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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Um die nämliche Zeit stand die Verwaltung der mährischen und ungari¬
schen Herrschaften des Königs der Belgier unter seiner Oberleitung.
Für die umfangreichen Besitzungen bei Großkanischa hatte er sich kein geringeres
Ziel gesteckt, als dieselben zu germanisiren, deutschen Verwaltungssinn, deutsche
Ehrlichkeit, deutsche Nechnungssorgfalt, deutsche Forst- und Landwirthschaft
dort einzubürgern. Nach und nach zog er aus Deutschland eine ganze Colo-
nie von Rentbeamter, Oekonomen, Förstern, Baumeistern und anderen Fach¬
männern an Ort und Stelle. Es wurden in Wald und Flur die fehlenden
Wege gebaut, Ziegeleien, Mahl- und Schneidemühlen angelegt, Dampf¬
maschinen zum Betriebe derselben aufgestellt, Einzelgüter gebildet und für
jedes derselben die erforderlichen Gutsgebäude aufgeführt. Unter Mühselig¬
keiten und Schwierigkeiten aller Art verfolgte der Vertrauensmann des könig¬
lichen Besitzers sein Ziel mit der ihm eigenen Rastlosigkeit und Zähigkeit, bis
ihn kurz vor des Königs Tod, in dem Augenblicke, da die Früchte seiner auf¬
opfernden Thätigkeit zu reifen begannen, eingetretene MißHelligkeiten zur
Niederlegung seiner dortigen Stellung veranlaßten.

Länger als ein Jahrzehnt Hat man Bnegleb wenig in seiner Vaterstadt
gesehen. Bald war er in England, bald in Belgien, bald in Oestreich. Auch
brachte er gern einige Sommerwochen mit der vortrefflichen Gattin, die sein
Wesen und Streben so ganz zu würdigen verstand, im Kreise der 4 Kinder
auf seinem unweit der Heimathstadt gelegenen Gute zu. Nach dem Tode
des Prinzen und des Königs fand er auch die Zeit, sich der Verwaltung des
eigenen Besitzthums mit Stätigkeit zu widmen, und sobald seines Bleibens
wieder mehr in der Heimath war, gehörte seine Theilnahme unaufgefordert
auch den städtischen Angelegenheiten wieder. Um dem Stadtregimente eine
außergewöhnliche Kraft zuzuführen, wählte man ihn im Jahre 1863 in das
Magistrats-Collegium. Für dieses Ehrenamt wußte er sich ebenfalls
seine Aufgabe hoch genug zu stellen. Das Erste, was er in die Hand nahm,
war die Reform des städtischen Abgabenwesens, und wenn auch die
von ihm vorgeschlagene Miethssteuer durch eine classificirte Einkommensteuer
ersetzt wurde, so gebührt seiner Energie immerhin das Verdienst, das Veraltete
niedergerissen und den Boden für ein zeitgemäßes Abgabensystem geebnet zu
haben. Es ist kein Zweig der Stadtverwaltung, in welchem er nicht mit
seinem klaren Urtheil, aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse und Er¬
fahrungen heraus anregend, verbessernd, selbstschaffend gewirkt hätte. Vor¬
zügliche Aufmerksamkeit widmete er dem Schulwesen, und seitdem er sogar
persönlich den Schulprüfungen beizuwohnen Pflegte, wußten die Lehrer, daß
ein scharfes Auge ihre Leistungen überwachte. Daß sich die durch Brieg-
leb's Tod im Magistrats-Collegium entstandene Lücke schwer wird ausfüllen


Grenzboten II. 1872. 52

Um die nämliche Zeit stand die Verwaltung der mährischen und ungari¬
schen Herrschaften des Königs der Belgier unter seiner Oberleitung.
Für die umfangreichen Besitzungen bei Großkanischa hatte er sich kein geringeres
Ziel gesteckt, als dieselben zu germanisiren, deutschen Verwaltungssinn, deutsche
Ehrlichkeit, deutsche Nechnungssorgfalt, deutsche Forst- und Landwirthschaft
dort einzubürgern. Nach und nach zog er aus Deutschland eine ganze Colo-
nie von Rentbeamter, Oekonomen, Förstern, Baumeistern und anderen Fach¬
männern an Ort und Stelle. Es wurden in Wald und Flur die fehlenden
Wege gebaut, Ziegeleien, Mahl- und Schneidemühlen angelegt, Dampf¬
maschinen zum Betriebe derselben aufgestellt, Einzelgüter gebildet und für
jedes derselben die erforderlichen Gutsgebäude aufgeführt. Unter Mühselig¬
keiten und Schwierigkeiten aller Art verfolgte der Vertrauensmann des könig¬
lichen Besitzers sein Ziel mit der ihm eigenen Rastlosigkeit und Zähigkeit, bis
ihn kurz vor des Königs Tod, in dem Augenblicke, da die Früchte seiner auf¬
opfernden Thätigkeit zu reifen begannen, eingetretene MißHelligkeiten zur
Niederlegung seiner dortigen Stellung veranlaßten.

