte sich noch in späten Jahren
seiner mit Wohlwollen. Er erzählt in seiner Autobiographie: „Im Sommer
1825 (?) kam ein liebenswürdiger junger Mann, Fr. Curschmann aus Berlin,
in der Absicht nach Cassel, sich unter meiner Leitung zum Musiker auszu¬
bilden. In Göttingen hatte er zwar schon seine juristischen Studien begon¬
nen, gedachte dieselben jedoch aufzugeben und versuchte sich bereits mit Glück
in allerlei Compositionen, besonders Liedern, die er mit wohlklingender Bari¬
tonstimme vortrug, und sich dadurch in unsere musikalischen Kreise einführte.
Da seine Vorbildung in der Musik noch mangelhaft war, rieth ich ihm, sich
zunächst an Hauptman zu wenden, der auf meinen Wunsch es übernommen
hatte, meine Violinschüler in der Theorie der Musik zu unterrichten und vor-
zügliches Geschick dazu entwickelte. Auch unserm Cäcilien-Vereine trat Cursch¬
mann sogleich bei und wurde ein sehr nützliches Mitglied desselben, da er
nicht nur die Baßsoli sehr gut vom Blatte sang, sondern auch öfters die
Clavierbegleitung übernahm und das Amt eines Bibliothekars mit vielem
Eifer bekleidete. In Gemeinschaft mit einigen der besten unserer Dilettanten
stiftete er daneben ein Opernkränzchen, in welchem gar manche seiner nachher
so beliebt gewordenen Compositionen und Bruchstücke aus seiner später auf


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[0078] sehr angenehmen hohen Bariton um, und bei seinen nachmaligen Aufent¬ halten in Göttingen und Ccissel zählte er daher zu den gesuchtesten und be¬ liebtesten Sängern, was namentlich ihm, der vorzugsweise Liedercomponist war, zu Gute kam, denn vorzüglicher, wie durch ihn selbst, konnten seine Lieder kaum von Andern gesungen werden. In Berlin galt er, ein feingebildeter, im geselligen Umgang höchst liebenswürdiger Mann, nach seiner Rückkehr nicht allein als das belebende Princip -der höheren Musikkreise, als beliebter Director der für Wohlthätigkeitszwecke so thätigen Dilettanten-Concerte, son¬ dern stets auch als der bewundertste Liedersänger, sodaß man ihn „die Son- tag des männlichen Geschlechts" nannte. Curschmann erhielt eine sorgfältige Erziehung, absolvirte eines der Ber¬ liner Gymnasien und bezog dann, um Jurisprudenz zu studiren, die Univer¬ sität Göttingen. Doch bewogen ihn seine große Neigung zur Musik und die völlig unabhängigen Verhältnisse, in denen er sich befand, die eingeschlagene Laufbahn wieder zu verlassen, und nach Cassel. wo ihn Spohrs Anwesenheit und der Unterricht Hauptmanns anzog, überzusiedeln. In dem Schüler- verzeickmiß des letzteren erscheint er unter Ur. 14 im Jahre 1824; gleichzeitig mit ihm studirten damals die Theorie des Tonsatzes Robert Burgmüller und Kufferath aus Düsseldorf, sowie viele andere talentvolle, später berühmt ge¬ wordene junge Männer aus den verschiedensten Gegenden, meist auch zugleich Schüler Spohrs'. Dieser, der den fein gebildeten und geistreichen, für seine Kunst glühend begeisterten, strebsamen Jüngling sehr liebgewonnen und ihn durch Rath und That freundlich förderte, erinnerte sich noch in späten Jahren seiner mit Wohlwollen. Er erzählt in seiner Autobiographie: „Im Sommer 1825 (?) kam ein liebenswürdiger junger Mann, Fr. Curschmann aus Berlin, in der Absicht nach Cassel, sich unter meiner Leitung zum Musiker auszu¬ bilden. In Göttingen hatte er zwar schon seine juristischen Studien begon¬ nen, gedachte dieselben jedoch aufzugeben und versuchte sich bereits mit Glück in allerlei Compositionen, besonders Liedern, die er mit wohlklingender Bari¬ tonstimme vortrug, und sich dadurch in unsere musikalischen Kreise einführte. Da seine Vorbildung in der Musik noch mangelhaft war, rieth ich ihm, sich zunächst an Hauptman zu wenden, der auf meinen Wunsch es übernommen hatte, meine Violinschüler in der Theorie der Musik zu unterrichten und vor- zügliches Geschick dazu entwickelte. Auch unserm Cäcilien-Vereine trat Cursch¬ mann sogleich bei und wurde ein sehr nützliches Mitglied desselben, da er nicht nur die Baßsoli sehr gut vom Blatte sang, sondern auch öfters die Clavierbegleitung übernahm und das Amt eines Bibliothekars mit vielem Eifer bekleidete. In Gemeinschaft mit einigen der besten unserer Dilettanten stiftete er daneben ein Opernkränzchen, in welchem gar manche seiner nachher so beliebt gewordenen Compositionen und Bruchstücke aus seiner später auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/78>, abgerufen am 22.12.2024.