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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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wurde mit dem Dichter derselben, dem damaligen Hof-Theater-Secretär
Winkler (pssuä. The od. Hell) verabredet; der März fand Weber aber
auf's neue der Arbeit am "Freischütz" hingegeben. Mitte April bezog er ein
stilles Landhaus in "Kösel's Garten" in Antonstadt-Dresden in der Nähe
des sogenannten "Linke'schen Bades" und in diesem Landhause, (das jetzt ab¬
gebrochen ist, eben so wie das Ceccarelli'sche im ehemaligen italienischen Dörf¬
chen zu Dresden, worin der "Freischütz" begonnen wurde) -- hier war es,
wo Weber am 13. Mai das Werk vollendete, das ihm unsterblichen
Ruhm zu bereiten bestimmt war. Wie eigenthümlich und sympathisch spricht
uns nach Abschluß der bewunderungswürdigen Schöpfung dieser Oper der
naive Ausruf an, den am darauffolgenden Tage der sonst rastlos und leider
übermäßig Arbeitsame in seinem Tagebuche thut, wo es heißt: "14. Mai.
Sonntag -- gefaullenzt!" -- Aber nicht volle vierzehn Tage waren
verflossen, da saß der Meister bereits über einem neuen Gebilde, das, ähnlich
wie der Freischütz, später zum Lieblinge seines Volkes werden sollte: es war
die seelenvolle, frische, farbenglühende Musik zu Preciosa, die am 25. Mai
begonnen und, so äußerlich umfangreich die Arbeit war, doch schon am 15.
Juli vollendet wurde, obgleich nebenher, sogar schon zwei Tage nach dem
Beginn der Preciosa, auch die neue Oper "Die drei Pinto's" ernstlich in
Angriff genommen worden war. Weber kehrte zwar zu diesem letzteren Werke,
besonders im Laufe des Jahres 1821 wiederholt zurück, ja noch 1824, wie
sein Tagebuch am 20. September mit dem einzigen Worte "Gepinto't"
meldet -- dennoch gelangte es später nicht zur Vollendung. Die skizzirten
Fragmente dieser "Pinto'S" lassen deutlich erkennen, daß hier eine ebenso
reizende, wie geniale Schöpfung auf dem Felde der komischen Oper leider un¬
vollendet geblieben ist. -- Da unterdeß der Freischütz zu der im neuen Schau¬
spielhause zu Berlin zuerst zu gebenden Oper bestimmt worden war, die Er¬
öffnung desselben aber bis zum Mai 1821 verschoben wurde, so benutzte Weber
den ihm 1820 zustehenden Urlaub zu einer größeren Kunstreise zwischen dem
25. Juli und 3. November d. I., auf welcher er in Halle, Quedlinburg,
Göttingen, in der Stadt und am Hofe zu Oldenburg, in Bremen,
Eutin, Ploen, in Frederiksborg am königlich dänischen Hofe, in
Kopenhagen, Lübeck, Hamburg, BraunschweiZ vierzehn Concerte
gab, die ihm reichlich Ehre und äußeren Gewinn brachten. Auch waren es
vielfache persönliche Beziehungen, die ihn dabei freudig erregen mußten, wie
z. B. die höchst gütige und ehrenvolle Aufnahme seitens des dänischen Königs¬
paares. Auf dieser Reise war es auch, wo er zweimal seine wunderbare
Ouvertüre zum "Freischütz" mit enthusiastischem Beifall öffentlich auf¬
führte, zum ersten Mal überhaupt am 8. Oetober zu Kopenhagen, zum
zweiten Male am 31. zu Braunschweig; zum dritten und letzten Male, vor


wurde mit dem Dichter derselben, dem damaligen Hof-Theater-Secretär
Winkler (pssuä. The od. Hell) verabredet; der März fand Weber aber
auf's neue der Arbeit am „Freischütz" hingegeben. Mitte April bezog er ein
stilles Landhaus in „Kösel's Garten" in Antonstadt-Dresden in der Nähe
des sogenannten „Linke'schen Bades" und in diesem Landhause, (das jetzt ab¬
gebrochen ist, eben so wie das Ceccarelli'sche im ehemaligen italienischen Dörf¬
chen zu Dresden, worin der „Freischütz" begonnen wurde) — hier war es,
wo Weber am 13. Mai das Werk vollendete, das ihm unsterblichen
Ruhm zu bereiten bestimmt war. Wie eigenthümlich und sympathisch spricht
uns nach Abschluß der bewunderungswürdigen Schöpfung dieser Oper der
naive Ausruf an, den am darauffolgenden Tage der sonst rastlos und leider
übermäßig Arbeitsame in seinem Tagebuche thut, wo es heißt: „14. Mai.
Sonntag — gefaullenzt!" — Aber nicht volle vierzehn Tage waren
verflossen, da saß der Meister bereits über einem neuen Gebilde, das, ähnlich
wie der Freischütz, später zum Lieblinge seines Volkes werden sollte: es war
die seelenvolle, frische, farbenglühende Musik zu Preciosa, die am 25. Mai
begonnen und, so äußerlich umfangreich die Arbeit war, doch schon am 15.