Länger als ein Jahrzehnt Hat man Bnegleb wenig in seiner Vaterstadt
gesehen. Bald war er in England, bald in Belgien, bald in Oestreich. Auch
brachte er gern einige Sommerwochen mit der vortrefflichen Gattin, die sein
Wesen und Streben so ganz zu würdigen verstand, im Kreise der 4 Kinder
auf seinem unweit der Heimathstadt gelegenen Gute zu. Nach dem Tode
des Prinzen und des Königs fand er auch die Zeit, sich der Verwaltung des
eigenen Besitzthums mit Stätigkeit zu widmen, und sobald seines Bleibens
wieder mehr in der Heimath war, gehörte seine Theilnahme unaufgefordert
auch den städtischen Angelegenheiten wieder. Um dem Stadtregimente eine
außergewöhnliche Kraft zuzuführen, wählte man ihn im Jahre 1863 in das
Magistrats-Collegium. Für dieses Ehrenamt wußte er sich ebenfalls
seine Aufgabe hoch genug zu stellen. Das Erste, was er in die Hand nahm,
war die Reform des städtischen Abgabenwesens, und wenn auch die
von ihm vorgeschlagene Miethssteuer durch eine classificirte Einkommensteuer
ersetzt wurde, so gebührt seiner Energie immerhin das Verdienst, das Veraltete
niedergerissen und den Boden für ein zeitgemäßes Abgabensystem geebnet zu
haben. Es ist kein Zweig der Stadtverwaltung, in welchem er nicht mit
seinem klaren Urtheil, aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse und Er¬
fahrungen heraus anregend, verbessernd, selbstschaffend gewirkt hätte. Vor¬
zügliche Aufmerksamkeit widmete er dem Schulwesen, und seitdem er sogar
persönlich den Schulprüfungen beizuwohnen Pflegte, wußten die Lehrer, daß
ein scharfes Auge ihre Leistungen überwachte. Daß sich die durch Brieg-
leb's Tod im Magistrats-Collegium entstandene Lücke schwer wird ausfüllen


Grenzboten II. 1872. 52
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[0417] Um die nämliche Zeit stand die Verwaltung der mährischen und ungari¬ schen Herrschaften des Königs der Belgier unter seiner Oberleitung. Für die umfangreichen Besitzungen bei Großkanischa hatte er sich kein geringeres Ziel gesteckt, als dieselben zu germanisiren, deutschen Verwaltungssinn, deutsche Ehrlichkeit, deutsche Nechnungssorgfalt, deutsche Forst- und Landwirthschaft dort einzubürgern. Nach und nach zog er aus Deutschland eine ganze Colo- nie von Rentbeamter, Oekonomen, Förstern, Baumeistern und anderen Fach¬ männern an Ort und Stelle. Es wurden in Wald und Flur die fehlenden Wege gebaut, Ziegeleien, Mahl- und Schneidemühlen angelegt, Dampf¬ maschinen zum Betriebe derselben aufgestellt, Einzelgüter gebildet und für jedes derselben die erforderlichen Gutsgebäude aufgeführt. Unter Mühselig¬ keiten und Schwierigkeiten aller Art verfolgte der Vertrauensmann des könig¬ lichen Besitzers sein Ziel mit der ihm eigenen Rastlosigkeit und Zähigkeit, bis ihn kurz vor des Königs Tod, in dem Augenblicke, da die Früchte seiner auf¬ opfernden Thätigkeit zu reifen begannen, eingetretene MißHelligkeiten zur Niederlegung seiner dortigen Stellung veranlaßten. Länger als ein Jahrzehnt Hat man Bnegleb wenig in seiner Vaterstadt gesehen. Bald war er in England, bald in Belgien, bald in Oestreich. Auch brachte er gern einige Sommerwochen mit der vortrefflichen Gattin, die sein Wesen und Streben so ganz zu würdigen verstand, im Kreise der 4 Kinder auf seinem unweit der Heimathstadt gelegenen Gute zu. Nach dem Tode des Prinzen und des Königs fand er auch die Zeit, sich der Verwaltung des eigenen Besitzthums mit Stätigkeit zu widmen, und sobald seines Bleibens wieder mehr in der Heimath war, gehörte seine Theilnahme unaufgefordert auch den städtischen Angelegenheiten wieder. Um dem Stadtregimente eine außergewöhnliche Kraft zuzuführen, wählte man ihn im Jahre 1863 in das Magistrats-Collegium. Für dieses Ehrenamt wußte er sich ebenfalls seine Aufgabe hoch genug zu stellen. Das Erste, was er in die Hand nahm, war die Reform des städtischen Abgabenwesens, und wenn auch die von ihm vorgeschlagene Miethssteuer durch eine classificirte Einkommensteuer ersetzt wurde, so gebührt seiner Energie immerhin das Verdienst, das Veraltete niedergerissen und den Boden für ein zeitgemäßes Abgabensystem geebnet zu haben. Es ist kein Zweig der Stadtverwaltung, in welchem er nicht mit seinem klaren Urtheil, aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse und Er¬ fahrungen heraus anregend, verbessernd, selbstschaffend gewirkt hätte. Vor¬ zügliche Aufmerksamkeit widmete er dem Schulwesen, und seitdem er sogar persönlich den Schulprüfungen beizuwohnen Pflegte, wußten die Lehrer, daß ein scharfes Auge ihre Leistungen überwachte. Daß sich die durch Brieg- leb's Tod im Magistrats-Collegium entstandene Lücke schwer wird ausfüllen Grenzboten II. 1872. 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/417>, abgerufen am 24.08.2024.