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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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1824 für den Reichsrechnungshof zum Gesetz erklärt werde. Denn alsdann
müßte der Rechnungshof, der alle Abweichungen von Gesetzen zur Kenntniß
des Reichstags zu bringen hat, alle Abweichungen von jener bisher nur mit
dem Charakter einer Verwaltungsanweisung versehenen Instruction zur
Kenntniß des Reichstages bringen. Damit würde das Aufsichtsrecht des
Reichstages bis in die technischen Einzelnheiten der Verwaltung hinein er¬
streckt werden. 2) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß der Rechnungs¬
hof durch seine Monitur entscheidet, welche von den Einnahmen, die außer¬
halb des Voranschlags im Budget dem Reich erwachsen, der nachträglichen
Genehmigung des Reichstags bedürfen. Der Bundesrath will nicht etwa die
Kenntniß solcher Einnahmen dem Reichstage entziehen; aber er will die Frage,
ob gewisse Einnahmen einer nachträglichen Genehmigung bedürfen, der Ver¬
einbarung vorbehalten. 3) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß der
Rechnungshof zur Kenntniß des Reichstags nicht nur die Abweichungen von
den Gesetzen, sondern auch die Abweichungen von den Vorschriften bringt,
welche die Verwaltung selbst erlassen. 4) Der Bundesrath kann nicht zu¬
stimmen, daß der Reichstag das Recht erhält, an den Rechnungshof Rück¬
fragen zu richten, die dieser zu beantworten gesetzlich verpflichtet ist. -- Die
dritte Lesung des Gesetzes wurde am 5. Juni unterbrochen, weil ein Theil
des Reichstags hoffte, durch den Aufschub eine Verständigung mit der Re¬
gierung herbeizuführen. Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen, denn
am 7. Juni hat der Reichstag die sämmtlichen Beschlüsse genehmigt, welche
der Bundesrath für unannehmbar erklärt hatte. Die Herren Laster und
Miquel trösteten sich über die Vereitelung des Gesetzes mit der Hoffnung, daß
in nächster Session die Reichsregierung eine Vorlage über den Rechnungshof
einbringen werde, worin die streitigen Punkte nach den diesmaligen Beschlüssen
des Reichstages geregelt sein würden. Diese Aussicht dürfte denn doch mehr
als fraglich sein.

Als ein erfreuliches Ereigniß ist zu berichten, daß am 7. Juni^die
Einigung über das Militärstrafgesetzbuch zu Stande gekommen ist. Die strei¬
tigen Bestimmungen hatten sich nur noch auf die Strafe des strengen Arrestes
bezogen und waren von der zur Vorberathung eingesetzten Commission im
Sinne der Regierung, das heißt im Sinne der Beibehaltung dieser Strafe
entschieden worden. Der Reichstagsabgeordnete Graf Moltke und der Bundes¬
bevollmächtigte Kriegsminister von Roon erläuterten die Nothwendigkeit jener
Strafe in demselben Sinne, der hier früher angedeutet worden. Die Strafe
ist nicht um der großen Mehrzahl der guten Soldaten da. Aber es giebt
kein Mittel, irgend eine Armee der Welt gänzlich gegen die Aufnahme un¬
tauglicher Elemente zu schützen. Diese Elemente würden die ganze Disciplin
verderben, wenn ihre Widersetzlichkeit oder Trägheit es über die Autorität der


1824 für den Reichsrechnungshof zum Gesetz erklärt werde. Denn alsdann
müßte der Rechnungshof, der alle Abweichungen von Gesetzen zur Kenntniß
des Reichstags zu bringen hat, alle Abweichungen von jener bisher nur mit
dem Charakter einer Verwaltungsanweisung versehenen Instruction zur
Kenntniß des Reichstages bringen. Damit würde das Aufsichtsrecht des
Reichstages bis in die technischen Einzelnheiten der Verwaltung hinein er¬
streckt werden. 2) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß der Rechnungs¬
hof durch seine Monitur entscheidet, welche von den Einnahmen, die außer¬
halb des Voranschlags im Budget dem Reich erwachsen, der nachträglichen
Genehmigung des Reichstags bedürfen. Der Bundesrath will nicht etwa die
Kenntniß solcher Einnahmen dem Reichstage entziehen; aber er will die Frage,
ob gewisse Einnahmen einer nachträglichen Genehmigung bedürfen, der Ver¬
einbarung vorbehalten. 3) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß der
Rechnungshof zur Kenntniß des Reichstags nicht nur die Abweichungen von
den Gesetzen, sondern auch die Abweichungen von den Vorschriften bringt,
welche die Verwaltung selbst erlassen. 4) Der Bundesrath kann nicht zu¬
stimmen, daß der Reichstag das Recht erhält, an den Rechnungshof Rück¬
fragen zu richten, die dieser zu beantworten gesetzlich verpflichtet ist. — Die
dritte Lesung des Gesetzes wurde am 5. Juni unterbrochen, weil ein Theil
des Reichstags hoffte, durch den Aufschub eine Verständigung mit der Re¬
gierung herbeizuführen. Diese Hoffnung ist nicht in Erfüllung gegangen, denn
am 7. Juni hat der Reichstag die sämmtlichen Beschlüsse genehmigt, welche
der Bundesrath für unannehmbar erklärt hatte. Die Herren Laster und
Miquel trösteten sich über die Vereitelung des Gesetzes mit der Hoffnung, daß
in nächster Session die Reichsregierung eine Vorlage über den Rechnungshof
einbringen werde, worin die streitigen Punkte nach den diesmaligen Beschlüssen
des Reichstages geregelt sein würden. Diese Aussicht dürfte denn doch mehr
als fraglich sein.

Als ein erfreuliches Ereigniß ist zu berichten, daß am 7. Juni^die
Einigung über das Militärstrafgesetzbuch zu Stande gekommen ist. Die strei¬
tigen Bestimmungen hatten sich nur noch auf die Strafe des strengen Arrestes
bezogen und waren von der zur Vorberathung eingesetzten Commission im
Sinne der Regierung, das heißt im Sinne der Beibehaltung dieser Strafe
entschieden worden. Der Reichstagsabgeordnete Graf Moltke und der Bundes¬
bevollmächtigte Kriegsminister von Roon erläuterten die Nothwendigkeit jener
Strafe in demselben Sinne, der hier früher angedeutet worden. Die Strafe
ist nicht um der großen Mehrzahl der guten Soldaten da. Aber es giebt
kein Mittel, irgend eine Armee der Welt gänzlich gegen die Aufnahme un¬
tauglicher Elemente zu schützen. Diese Elemente würden die ganze Disciplin
verderben, wenn ihre Widersetzlichkeit oder Trägheit es über die Autorität der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/470>, abgerufen am 22.07.2024.