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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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tat Straßburg am 1. Mai d. I. aufs Neue erwiesen hat. -- So entschädigte
das Geschick Weber für den Schmerz, mit seiner Cantate zurückgewiesen zu
werden, durch ein Werk, dem die Unsterblichkeit gesichert ist.

Der 4. Januar 1819 brachte dagegen die Vollendung einer kleineren
Messe, Ur. II. in (Z-, zur Feier der goldenen Hochzeit des Königspaares
am 17. d. Mes. -- Doch kaum hatte Weber im März die Composition des
"Freischütz" wieder zur Hand genommen, als ihn schon der 21. d. Mes. auf
ein ernstes Krankenlager warf, von dem er sich erst Ende April wieder erhob;
und wie ein Schlag fast nie allein kommt: zur selben Zeit starb ihm ein
Kind, und sein edler Gönner und Chef, Graf Vitzthum, nahm seine Entlassung.
Das waren traurige Ereignisse. So zog denn der sich nur sehr langsam er¬
holende Meister Anfangs Mai wieder nach seinem lieben Hosterwitz. Erst im
Juni aber konnte er sich dort nach und nach mit leichteren Arbeiten be¬
schäftigen, wie Clavier - Auszügen von Abu Hassan, Jubel-Cantate, Jubel-
Ouvertüre und Anderem. Der Schluß jenes Monats brachte endlich wieder
das erste neue Werk, das brillante aur-Iionäo (op. 62), dem nun im
Juli und August bei erfrischtem Kräften eine Reihe der bedeutendsten seiner
Pianoforte-Compositionen folgten, wie: die epochemachende "Aufforderung
zum Tanze," das große Trio mit Flöte und Cello (op, 63), die glanzvolle
L aur-?olaeea (op. 72) die Nummern 2, 3, 6, 7 u. 8 der schon genannten
"Iluit Metzs ^ 4 inuus," die Sätze I u. II der großen L moll-Sonate
(op. 70) und eine Anzahl von Liedern, unter denen das unvergleichliche "Das
Mädchen an das erste Schneeglöckchen" (Ur. 3 in op. 71.) -- Am 7.
September beendigte Weber den Sommeraufenthalt in Hosterwitz, der so viel
edelster Früchte gereift hatte, und kehrte, wie es schien, neu gekräftigt nach
Dresden zurück. In diese Tage fiel zugleich die für ihn wichtige Nachricht
von Seiten des Grafen Brühl, daß dieser die Aufführung des "Freischütz"
für Berlin erwünscht, und so griff denn der Meister auf's Neue zu dem lang
verlassenen Werke. Am 23. Oetober begann er sogar dessen Instrumentirung
und hatte es zum Schlüsse des Jahres im Ganzen so bedeutend gefördert,
daß zu seiner Vollendung wenig mehr als der dritte Act und die Ouvertüre
fehlten.

Die Arbeit am "Freischütz" wurde freilich Anfangs des Jahres 1820
bis tief in den Februar hinein durch allerlei ungünstige Umstände, selbst durch
erneutes Kränkeln Weber's wiederum zurückgedrängt; dazu kamen noch die
Besuche von Mozart's Sohn und Hummel, um in Dresden zu concertiren,
ja, am 14. März gelangte das Schauspiel "Preciosa" in seine Hände, zu
welchem die Musik für Berlin zu schreiben er dem Grafen Brühl zugesagt,
und sogar die Composition einer neuen komischen Oper "Die drei Pinto's"


tat Straßburg am 1. Mai d. I. aufs Neue erwiesen hat. — So entschädigte
das Geschick Weber für den Schmerz, mit seiner Cantate zurückgewiesen zu
werden, durch ein Werk, dem die Unsterblichkeit gesichert ist.

Der 4. Januar 1819 brachte dagegen die Vollendung einer kleineren
Messe, Ur. II. in (Z-, zur Feier der goldenen Hochzeit des Königspaares
am 17. d. Mes. — Doch kaum hatte Weber im März die Composition des
„Freischütz" wieder zur Hand genommen, als ihn schon der 21. d. Mes. auf
ein ernstes Krankenlager warf, von dem er sich erst Ende April wieder erhob;
und wie ein Schlag fast nie allein kommt: zur selben Zeit starb ihm ein
Kind, und sein edler Gönner und Chef, Graf Vitzthum, nahm seine Entlassung.
Das waren traurige Ereignisse. So zog denn der sich nur sehr langsam er¬
holende Meister Anfangs Mai wieder nach seinem lieben Hosterwitz. Erst im
Juni aber konnte er sich dort nach und nach mit leichteren Arbeiten be¬
schäftigen, wie Clavier - Auszügen von Abu Hassan, Jubel-Cantate, Jubel-
Ouvertüre und Anderem. Der Schluß jenes Monats brachte endlich wieder
das erste neue Werk, das brillante aur-Iionäo (op. 62), dem nun im
Juli und August bei erfrischtem Kräften eine Reihe der bedeutendsten seiner
Pianoforte-Compositionen folgten, wie: die epochemachende „Aufforderung
zum Tanze," das große Trio mit Flöte und Cello (op, 63), die glanzvolle
L aur-?olaeea (op. 72) die Nummern 2, 3, 6, 7 u. 8 der schon genannten
„Iluit Metzs ^ 4 inuus," die Sätze I u. II der großen L moll-Sonate
(op. 70) und eine Anzahl von Liedern, unter denen das unvergleichliche „Das
Mädchen an das erste Schneeglöckchen" (Ur. 3 in op. 71.) — Am 7.
September beendigte Weber den Sommeraufenthalt in Hosterwitz, der so viel
edelster Früchte gereift hatte, und kehrte, wie es schien, neu gekräftigt nach
Dresden zurück. In diese Tage fiel zugleich die für ihn wichtige Nachricht
von Seiten des Grafen Brühl, daß dieser die Aufführung des „Freischütz"
für Berlin erwünscht, und so griff denn der Meister auf's Neue zu dem lang
verlassenen Werke. Am 23. Oetober begann er sogar dessen Instrumentirung
und hatte es zum Schlüsse des Jahres im Ganzen so bedeutend gefördert,
daß zu seiner Vollendung wenig mehr als der dritte Act und die Ouvertüre
fehlten.

Die Arbeit am „Freischütz" wurde freilich Anfangs des Jahres 1820
bis tief in den Februar hinein durch allerlei ungünstige Umstände, selbst durch
erneutes Kränkeln Weber's wiederum zurückgedrängt; dazu kamen noch die
Besuche von Mozart's Sohn und Hummel, um in Dresden zu concertiren,
ja, am 14. März gelangte das Schauspiel „Preciosa" in seine Hände, zu
welchem die Musik für Berlin zu schreiben er dem Grafen Brühl zugesagt,
und sogar die Composition einer neuen komischen Oper „Die drei Pinto's"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/451>, abgerufen am 03.07.2024.