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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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legung einer Vollmacht, die, wie er bald eingesehen hatte, von ihrem Träger
Unmögliches verlangte.

Die Dinge in Frankfurt nahten ihrem Ende. Die Reichsverfassung war
festgestellt, ihrer Durchführung aber stellten sich unbesiegbare Hindernisse in
den Weg. Es erfolgten die Massenaustritte aus der Nationalversammlung
und am 20. Mai 1849 legte auch Briegleb gemeinsam mit Arndt, Dahl-
mann, Droysen, Lette, Mathy, Simson und anderen Gleichgesinnten sein Ab¬
geordneten-Mandat nieder. Reich an bitteren Enttäuschungen, aber auch reich
an großen, belehrenden Erlebnissen und Erfahrungen und reich an nahen Be¬
ziehungen zu den besten Männern des Vaterlandes kehrte er heim in sein
schlichtes Hauswesen, das seiner nach so langer, opferreicher Abwesenheit nicht
wenig bedürfte.

Die Zeit des Frankfurter Parlaments bildete den Höhepunkt von
Briegleb's politischer Thätigkeit; als er 22 Jahre später in den ersten deutschen
Reichstag zu Berlin eintrat, stand er schon am Abend seines Lebens. Die
lange Zwischenperiode gehört einer vielseitigen, oft mühevollen Arbeit auf ganz
anderen Gebieten an. Im Jahre 1850 nahm erzwar noch an der G ot ha er
Versammlung seiner Parteigenossen Theil und im folgenden Jahre setzte
er die Wahl seines väterlichen Freundes von Stockmar in das Erfurter
Parlament durch. Auch wirkte er noch eine Zeitlang in der Stadtverordneten¬
versammlung und in dem Landtage mit gewohnter Rührigkeit und Thatkraft; ihm
vorzugsweise verdankt das Land die vortrefflichen Gesetze vom December 1850,
welche es möglich gemacht haben, daß das Herzogthum seit 1860 keine Feudal¬
lasten mehr kennt. Aber sei es, daß er den Geschmack an so engen Verhält¬
nissen verloren, sei es, daß die rückläufige Strömung in den deutschen An¬
gelegenheiten ihn gründlich verstimmt hatte, sei es endlich, daß er für die be¬
vorstehenden Verhandlungen über eine gemeinsame Coburg-Gothaische Ver¬
fassung seine Stellung als Vertreter der nächsten Agnaten mit dem Mandat
eines Landtags-Abgeordneten unverträglich fand, -- um das Jahr 1851
trat er von dem öffentlichen Leben zurück. Dagegen sehen wir ihn nunmehr
als Geschäftsträger des Prinzen Albert in die Gothaischen Streitig¬
keiten um das Domänenvermögen, um das Hausallodium und die dafür be¬
dungene sogenannte Allodialrente eingreifen, an der Regelung der Succesfions-
verhältnisse sowie der agnatischen Beziehungen zu dem Domänengut und den
Herzoglichen Privatfideicommissen durch Vereinbarung eines Hausgesetzes
mitwirken, auch die Behandlung des Fideicommißvermögens zum Theil in
neue Wege überleiten. Wir begegnen ihm auf den Herzoglichen Familien¬
herrschaften an der Donau, wie er die Verwaltung nach allen Richtungen
hin einer eingehenden Revision unterzieht. Daß er bei solchen Gelegenheiten
nicht überall Freude stiftete und Dank erntete, wo er auftrat, ist begreiflich.


legung einer Vollmacht, die, wie er bald eingesehen hatte, von ihrem Träger
Unmögliches verlangte.

Die Dinge in Frankfurt nahten ihrem Ende. Die Reichsverfassung war
festgestellt, ihrer Durchführung aber stellten sich unbesiegbare Hindernisse in
den Weg. Es erfolgten die Massenaustritte aus der Nationalversammlung
und am 20. Mai 1849 legte auch Briegleb gemeinsam mit Arndt, Dahl-
mann, Droysen, Lette, Mathy, Simson und anderen Gleichgesinnten sein Ab¬
geordneten-Mandat nieder. Reich an bitteren Enttäuschungen, aber auch reich
an großen, belehrenden Erlebnissen und Erfahrungen und reich an nahen Be¬
ziehungen zu den besten Männern des Vaterlandes kehrte er heim in sein
schlichtes Hauswesen, das seiner nach so langer, opferreicher Abwesenheit nicht
wenig bedürfte.

Die Zeit des Frankfurter Parlaments bildete den Höhepunkt von
Briegleb's politischer Thätigkeit; als er 22 Jahre später in den ersten deutschen
Reichstag zu Berlin eintrat, stand er schon am Abend seines Lebens. Die
lange Zwischenperiode gehört einer vielseitigen, oft mühevollen Arbeit auf ganz
anderen Gebieten an. Im Jahre 1850 nahm erzwar noch an der G ot ha er
Versammlung seiner Parteigenossen Theil und im folgenden Jahre setzte
er die Wahl seines väterlichen Freundes von Stockmar in das Erfurter
Parlament durch. Auch wirkte er noch eine Zeitlang in der Stadtverordneten¬
versammlung und in dem Landtage mit gewohnter Rührigkeit und Thatkraft; ihm
vorzugsweise verdankt das Land die vortrefflichen Gesetze vom December 1850,
welche es möglich gemacht haben, daß das Herzogthum seit 1860 keine Feudal¬
lasten mehr kennt. Aber sei es, daß er den Geschmack an so engen Verhält¬
nissen verloren, sei es, daß die rückläufige Strömung in den deutschen An¬
gelegenheiten ihn gründlich verstimmt hatte, sei es endlich, daß er für die be¬
vorstehenden Verhandlungen über eine gemeinsame Coburg-Gothaische Ver¬
fassung seine Stellung als Vertreter der nächsten Agnaten mit dem Mandat
eines Landtags-Abgeordneten unverträglich fand, — um das Jahr 1851
trat er von dem öffentlichen Leben zurück. Dagegen sehen wir ihn nunmehr
als Geschäftsträger des Prinzen Albert in die Gothaischen Streitig¬
keiten um das Domänenvermögen, um das Hausallodium und die dafür be¬
dungene sogenannte Allodialrente eingreifen, an der Regelung der Succesfions-
verhältnisse sowie der agnatischen Beziehungen zu dem Domänengut und den
Herzoglichen Privatfideicommissen durch Vereinbarung eines Hausgesetzes
mitwirken, auch die Behandlung des Fideicommißvermögens zum Theil in
neue Wege überleiten. Wir begegnen ihm auf den Herzoglichen Familien¬
herrschaften an der Donau, wie er die Verwaltung nach allen Richtungen
hin einer eingehenden Revision unterzieht. Daß er bei solchen Gelegenheiten
nicht überall Freude stiftete und Dank erntete, wo er auftrat, ist begreiflich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/416>, abgerufen am 24.08.2024.