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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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"beschreiben. Gott allein die Ehre!!! Wie ich in's Orchester trat, er-
"hob sich das ganze überfüllte Haus und ein unglaublicher Jubel, Vivat-
"und Hurrah-Rufen, Hüte- und Tücher-Schwenken empfing mich und war
"kaum wieder zu stillen !e. -- Am Ende mit Sturmcsgewalt mich herausge-
"rufen, eine Ehre, die in England noch nie einem Komponisten wider-
"führen ist, :c." -- Hiemit war, wie Weber weiter sagt, "ein großer Schritt
"in der Welt abermals abgethan;" aber -- es warder letzte große Schritt!
müssen wir mit Schmerz hinzufügen.

Was nun das unter schweren körperlichen Leiden, in Hast, fast Angst
geschaffene Werk selbst anlangt (denn Weber hatte wohl gefühlt, daß es zu
seinem letzten werden würde) -- so dürfte sich das zu richtiger Beurtheilung
Nöthige und eine solche selbst in Folgenden zusammenfassen lassen: Das von
I. R. Planche geschriebene Buch des Oberon gab Weber fast noch
größere Schwierigkeiten zu überwinden, als einst das der Euryanthe. Von
dieser kannte er doch beim Beginne der Composition den Gang des Ganzen;
vieles lag in der dichterischen Ausführung fertig vor; über den Oberon
la? ihm keine weitere Kunde zu, als in ziemlich großen Pausen jedesmal der
eben fertig gewordene der drei Acte. Aeußerst geringe Verbindung nur be¬
stand zwischen ihm und dem Dichter; eingehende mündliche Besprechungen
waren unmöglich, und so mußte er sich der drängenden Zeit halber an die
Arten werfen, ohne des Dichters Conception vorher im Ganzen in sich auf-
gemmmen und diese in ihren Gesammtbeziehung zu der seinigen innerlich aus-
gestattet zu haben. Darum finden wir im Oberon nicht die Durchführung
zahlreicher Leitmotive, wie er diese (und er zuerst) in so geistreicher Weise
bei sjnen andern Musikdramen anwendete. Sein Genius erschuf sich deshalb
ein einziges Leitmotiv, jenen Terzgang, mit dem die Ouvertüre be¬
ginnt (zweien echt arabischen Motiven entnommen) welches er nun in stets
neuer ab überraschender Weise, jedesmal da bringt, wo es gilt, den Orient
zu bezächnen oder das Feenreich, das in jenem recht eigentlich seine Heimath
hat.*) -- Wenn Weber hiedurch in höchst genialer Weise eine wunderbare
Einheitdes musikalischen Hintergrundes der Oper herbeiführte, so standen ihm doch
keine Mittel zu Gebot, die außerordentliche Buntheit der Planche'schen Dichtung
zu tilgn und ihr jenen Charakter zu nehmen, der, nicht ungerechtfertigt, als
ein "melodramatischer" bezeichnet worden ist. -- Das war jedoch ein großer
Nachtheil für seine Composition; ja dieser tiefgreifende Mangel war so be¬
deutend, daß die Oper verloren gewesen wäre, wenn Weber sie nicht durch
die hohe poetische Kraft seiner Musik durchgeistigt und emporgehalten hätte.
Der wunderbare Melodienzauber aber, der über sie ausgegossen ist, der ge-



") Ausführliches darüber in dem in der Note zu Heft 25 p-rg. 446 genannten Werke: "F.
W. Jähns Carl Maria von Weber in seinen Werken", p-rz?. bis 401.

„beschreiben. Gott allein die Ehre!!! Wie ich in's Orchester trat, er-
„hob sich das ganze überfüllte Haus und ein unglaublicher Jubel, Vivat-
„und Hurrah-Rufen, Hüte- und Tücher-Schwenken empfing mich und war
„kaum wieder zu stillen !e. — Am Ende mit Sturmcsgewalt mich herausge-
„rufen, eine Ehre, die in England noch nie einem Komponisten wider-
„führen ist, :c." — Hiemit war, wie Weber weiter sagt, „ein großer Schritt
„in der Welt abermals abgethan;" aber — es warder letzte große Schritt!
müssen wir mit Schmerz hinzufügen.

Was nun das unter schweren körperlichen Leiden, in Hast, fast Angst
geschaffene Werk selbst anlangt (denn Weber hatte wohl gefühlt, daß es zu
seinem letzten werden würde) — so dürfte sich das zu richtiger Beurtheilung
Nöthige und eine solche selbst in Folgenden zusammenfassen lassen: Das von
I. R. Planche geschriebene Buch des Oberon gab Weber fast noch
größere Schwierigkeiten zu überwinden, als einst das der Euryanthe. Von
dieser kannte er doch beim Beginne der Composition den Gang des Ganzen;
vieles lag in der dichterischen Ausführung fertig vor; über den Oberon
la? ihm keine weitere Kunde zu, als in ziemlich großen Pausen jedesmal der
eben fertig gewordene der drei Acte. Aeußerst geringe Verbindung nur be¬
stand zwischen ihm und dem Dichter; eingehende mündliche Besprechungen
waren unmöglich, und so mußte er sich der drängenden Zeit halber an die
Arten werfen, ohne des Dichters Conception vorher im Ganzen in sich auf-
gemmmen und diese in ihren Gesammtbeziehung zu der seinigen innerlich aus-
gestattet zu haben. Darum finden wir im Oberon nicht die Durchführung
zahlreicher Leitmotive, wie er diese (und er zuerst) in so geistreicher Weise
bei sjnen andern Musikdramen anwendete. Sein Genius erschuf sich deshalb
ein einziges Leitmotiv, jenen Terzgang, mit dem die Ouvertüre be¬
ginnt (zweien echt arabischen Motiven entnommen) welches er nun in stets
neuer ab überraschender Weise, jedesmal da bringt, wo es gilt, den Orient
zu bezächnen oder das Feenreich, das in jenem recht eigentlich seine Heimath
hat.*) — Wenn Weber hiedurch in höchst genialer Weise eine wunderbare
Einheitdes musikalischen Hintergrundes der Oper herbeiführte, so standen ihm doch
keine Mittel zu Gebot, die außerordentliche Buntheit der Planche'schen Dichtung
zu tilgn und ihr jenen Charakter zu nehmen, der, nicht ungerechtfertigt, als
ein „melodramatischer" bezeichnet worden ist. — Das war jedoch ein großer
Nachtheil für seine Composition; ja dieser tiefgreifende Mangel war so be¬
deutend, daß die Oper verloren gewesen wäre, wenn Weber sie nicht durch
die hohe poetische Kraft seiner Musik durchgeistigt und emporgehalten hätte.
Der wunderbare Melodienzauber aber, der über sie ausgegossen ist, der ge-



") Ausführliches darüber in dem in der Note zu Heft 25 p-rg. 446 genannten Werke: „F.
W. Jähns Carl Maria von Weber in seinen Werken", p-rz?. bis 401.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/487>, abgerufen am 22.12.2024.