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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Anstrengungen der Arbeitervereine ermuthigen müsse. Nur müsse man "aus
diesen Vereinen so viel als möglich das Vorwiegen des Capitals über die
Arbeit verdrängen, das heißt die Idee der Gegenseitigkeit und der Föderation
hineinbringen." Uebertragen wir das in verständliches Deutsch, so war damit
gemeint, nur müsse man sorgen, daß in dem betreffenden Verein jeder Unter¬
schied zwischen denen, die schon lange Zeit und mit Erfolg gearbeitet, und
denen, welche sich erst an das Werk machten, verschwinde, nur müsse man
unter die Vereine, in denen die Zuchtlosigkeit, die Faulheit und die Unord¬
nung regierten, das von denjenigen Erworbene repartiren, welche sich einer
Regel unterwerfen, arbeiten und sparen.

Man sieht, der Communismus, welcher auf dem ersten Congreß das Wort
nur schüchtern ergriffen hatte, führt es hier schon recht laut und dreist. In
Lausanne verlangt er, nachdem er die Föderation zwischen den Vereinen, das
heißt die Aufgebung dessen, was die fleißigen und geschickten Arbeiter erwor¬
ben hatten, zu Gunsten der Trägen und Ungeschickten gefordert hat,
"daß man den Staat zum Eigenthümer der Transport- und Verkehrsmittel
mache, um das gewaltige Monopol der großen Gesellschaften zu vernichten,
welche damit die arbeitenden Classen ihren willkürlichen Gesetzen unterwerfen
und die Menschenwürde und die individuelle Freiheit angreifen." Hiernach
wagte der Communismus sich in Lausanne nur erst an die Arbeitervereine zu
cooperativen Zwecken und an die großen Gesellschaften, also nur an das col¬
lective Eigenthum; das individuelle blieb 1866 und 1867 noch geachtet, oder
hatte doch nur die Attaken der Avantgarde auszuhalten. Auf dem dritten
Congreß, dem zu Brüssel, aber erfolgte ein Sturm aller Streitkräfte des
Bundes auf dasselbe, dem auch diejenigen nicht fern blieben, welche in gutem
Glauben waren, zu seiner Vertheidigung zu marschiren.

Bevor der Brüsseler Congreß an die Erörterung der Frage ging, die
den Londoner Führern ohne Zweifel am meisten am Herzen lag, beschäftigte
er sich mit der Prüfung anderer Gegenstände. Er erkannte die Berechtigung
und Nothwendigkeit von Arbeitseinstellungen in der gegenwärtigen Lage des
Streites zwischen Capital und Arbeit an, erklärte, daß es passend sei, "sie ge¬
wissen Regeln, gewissen Bedingungen der Organisation und der Opportunist
zu unterwerfen", und verfügte die Errichtung von Schiedsgerichten, welche die
Anwendung dieser Regeln überwachen sollten. Er erklärte ferner, "daß die
Maschinen wie die übrigen Arbeitsinstrumente den Arbeitern gehören und zu
deren Vortheil im Gange sein müßten", und beschloß, daß allen Sectionen
die Mittheilung zugehen solle, sich sorgfältig dem Studium eines Planes zur
Errichtung einer Wechselbank zum Selbstkostenpreise zu widmen. Aber die
Hauptfrage, mit deren Lösung der Congreß sich beschäftigte, die, welche am
ausführlichsten und leidenschaftlichsten erörtert wurde und die tollsten Ideen,


Anstrengungen der Arbeitervereine ermuthigen müsse. Nur müsse man „aus
diesen Vereinen so viel als möglich das Vorwiegen des Capitals über die
Arbeit verdrängen, das heißt die Idee der Gegenseitigkeit und der Föderation
hineinbringen." Uebertragen wir das in verständliches Deutsch, so war damit
gemeint, nur müsse man sorgen, daß in dem betreffenden Verein jeder Unter¬
schied zwischen denen, die schon lange Zeit und mit Erfolg gearbeitet, und
denen, welche sich erst an das Werk machten, verschwinde, nur müsse man
unter die Vereine, in denen die Zuchtlosigkeit, die Faulheit und die Unord¬
nung regierten, das von denjenigen Erworbene repartiren, welche sich einer
Regel unterwerfen, arbeiten und sparen.

Man sieht, der Communismus, welcher auf dem ersten Congreß das Wort
nur schüchtern ergriffen hatte, führt es hier schon recht laut und dreist. In
Lausanne verlangt er, nachdem er die Föderation zwischen den Vereinen, das
heißt die Aufgebung dessen, was die fleißigen und geschickten Arbeiter erwor¬
ben hatten, zu Gunsten der Trägen und Ungeschickten gefordert hat,
„daß man den Staat zum Eigenthümer der Transport- und Verkehrsmittel
mache, um das gewaltige Monopol der großen Gesellschaften zu vernichten,
welche damit die arbeitenden Classen ihren willkürlichen Gesetzen unterwerfen
und die Menschenwürde und die individuelle Freiheit angreifen." Hiernach
wagte der Communismus sich in Lausanne nur erst an die Arbeitervereine zu
cooperativen Zwecken und an die großen Gesellschaften, also nur an das col¬
lective Eigenthum; das individuelle blieb 1866 und 1867 noch geachtet, oder
hatte doch nur die Attaken der Avantgarde auszuhalten. Auf dem dritten
Congreß, dem zu Brüssel, aber erfolgte ein Sturm aller Streitkräfte des
Bundes auf dasselbe, dem auch diejenigen nicht fern blieben, welche in gutem
Glauben waren, zu seiner Vertheidigung zu marschiren.

Bevor der Brüsseler Congreß an die Erörterung der Frage ging, die
den Londoner Führern ohne Zweifel am meisten am Herzen lag, beschäftigte
er sich mit der Prüfung anderer Gegenstände. Er erkannte die Berechtigung
und Nothwendigkeit von Arbeitseinstellungen in der gegenwärtigen Lage des
Streites zwischen Capital und Arbeit an, erklärte, daß es passend sei, „sie ge¬
wissen Regeln, gewissen Bedingungen der Organisation und der Opportunist
zu unterwerfen", und verfügte die Errichtung von Schiedsgerichten, welche die
Anwendung dieser Regeln überwachen sollten. Er erklärte ferner, „daß die
Maschinen wie die übrigen Arbeitsinstrumente den Arbeitern gehören und zu
deren Vortheil im Gange sein müßten", und beschloß, daß allen Sectionen
die Mittheilung zugehen solle, sich sorgfältig dem Studium eines Planes zur
Errichtung einer Wechselbank zum Selbstkostenpreise zu widmen. Aber die
Hauptfrage, mit deren Lösung der Congreß sich beschäftigte, die, welche am
ausführlichsten und leidenschaftlichsten erörtert wurde und die tollsten Ideen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/64>, abgerufen am 24.08.2024.