Juli vollendet wurde, obgleich nebenher, sogar schon zwei Tage nach dem
Beginn der Preciosa, auch die neue Oper „Die drei Pinto's" ernstlich in
Angriff genommen worden war. Weber kehrte zwar zu diesem letzteren Werke,
besonders im Laufe des Jahres 1821 wiederholt zurück, ja noch 1824, wie
sein Tagebuch am 20. September mit dem einzigen Worte „Gepinto't"
meldet — dennoch gelangte es später nicht zur Vollendung. Die skizzirten
Fragmente dieser „Pinto'S" lassen deutlich erkennen, daß hier eine ebenso
reizende, wie geniale Schöpfung auf dem Felde der komischen Oper leider un¬
vollendet geblieben ist. — Da unterdeß der Freischütz zu der im neuen Schau¬
spielhause zu Berlin zuerst zu gebenden Oper bestimmt worden war, die Er¬
öffnung desselben aber bis zum Mai 1821 verschoben wurde, so benutzte Weber
den ihm 1820 zustehenden Urlaub zu einer größeren Kunstreise zwischen dem
25. Juli und 3. November d. I., auf welcher er in Halle, Quedlinburg,
Göttingen, in der Stadt und am Hofe zu Oldenburg, in Bremen,
Eutin, Ploen, in Frederiksborg am königlich dänischen Hofe, in
Kopenhagen, Lübeck, Hamburg, BraunschweiZ vierzehn Concerte
gab, die ihm reichlich Ehre und äußeren Gewinn brachten. Auch waren es
vielfache persönliche Beziehungen, die ihn dabei freudig erregen mußten, wie
z. B. die höchst gütige und ehrenvolle Aufnahme seitens des dänischen Königs¬
paares. Auf dieser Reise war es auch, wo er zweimal seine wunderbare
Ouvertüre zum „Freischütz" mit enthusiastischem Beifall öffentlich auf¬
führte, zum ersten Mal überhaupt am 8. Oetober zu Kopenhagen, zum
zweiten Male am 31. zu Braunschweig; zum dritten und letzten Male, vor


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[0452] wurde mit dem Dichter derselben, dem damaligen Hof-Theater-Secretär Winkler (pssuä. The od. Hell) verabredet; der März fand Weber aber auf's neue der Arbeit am „Freischütz" hingegeben. Mitte April bezog er ein stilles Landhaus in „Kösel's Garten" in Antonstadt-Dresden in der Nähe des sogenannten „Linke'schen Bades" und in diesem Landhause, (das jetzt ab¬ gebrochen ist, eben so wie das Ceccarelli'sche im ehemaligen italienischen Dörf¬ chen zu Dresden, worin der „Freischütz" begonnen wurde) — hier war es, wo Weber am 13. Mai das Werk vollendete, das ihm unsterblichen Ruhm zu bereiten bestimmt war. Wie eigenthümlich und sympathisch spricht uns nach Abschluß der bewunderungswürdigen Schöpfung dieser Oper der naive Ausruf an, den am darauffolgenden Tage der sonst rastlos und leider übermäßig Arbeitsame in seinem Tagebuche thut, wo es heißt: „14. Mai. Sonntag — gefaullenzt!" — Aber nicht volle vierzehn Tage waren verflossen, da saß der Meister bereits über einem neuen Gebilde, das, ähnlich wie der Freischütz, später zum Lieblinge seines Volkes werden sollte: es war die seelenvolle, frische, farbenglühende Musik zu Preciosa, die am 25. Mai begonnen und, so äußerlich umfangreich die Arbeit war, doch schon am 15. Juli vollendet wurde, obgleich nebenher, sogar schon zwei Tage nach dem Beginn der Preciosa, auch die neue Oper „Die drei Pinto's" ernstlich in Angriff genommen worden war. Weber kehrte zwar zu diesem letzteren Werke, besonders im Laufe des Jahres 1821 wiederholt zurück, ja noch 1824, wie sein Tagebuch am 20. September mit dem einzigen Worte „Gepinto't" meldet — dennoch gelangte es später nicht zur Vollendung. Die skizzirten Fragmente dieser „Pinto'S" lassen deutlich erkennen, daß hier eine ebenso reizende, wie geniale Schöpfung auf dem Felde der komischen Oper leider un¬ vollendet geblieben ist. — Da unterdeß der Freischütz zu der im neuen Schau¬ spielhause zu Berlin zuerst zu gebenden Oper bestimmt worden war, die Er¬ öffnung desselben aber bis zum Mai 1821 verschoben wurde, so benutzte Weber den ihm 1820 zustehenden Urlaub zu einer größeren Kunstreise zwischen dem 25. Juli und 3. November d. I., auf welcher er in Halle, Quedlinburg, Göttingen, in der Stadt und am Hofe zu Oldenburg, in Bremen, Eutin, Ploen, in Frederiksborg am königlich dänischen Hofe, in Kopenhagen, Lübeck, Hamburg, BraunschweiZ vierzehn Concerte gab, die ihm reichlich Ehre und äußeren Gewinn brachten. Auch waren es vielfache persönliche Beziehungen, die ihn dabei freudig erregen mußten, wie z. B. die höchst gütige und ehrenvolle Aufnahme seitens des dänischen Königs¬ paares. Auf dieser Reise war es auch, wo er zweimal seine wunderbare Ouvertüre zum „Freischütz" mit enthusiastischem Beifall öffentlich auf¬ führte, zum ersten Mal überhaupt am 8. Oetober zu Kopenhagen, zum zweiten Male am 31. zu Braunschweig; zum dritten und letzten Male, vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/452>, abgerufen am 03.07.2024.