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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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daß sie nicht der Wüste gepredigt haben. Die Journale des internationalen
Arbeiterbundes klagten den Richterstand als verderbt und ehrlos an, und
siehe da, ihre getreuen Leser haben den Präsidenten Bonjean schändlich umge¬
bracht. Die Zeitungen der Internationale, nicht zufrieden damit, unter allen
Formen den Materialismus und Atheismus zu lehren, haben auf die gröbste
Weise die Mitglieder der Geistlichkeit beleidigt und gegen sie den Volkshaß
aufgestachelt. Von dem Augenblicke an, wo ihre Schüler Herren von Paris
wurden, plünderten sie die Kirchen und Klöster, und als sie sich verloren
sahen, trösteten sie sich über ihre Niederlage damit, daß sie den Erzbischof
Darboy sammt allen Priestern und allen Ordensgeistlichen ermordeten, deren
sie hatten habhaft werden können. Man sieht, die Redacteure dieser Blätter
brauchten sich nicht zu beklagen, daß sie ihre Zeit und ihre Dinte für nichts
verschrieben.




Die DolKsschulsrage vor der schweizerischen Bundes-
Versammlung.

" Nicht sehr glücklich waren die beiden eidgenössischen Räthe in der Be¬
handlung der Volksschule. Die Schweiz pflegte sich bisher zu rühmen in dieser
wichtigen Angelegenheit eine bevorzugte Stellung unter den Staaten einzu¬
nehmen und verdankt dies namentlich den seit den Revolutionen der Dreißiger¬
jahre in den Cantonen von den Fesseln eines reactionären Patriziats und
Aristokratenthums entbundenen liberalen Bestrebungen ihrer echten Volks-
freunde. Diese erblickten in einer gesteigerten Volksbildung die Grundlage
jedes socialen und politischen Gedeihens. Die Schweiz verdankt dies aber
ebenso sehr dem Umstände, daß solche Anstrebungen in der engen Umfriedung
der einzelnen Cantone einen bestimmt begrenzten und darum leichter auszu¬
füllenden Wirkungskreis fanden, daß es den begeisterten Freunden der Volks¬
schule nicht allzuschwer war, sich diejenige Stellung und Wirksamkeit zu ver¬
schaffen, mittelst deren sie ihre Ideale im Leben verwirklichen konnten. Auch
war wie im politischen Streben ebenso auch auf dem Gebiete der Schule ein
wohlthätiger Wetteifer zwischen den Cantonen erwacht und hat es im Verlaufe
der letzten vier Decennien dahin gebracht, daß es schon längst keinen Canton
mehr giebt, in welchem nicht der Volksschulunterricht für Jedermann ver¬
bindlich und überall mehr oder minder streng dafür gesorgt wäre, daß auch
der Aermste sein Lesen, Schreiben und Rechnen erlernen könnte und müßte.
Diese mehr oder minder strenge Durchführung des allgemein gültigen Gesetzes
war es jedoch, welche in jüngster Zeit nam-neues bei den Rekrutenprüfungen
für die Miliz in einzelnen Cantonen nicht sehr rühmenswerthe Resultate auf-


daß sie nicht der Wüste gepredigt haben. Die Journale des internationalen
Arbeiterbundes klagten den Richterstand als verderbt und ehrlos an, und
siehe da, ihre getreuen Leser haben den Präsidenten Bonjean schändlich umge¬
bracht. Die Zeitungen der Internationale, nicht zufrieden damit, unter allen
Formen den Materialismus und Atheismus zu lehren, haben auf die gröbste
Weise die Mitglieder der Geistlichkeit beleidigt und gegen sie den Volkshaß
aufgestachelt. Von dem Augenblicke an, wo ihre Schüler Herren von Paris
wurden, plünderten sie die Kirchen und Klöster, und als sie sich verloren
sahen, trösteten sie sich über ihre Niederlage damit, daß sie den Erzbischof
Darboy sammt allen Priestern und allen Ordensgeistlichen ermordeten, deren
sie hatten habhaft werden können. Man sieht, die Redacteure dieser Blätter
brauchten sich nicht zu beklagen, daß sie ihre Zeit und ihre Dinte für nichts
verschrieben.




Die DolKsschulsrage vor der schweizerischen Bundes-
Versammlung.

" Nicht sehr glücklich waren die beiden eidgenössischen Räthe in der Be¬
handlung der Volksschule. Die Schweiz pflegte sich bisher zu rühmen in dieser
wichtigen Angelegenheit eine bevorzugte Stellung unter den Staaten einzu¬
nehmen und verdankt dies namentlich den seit den Revolutionen der Dreißiger¬
jahre in den Cantonen von den Fesseln eines reactionären Patriziats und
Aristokratenthums entbundenen liberalen Bestrebungen ihrer echten Volks-
freunde. Diese erblickten in einer gesteigerten Volksbildung die Grundlage
jedes socialen und politischen Gedeihens. Die Schweiz verdankt dies aber
ebenso sehr dem Umstände, daß solche Anstrebungen in der engen Umfriedung
der einzelnen Cantone einen bestimmt begrenzten und darum leichter auszu¬
füllenden Wirkungskreis fanden, daß es den begeisterten Freunden der Volks¬
schule nicht allzuschwer war, sich diejenige Stellung und Wirksamkeit zu ver¬
schaffen, mittelst deren sie ihre Ideale im Leben verwirklichen konnten. Auch
war wie im politischen Streben ebenso auch auf dem Gebiete der Schule ein
wohlthätiger Wetteifer zwischen den Cantonen erwacht und hat es im Verlaufe
der letzten vier Decennien dahin gebracht, daß es schon längst keinen Canton
mehr giebt, in welchem nicht der Volksschulunterricht für Jedermann ver¬
bindlich und überall mehr oder minder streng dafür gesorgt wäre, daß auch
der Aermste sein Lesen, Schreiben und Rechnen erlernen könnte und müßte.
Diese mehr oder minder strenge Durchführung des allgemein gültigen Gesetzes
war es jedoch, welche in jüngster Zeit nam-neues bei den Rekrutenprüfungen
für die Miliz in einzelnen Cantonen nicht sehr rühmenswerthe Resultate auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/74>, abgerufen am 22.12.2024.