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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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ist hier der Zoologe Professor Hinrich Lichten se ein zuerst zu nennen. An
diesen schlossen sich Meyerbeer's Eltern, die Familien der beiden Jordan, Gabcun,
Sebald, Türk, Koch, die Freunde Wollank, Rungenhagen, Flemming, Gubitz,
v. Drieberg, wie endlich Fürst Anton Radziwill, der Componist des "Faust."
Das wichtigste Ereigniß dieses Berliner Aufenthaltes für Weber war aber
die Aufführung seiner "Silvana" am 10. Juli auf dem Königl. Hoftheater
und zwar unter seiner eignen Direction und mit vorzüglichem Beifalle. -- Am
3l. Aug. verließ er Berlin, um vom 6. Sept. bis zum 20. Dec. bei seinem
Gönner, dem Herzoge Emil Leopold August von Gotha in unausgesetzter
musikalischer Thätigkeit zu verweilen, die ihn auch auf kürzere Zeit nach Weimar
an den Hof der Großfürstin Maria Paulowna, einer ausgezeichneten Piano-
forte-Virtuosin, zog, woran sich die persönliche Bekanntschaft mit Goethe und
Wieland knüpfte. Am 26. December ging Weber nach Leipzig. -- Das
Jahr 1812 hatte unter vielen anderen Kompositionen die Bollendung des
großartigen aur Pfte.-Concerts gebracht, ferner die herrlichen Pfte.-Vari-
ationen über "Joseph," die Hymne "In seiner Ordnung schafft der Herr"
für Soli, Chor und Orchester und die erste seiner nach Form und Inhalt
gleich großen vier Pfte.-Sonaten, die in v, opus 24. -- Hiemit schließt
das dritte "Reisejahr" Weber's; doch ist als eine noch zu ihm zählende letzte
künstlerische That das sogenannte große Neujahrs - Concert zu Leipzig am
1. Januar 1813 anzusehen, in welchem er seine Hymne und sein schönes
reiches clur Pfte.-Concert zum erstenmal öffentlich ausführte, letzteres zum
erstenmale ganz vollständig, unter enthusiastischem Beifalle.

Obwohl Weber, bei Beginn seines Tagebuchs von 1813, dieses Jahr mit
"Viertes Reisejahr" überschrieben hatte, so wurde es doch zu seinem eigent¬
lichen "Ersten Joch-Jahre," mit welcher Bezeichnung erst das Jahr 1814 im
Tagebuche von ihm freilich versehen ist. Denn am 12. Januar in Prag
angekommen, wurde er sehr bald vom Director des dortigen königl. böhmischen
landständischen Theaters, C. Liebich, bestimmt, die Stellung eines Capell-
meisters und Opern-Directors an demselben anzunehmen. Längst hatte jener
treffliche, in seinem Fache ausgezeichnete Mann die Nothwendigkeit einer gründ¬
lichen Umgestaltung dieses Kunstinstitutes eingesehn, und indem er Weber zu
diesem Zwecke zu fesseln wußte, erreichte er denselben auch auf das Vollkommenste.
Das dreijährige Schaffen unsres thatkräftigen Meisters gab der Prager Bühne
durchaus neue Impulse, wenn es ihm auch nicht gelang, das für höhere Kunst¬
interessen damals ziemlich laue große Publieum Prags nachhaltig zu erwärmen.
Die Aufgabe war überhaupt eine schwere, denn Weber fand die dortigen Opern¬
verhältnisse in einem so zurückgekommenen Zustande, daß seine Arbeit daran
einem gänzlich neuen Auferbauen fast gleichkam. -- Mit einer Dienstreise nach
Wien, vom 27. März bis 26. Mai, Behufs Ergänzung seines Sängerper-


ist hier der Zoologe Professor Hinrich Lichten se ein zuerst zu nennen. An
diesen schlossen sich Meyerbeer's Eltern, die Familien der beiden Jordan, Gabcun,
Sebald, Türk, Koch, die Freunde Wollank, Rungenhagen, Flemming, Gubitz,
v. Drieberg, wie endlich Fürst Anton Radziwill, der Componist des „Faust."
Das wichtigste Ereigniß dieses Berliner Aufenthaltes für Weber war aber
die Aufführung seiner „Silvana" am 10. Juli auf dem Königl. Hoftheater
und zwar unter seiner eignen Direction und mit vorzüglichem Beifalle. — Am
3l. Aug. verließ er Berlin, um vom 6. Sept. bis zum 20. Dec. bei seinem
Gönner, dem Herzoge Emil Leopold August von Gotha in unausgesetzter
musikalischer Thätigkeit zu verweilen, die ihn auch auf kürzere Zeit nach Weimar
an den Hof der Großfürstin Maria Paulowna, einer ausgezeichneten Piano-
forte-Virtuosin, zog, woran sich die persönliche Bekanntschaft mit Goethe und
Wieland knüpfte. Am 26. December ging Weber nach Leipzig. — Das
Jahr 1812 hatte unter vielen anderen Kompositionen die Bollendung des
großartigen aur Pfte.-Concerts gebracht, ferner die herrlichen Pfte.-Vari-
ationen über „Joseph," die Hymne „In seiner Ordnung schafft der Herr"
für Soli, Chor und Orchester und die erste seiner nach Form und Inhalt
gleich großen vier Pfte.-Sonaten, die in v, opus 24. — Hiemit schließt
das dritte „Reisejahr" Weber's; doch ist als eine noch zu ihm zählende letzte
künstlerische That das sogenannte große Neujahrs - Concert zu Leipzig am
1. Januar 1813 anzusehen, in welchem er seine Hymne und sein schönes
reiches clur Pfte.-Concert zum erstenmal öffentlich ausführte, letzteres zum
erstenmale ganz vollständig, unter enthusiastischem Beifalle.

Obwohl Weber, bei Beginn seines Tagebuchs von 1813, dieses Jahr mit
„Viertes Reisejahr" überschrieben hatte, so wurde es doch zu seinem eigent¬
lichen „Ersten Joch-Jahre," mit welcher Bezeichnung erst das Jahr 1814 im
Tagebuche von ihm freilich versehen ist. Denn am 12. Januar in Prag
angekommen, wurde er sehr bald vom Director des dortigen königl. böhmischen
landständischen Theaters, C. Liebich, bestimmt, die Stellung eines Capell-
meisters und Opern-Directors an demselben anzunehmen. Längst hatte jener
treffliche, in seinem Fache ausgezeichnete Mann die Nothwendigkeit einer gründ¬
lichen Umgestaltung dieses Kunstinstitutes eingesehn, und indem er Weber zu
diesem Zwecke zu fesseln wußte, erreichte er denselben auch auf das Vollkommenste.
Das dreijährige Schaffen unsres thatkräftigen Meisters gab der Prager Bühne
durchaus neue Impulse, wenn es ihm auch nicht gelang, das für höhere Kunst¬
interessen damals ziemlich laue große Publieum Prags nachhaltig zu erwärmen.
Die Aufgabe war überhaupt eine schwere, denn Weber fand die dortigen Opern¬
verhältnisse in einem so zurückgekommenen Zustande, daß seine Arbeit daran
einem gänzlich neuen Auferbauen fast gleichkam. — Mit einer Dienstreise nach
Wien, vom 27. März bis 26. Mai, Behufs Ergänzung seines Sängerper-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/443>, abgerufen am 23.07.2024.