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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Süddeutschland gewählten Reichstagsmitglieder bei den Abstimmungen über
solche Gegenstände, welche den süddeutschen Staaten nicht mit dem Reiche ge¬
meinschaftlich sind.

In derselben Sitzung vom 4. Juni kamen diejenigen Paragraphen des
Reichsbeamtengesetzes, welche, wie seiner Zeit hier erwähnt, einer Commission
zur Vorberathung überwiesen worden, zur zweiten Lesung. Nachdem der
Reichstag in einem vorhergehenden Paragraphen auf Antrag des Reichstagö-
Abgeordneten von Bernuth die Verantwortlichkeit der Unterbeamten in Be¬
ziehung auf die Gesetzmäßigkeit der von ihnen ausgeführten Aufträge ihrer
Oberen festgestellt, hat das ganze Gesetz nur noch geringe Aussichten. Es
müßte sich denn der Reichstag bei der dritten Lesung dazu verstehen, durch
einen deutlichen Zusatz jener Bestimmung den zweifellosen Sinn zu geben, daß
für den Unterbeamten jeder Auftrag gesetzmäßig ist, den der Vorgesetzte inner¬
halb seiner formellen Competenz ertheilt. Am 4. Juni handelte es sich haupt¬
sächlich um die Frage, ob Reichsbeamte ein Nebenamt mit fortlaufendem Ge¬
halt bekleiden und ein Gewerbe betreiben dürfen. Die Regierungsvorlage
hatte die Uebernahme solcher Thätigkeiten für die Reichsbeamten an die
Genehmigung der obersten Reichsbehörde geknüpft, und die Commission hatte
sich dieselbe Bestimmung angeeignet mit der Einschränkung, daß Wahlconsuln
und zur Disposition gestellte Beamte ausgenommen sein sollten. Es lagen
Abänderungsanträge vor, welche den Eintritt der Reichsbeamten in die Vor¬
stände der Erwerbsgesellschaften theils unbedingt, theils im Falle einer Re¬
muneration verbieten, theils diesen Eintritt als Ausnahme unter Genehmigung
der obersten Reichsbehörde zulassen wollten. Der Reichstag entschied sich da¬
für, die Annahme der fraglichen Stellungen unbedingt zu verbieten, sobald sie
mittelbar oder unmittelbar mit Remuneration verknüpft sind. Die übrigen
Paragraphen des Gesetzes, welche in derselben Sitzung erledigt wurden, be¬
ziehen sich auf die technische Regelung des Disciplinarverfcchrens.

Am S. Juni stand das Gesetz über den Reichsrechnungshof zur dritten
Lesung. Bei Beginn der Berathung bezeichnete Präsident Delbrück die bei
der zweiten Lesung gefaßten Reichstagsbeschlüsse, auf deren Unannehmbarkeit der
Bundesrath beharrt. Der Bundesrath macht das Zugeständniß. den Reichs¬
rechnungshof gänzlich von der preußischen Oberrechnungskammer loszulösen,
um der Rechnungsbehörde des Reiches demnach ihren eigenen Präsidenten zu
geben. Ebenso fügt sich der Bundesrath den Reichstagsbeschlufsen in einigen
untergeordneteren Punkten. Die als unannehmbar festgehaltenen Reichstags¬
beschlüsse sind, übereinstimmend mit unserer an dieser Stelle geäußerten Vor¬
aussicht, die folgenden vier: 1) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß
die Instruktion für die preußische Oberrechnungskammer vom 18. December


Grenzboten II. 1872. 60

Süddeutschland gewählten Reichstagsmitglieder bei den Abstimmungen über
solche Gegenstände, welche den süddeutschen Staaten nicht mit dem Reiche ge¬
meinschaftlich sind.

In derselben Sitzung vom 4. Juni kamen diejenigen Paragraphen des
Reichsbeamtengesetzes, welche, wie seiner Zeit hier erwähnt, einer Commission
zur Vorberathung überwiesen worden, zur zweiten Lesung. Nachdem der
Reichstag in einem vorhergehenden Paragraphen auf Antrag des Reichstagö-
Abgeordneten von Bernuth die Verantwortlichkeit der Unterbeamten in Be¬
ziehung auf die Gesetzmäßigkeit der von ihnen ausgeführten Aufträge ihrer
Oberen festgestellt, hat das ganze Gesetz nur noch geringe Aussichten. Es
müßte sich denn der Reichstag bei der dritten Lesung dazu verstehen, durch
einen deutlichen Zusatz jener Bestimmung den zweifellosen Sinn zu geben, daß
für den Unterbeamten jeder Auftrag gesetzmäßig ist, den der Vorgesetzte inner¬
halb seiner formellen Competenz ertheilt. Am 4. Juni handelte es sich haupt¬
sächlich um die Frage, ob Reichsbeamte ein Nebenamt mit fortlaufendem Ge¬
halt bekleiden und ein Gewerbe betreiben dürfen. Die Regierungsvorlage
hatte die Uebernahme solcher Thätigkeiten für die Reichsbeamten an die
Genehmigung der obersten Reichsbehörde geknüpft, und die Commission hatte
sich dieselbe Bestimmung angeeignet mit der Einschränkung, daß Wahlconsuln
und zur Disposition gestellte Beamte ausgenommen sein sollten. Es lagen
Abänderungsanträge vor, welche den Eintritt der Reichsbeamten in die Vor¬
stände der Erwerbsgesellschaften theils unbedingt, theils im Falle einer Re¬
muneration verbieten, theils diesen Eintritt als Ausnahme unter Genehmigung
der obersten Reichsbehörde zulassen wollten. Der Reichstag entschied sich da¬
für, die Annahme der fraglichen Stellungen unbedingt zu verbieten, sobald sie
mittelbar oder unmittelbar mit Remuneration verknüpft sind. Die übrigen
Paragraphen des Gesetzes, welche in derselben Sitzung erledigt wurden, be¬
ziehen sich auf die technische Regelung des Disciplinarverfcchrens.

