Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Nachfolger des Ministeriums Font- van Bosse auftreten konnte, und die Beim Auftreten Thorbecke's erwartete man nun mit Recht, daß des Während der letzten Zeit des deutsch-französischen Krieges stand die Mili- Die Steuern sind mit wenig Ausnahmen Verbrauchssteuern, die naturge¬ Nachfolger des Ministeriums Font- van Bosse auftreten konnte, und die Beim Auftreten Thorbecke's erwartete man nun mit Recht, daß des Während der letzten Zeit des deutsch-französischen Krieges stand die Mili- Die Steuern sind mit wenig Ausnahmen Verbrauchssteuern, die naturge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127912"/> <p xml:id="ID_1627" prev="#ID_1626"> Nachfolger des Ministeriums Font- van Bosse auftreten konnte, und die<lb/> anderen Parteien, die Konservativen, Mtramontanen und Antirevolutionäre,<lb/> waren in zu großer Minderheit. Obgleich Thorbecke schon 72 Jahre alt und<lb/> kränklich war, übernahm er die Regierung dennoch', wiewohl nach langem<lb/> Zaudern, weil es eben kein andres Mittel gab, um aus der Krisis herauszu¬<lb/> kommen. Seit dem Jahre 1864 waren Anforderungen an die Regierung<lb/> herangetreten, welchen keines der seitdem fungirenden Ministerien hatte ge¬<lb/> nügen können: die Reorganisation der Armee- und Steuerverhältnisse, der<lb/> Gerichts-Eintheilung, die Revision des Wahlcensus, die colonialen Angelegen¬<lb/> heiten, der Universitäts-Unterricht; Alles sehr wichtige Probleme, deren Lösung<lb/> mehr oder weniger dringend erforderlich war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1628"> Beim Auftreten Thorbecke's erwartete man nun mit Recht, daß des<lb/> langen Zweifelns und der Unschlüssigkeit ein Ende sein würde. Leider ist<lb/> man aber bei seinem Tode noch keinen Schritt weiter gekommen. Aber nicht<lb/> dem Verstorbenen ist die Schuld daran beizumessen, sondern der Zersplitterung<lb/> der liberalen Partei in der zweiten Kammer. Mag auch den alten Staats¬<lb/> mann die gewohnte Kraft hin und wieder verlassen haben, er hat seine Pflicht<lb/> in vollem Maaße gethan.</p><lb/> <p xml:id="ID_1629"> Während der letzten Zeit des deutsch-französischen Krieges stand die Mili-<lb/> tcirfrage im Vordergrund. Das Bestehende hatte sich als unzuverlässig, un¬<lb/> genügend und untauglich erwiesen gegenüber den Anforderungen der letzten<lb/> Zeiten. Als Kriegsminister trat zuerst Oberst Booms, dann General Engel-<lb/> voort und zuletzt General Delprat auf. Aber alle drei konnten das Ver¬<lb/> trauen der Kammer nicht erhalten. Sie haben ihre Pläne zwar nie ganz<lb/> klar dargelegt, aber es scheint, daß sie sich zu schwer von der alten Routine<lb/> trennen konnten. Dazu waren verschiedene liberale Abgeordnete gegen große<lb/> Ausgaben für die Landesvertheidigung gestimmt. Ob es am Ministerium<lb/> oder an der Kammer gelegen hat, daß die Armee noch in keinem besseren<lb/> Zustande ist, als sie im Herbste 1870 war, läßt sich schwer sagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1630" next="#ID_1631"> Die Steuern sind mit wenig Ausnahmen Verbrauchssteuern, die naturge¬<lb/> mäß sehr unregelmäßig und hauptsächlich auf den kleinen Bürgerstand drücken.