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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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mildern. Auch in der Gesellschaft erschienen die Gatten als ein Paar, dessen
edle, heitre und anmuthige Persönlichkeiten, wie seine beiderseitigen künst¬
lerischen Leistungen, es zu den hervorragendsten Erscheinungen stempelten, so
daß es überall fesselte und in seltner Weise geliebt und geschätzt wurde.

Während des Jahres 1818 ruhte, mit Ausnahme einiger Tage im April,
das Schaffen am "Freischütz" gänzlich. Anfangs desselben schrieb Weber seine
ebenso kunstreiche wie prachtvolle große Messe Ur. I in Ls; dann folgten
den Verlegern zu liefernde Lieder-Compositionen zu den op. 84, 64 und 71.
-- Vom Juni bis September bewohnten Weber und seine Gattin ein ein¬
faches, ganz schmuckloses, aber sehr schön auf der Klein-Hosterwitzer
Berglehne in der Nähe des Lustschlosses Pillnitz gelegenes Winzerhäuschen,
das "Felsner'sche," *) Es wurde die Geburtsstätte einer beträchtlichen Anzahl
trefflicher Werke, darunter mehrere, hervorgerufen durch die aus den 20. Sep¬
tember fallende Feier des 60jährigen Regierungs-Antritts des Königs: die
große Jubel-Cartelle (op. 38), die Jubel-Ouvertüre (ox. 59), die Musik
zum Schauspiel "Lieb' um Liebe", die kleinere Cantate "Natur und Liebe"
("p. 61) zum Namenstage des Königs; ferner die große Arie zu Cherubim's
"Lodoiska" für Mad. Milder in Berlin (op. 66), die Musik zu Ed. Gehe's
"Heinrich IV." und Grillparzer's Sappho", wie die Nummern 1, 4 und 5
der reichen "Huld Viöees ä. 4 ins.ins" für Pianoforte (op. 60). -- Die
vorgenannte "Jubel-Ouvertüre" war zu jener Regierungs-Jubel-Feier ur¬
sprünglich nicht beabsichtigt. Der Intendant des Hoftheaters hatte, ohne
directen Auftrag dazu empfangen zu haben, Weber zur Composition einer
großen Jubel-Cantate veranlaßt, welche zwar sofort nach den eigentlichen
Jubeltagen in der Neustädter Kirche zu Dresden mit glänzendem Erfolge auf¬
geführt, jedoch, kurz vor der officiellen musikalischen Feier im großen Opern¬
hause, vom Könige abgelehnt wurde, da sie nicht von demselben direct ange¬
ordnet und durch ihren lebhaft huldigenden Text dem bescheidenen Sinne des
Monarchen nicht genehm war. Das von Weber zu leitende feierliche Hof-
Concert wies jedoch in der ihm vorgeschriebenen Anordnung ein so inhalts¬
loses, geradezu kümmerliches Programm auf (3 italienische Opern- und 2 in¬
strumentale Concert-Nummern), daß Weber beschloß, noch eine eigentliche
Jubel-Fest-Ouvertüre zu schreiben, deren Aufführung schließlich ebenfalls nur
mit Schwierigkeiten durchgesetzt wurde, obwohl sie als das einzige dem
Feste würdige Kunstwerk erscheinen mußte. -- So entstand diese Jubel-
Ouvertüre, die für alle Zeit und für jede bedeutsamere Feier des deutschen
Volkes der unübertroffene, feurig-erhabene Ausdruck patriotischer Empfindungen
geworden ist, wie dies die jüngste Aufführung bei Einweihung der Universi-



') Jetzt mit einer vergoldeten Erz-Tafel und in seinen Räumen mit Bildniß und Auto¬
graphen Weber's und einem Album geschmückt,

mildern. Auch in der Gesellschaft erschienen die Gatten als ein Paar, dessen
edle, heitre und anmuthige Persönlichkeiten, wie seine beiderseitigen künst¬
lerischen Leistungen, es zu den hervorragendsten Erscheinungen stempelten, so
daß es überall fesselte und in seltner Weise geliebt und geschätzt wurde.

Während des Jahres 1818 ruhte, mit Ausnahme einiger Tage im April,
das Schaffen am „Freischütz" gänzlich. Anfangs desselben schrieb Weber seine
ebenso kunstreiche wie prachtvolle große Messe Ur. I in Ls; dann folgten
den Verlegern zu liefernde Lieder-Compositionen zu den op. 84, 64 und 71.
— Vom Juni bis September bewohnten Weber und seine Gattin ein ein¬
faches, ganz schmuckloses, aber sehr schön auf der Klein-Hosterwitzer
Berglehne in der Nähe des Lustschlosses Pillnitz gelegenes Winzerhäuschen,
das „Felsner'sche," *) Es wurde die Geburtsstätte einer beträchtlichen Anzahl
trefflicher Werke, darunter mehrere, hervorgerufen durch die aus den 20. Sep¬
tember fallende Feier des 60jährigen Regierungs-Antritts des Königs: die
große Jubel-Cartelle (op. 38), die Jubel-Ouvertüre (ox. 59), die Musik
zum Schauspiel „Lieb' um Liebe", die kleinere Cantate „Natur und Liebe"
(«p. 61) zum Namenstage des Königs; ferner die große Arie zu Cherubim's
„Lodoiska" für Mad. Milder in Berlin (op. 66), die Musik zu Ed. Gehe's
„Heinrich IV." und Grillparzer's Sappho", wie die Nummern 1, 4 und 5
der reichen „Huld Viöees ä. 4 ins.ins" für Pianoforte (op. 60). — Die
vorgenannte „Jubel-Ouvertüre" war zu jener Regierungs-Jubel-Feier ur¬
sprünglich nicht beabsichtigt. Der Intendant des Hoftheaters hatte, ohne
directen Auftrag dazu empfangen zu haben, Weber zur Composition einer
großen Jubel-Cantate veranlaßt, welche zwar sofort nach den eigentlichen
Jubeltagen in der Neustädter Kirche zu Dresden mit glänzendem Erfolge auf¬
geführt, jedoch, kurz vor der officiellen musikalischen Feier im großen Opern¬
hause, vom Könige abgelehnt wurde, da sie nicht von demselben direct ange¬
ordnet und durch ihren lebhaft huldigenden Text dem bescheidenen Sinne des
Monarchen nicht genehm war. Das von Weber zu leitende feierliche Hof-
Concert wies jedoch in der ihm vorgeschriebenen Anordnung ein so inhalts¬
loses, geradezu kümmerliches Programm auf (3 italienische Opern- und 2 in¬
strumentale Concert-Nummern), daß Weber beschloß, noch eine eigentliche
Jubel-Fest-Ouvertüre zu schreiben, deren Aufführung schließlich ebenfalls nur
mit Schwierigkeiten durchgesetzt wurde, obwohl sie als das einzige dem
Feste würdige Kunstwerk erscheinen mußte. — So entstand diese Jubel-
Ouvertüre, die für alle Zeit und für jede bedeutsamere Feier des deutschen
Volkes der unübertroffene, feurig-erhabene Ausdruck patriotischer Empfindungen
geworden ist, wie dies die jüngste Aufführung bei Einweihung der Universi-



') Jetzt mit einer vergoldeten Erz-Tafel und in seinen Räumen mit Bildniß und Auto¬
graphen Weber's und einem Album geschmückt,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/450>, abgerufen am 22.07.2024.