Am S. Juni stand das Gesetz über den Reichsrechnungshof zur dritten
Lesung. Bei Beginn der Berathung bezeichnete Präsident Delbrück die bei
der zweiten Lesung gefaßten Reichstagsbeschlüsse, auf deren Unannehmbarkeit der
Bundesrath beharrt. Der Bundesrath macht das Zugeständniß. den Reichs¬
rechnungshof gänzlich von der preußischen Oberrechnungskammer loszulösen,
um der Rechnungsbehörde des Reiches demnach ihren eigenen Präsidenten zu
geben. Ebenso fügt sich der Bundesrath den Reichstagsbeschlufsen in einigen
untergeordneteren Punkten. Die als unannehmbar festgehaltenen Reichstags¬
beschlüsse sind, übereinstimmend mit unserer an dieser Stelle geäußerten Vor¬
aussicht, die folgenden vier: 1) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß
die Instruktion für die preußische Oberrechnungskammer vom 18. December


Grenzboten II. 1872. 60
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[0469] Süddeutschland gewählten Reichstagsmitglieder bei den Abstimmungen über solche Gegenstände, welche den süddeutschen Staaten nicht mit dem Reiche ge¬ meinschaftlich sind. In derselben Sitzung vom 4. Juni kamen diejenigen Paragraphen des Reichsbeamtengesetzes, welche, wie seiner Zeit hier erwähnt, einer Commission zur Vorberathung überwiesen worden, zur zweiten Lesung. Nachdem der Reichstag in einem vorhergehenden Paragraphen auf Antrag des Reichstagö- Abgeordneten von Bernuth die Verantwortlichkeit der Unterbeamten in Be¬ ziehung auf die Gesetzmäßigkeit der von ihnen ausgeführten Aufträge ihrer Oberen festgestellt, hat das ganze Gesetz nur noch geringe Aussichten. Es müßte sich denn der Reichstag bei der dritten Lesung dazu verstehen, durch einen deutlichen Zusatz jener Bestimmung den zweifellosen Sinn zu geben, daß für den Unterbeamten jeder Auftrag gesetzmäßig ist, den der Vorgesetzte inner¬ halb seiner formellen Competenz ertheilt. Am 4. Juni handelte es sich haupt¬ sächlich um die Frage, ob Reichsbeamte ein Nebenamt mit fortlaufendem Ge¬ halt bekleiden und ein Gewerbe betreiben dürfen. Die Regierungsvorlage hatte die Uebernahme solcher Thätigkeiten für die Reichsbeamten an die Genehmigung der obersten Reichsbehörde geknüpft, und die Commission hatte sich dieselbe Bestimmung angeeignet mit der Einschränkung, daß Wahlconsuln und zur Disposition gestellte Beamte ausgenommen sein sollten. Es lagen Abänderungsanträge vor, welche den Eintritt der Reichsbeamten in die Vor¬ stände der Erwerbsgesellschaften theils unbedingt, theils im Falle einer Re¬ muneration verbieten, theils diesen Eintritt als Ausnahme unter Genehmigung der obersten Reichsbehörde zulassen wollten. Der Reichstag entschied sich da¬ für, die Annahme der fraglichen Stellungen unbedingt zu verbieten, sobald sie mittelbar oder unmittelbar mit Remuneration verknüpft sind. Die übrigen Paragraphen des Gesetzes, welche in derselben Sitzung erledigt wurden, be¬ ziehen sich auf die technische Regelung des Disciplinarverfcchrens. Am S. Juni stand das Gesetz über den Reichsrechnungshof zur dritten Lesung. Bei Beginn der Berathung bezeichnete Präsident Delbrück die bei der zweiten Lesung gefaßten Reichstagsbeschlüsse, auf deren Unannehmbarkeit der Bundesrath beharrt. Der Bundesrath macht das Zugeständniß. den Reichs¬ rechnungshof gänzlich von der preußischen Oberrechnungskammer loszulösen, um der Rechnungsbehörde des Reiches demnach ihren eigenen Präsidenten zu geben. Ebenso fügt sich der Bundesrath den Reichstagsbeschlufsen in einigen untergeordneteren Punkten. Die als unannehmbar festgehaltenen Reichstags¬ beschlüsse sind, übereinstimmend mit unserer an dieser Stelle geäußerten Vor¬ aussicht, die folgenden vier: 1) Der Bundesrath kann nicht zustimmen, daß die Instruktion für die preußische Oberrechnungskammer vom 18. December Grenzboten II. 1872. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/469>, abgerufen am 22.12.2024.