<lb/> Die Einführung eines andern Steuersystems war darum unerläßlich. Schon<lb/> im Jahre 1863 war durch den Minister Betz durch Aufhebung der Gemeinde-<lb/> Accisen dazu vorgearbeitet. Nun kam vor mehreren Wochen ein Gesetz-Ent¬<lb/> wurf in der zweiten Kammer zur Berathung, der auf ganz andern Principien<lb/> beruhte, als die bisherige Steuergesetzgebung. Der Finanz Minister, Herr<lb/> Blufft, beantragte eine Einkommensteuer, wogegen die Gewerbesteuer, die<lb/> Fleisch- und Seife-Accise aufgehoben werden sollten. Die bestehende Gewerbe¬<lb/> steuer ist ein Unding, das weiter nicht zu qualificiren ist; Abschaffung von<lb/> Fleisch- und Seife-Accise ist immerhin sehr wünschenswerth im Interesse der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
Nachfolger des Ministeriums Font- van Bosse auftreten konnte, und die
anderen Parteien, die Konservativen, Mtramontanen und Antirevolutionäre,
waren in zu großer Minderheit. Obgleich Thorbecke schon 72 Jahre alt und
kränklich war, übernahm er die Regierung dennoch', wiewohl nach langem
Zaudern, weil es eben kein andres Mittel gab, um aus der Krisis herauszu¬
kommen. Seit dem Jahre 1864 waren Anforderungen an die Regierung
herangetreten, welchen keines der seitdem fungirenden Ministerien hatte ge¬
nügen können: die Reorganisation der Armee- und Steuerverhältnisse, der
Gerichts-Eintheilung, die Revision des Wahlcensus, die colonialen Angelegen¬
heiten, der Universitäts-Unterricht; Alles sehr wichtige Probleme, deren Lösung
mehr oder weniger dringend erforderlich war.
Beim Auftreten Thorbecke's erwartete man nun mit Recht, daß des
langen Zweifelns und der Unschlüssigkeit ein Ende sein würde. Leider ist
man aber bei seinem Tode noch keinen Schritt weiter gekommen. Aber nicht
dem Verstorbenen ist die Schuld daran beizumessen, sondern der Zersplitterung
der liberalen Partei in der zweiten Kammer. Mag auch den alten Staats¬
mann die gewohnte Kraft hin und wieder verlassen haben, er hat seine Pflicht
in vollem Maaße gethan.
Während der letzten Zeit des deutsch-französischen Krieges stand die Mili-
tcirfrage im Vordergrund. Das Bestehende hatte sich als unzuverlässig, un¬
genügend und untauglich erwiesen gegenüber den Anforderungen der letzten
Zeiten. Als Kriegsminister trat zuerst Oberst Booms, dann General Engel-
voort und zuletzt General Delprat auf. Aber alle drei konnten das Ver¬
trauen der Kammer nicht erhalten. Sie haben ihre Pläne zwar nie ganz
klar dargelegt, aber es scheint, daß sie sich zu schwer von der alten Routine
trennen konnten. Dazu waren verschiedene liberale Abgeordnete gegen große
Ausgaben für die Landesvertheidigung gestimmt. Ob es am Ministerium
oder an der Kammer gelegen hat, daß die Armee noch in keinem besseren
Zustande ist, als sie im Herbste 1870 war, läßt sich schwer sagen.
Die Steuern sind mit wenig Ausnahmen Verbrauchssteuern, die naturge¬
mäß sehr unregelmäßig und hauptsächlich auf den kleinen Bürgerstand drücken.
Die Einführung eines andern Steuersystems war darum unerläßlich. Schon
im Jahre 1863 war durch den Minister Betz durch Aufhebung der Gemeinde-
Accisen dazu vorgearbeitet. Nun kam vor mehreren Wochen ein Gesetz-Ent¬
wurf in der zweiten Kammer zur Berathung, der auf ganz andern Principien
beruhte, als die bisherige Steuergesetzgebung. Der Finanz Minister, Herr
Blufft, beantragte eine Einkommensteuer, wogegen die Gewerbesteuer, die
Fleisch- und Seife-Accise aufgehoben werden sollten. Die bestehende Gewerbe¬
steuer ist ein Unding, das weiter nicht zu qualificiren ist; Abschaffung von
Fleisch- und Seife-Accise ist immerhin sehr wünschenswerth im Interesse der
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