Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bald seine Befähigung, namentlich für die Gesetzesredaction so zu schätzen, daß
man ihn mit in denjenigen Ausschuß wählte, welchem die Ausarbeitung
des Entwurfs einer Reichs Verfassung übertragen war. An der auf¬
reibenden Thätigkeit des Ausschusses sowohl wie des Parteiclubs nahm er
den regsten Antheil. Für die Verhandlungen in kleineren Kreisen war er
überhaupt mehr geschaffen als zum Auftreten in großen Versammlungen; er
dedueirte überzeugend, aber es fehlte seinen Worten der Schwung, den eine
lebhafte Phantasie verleiht. Mit Entschiedenheit stand er auf dem sogenannten
Gagern'schen Programm, dem später keiner seiner Bekenner untreuer ge¬
worden ist als der, dessen Namen es trug. Als es sich im November 1848
nach dem Wiener Aufstand darum handelte, in die österreichische Hauptstadt
N el chscommi Sfäre zu schicken, um nach den Anträgen des Parlaments
die friedliche Entwickelung der dortigen Wirrsale herbeizuführen, für die Ge¬
währleistung der Freiheiten des österreichischen Volkes zu sorgen und die
Lösung der Frage vorzubereiten, in welches Verhältniß die
österreichische Monarchie zu Deutschland treten werde, knüpfte
das Reichsministerium mit dem Fürsten Karl zu Leiningen und dem
Reichstagsabgeordneten Briegleb Verhandlungen wegen Uebernahme
der schwierigen Mission an. Briegleb arbeitete damals eine Denkschrift über
die Bedingungen und Jnstructionen aus, unter denen der Fürst und er sich
dem Auftrage unterziehen wollten; darin hieß es: "Es ist festzuhalten, daß
Oesterreich entweder auf die bloße Personalunion zwischen seinen deutschen und
nichtdeutschen Ländern eingehen oder darauf verzichten muß. ein Be¬
standtheil des deutschen Bundesstaates zu werden." Die Beding¬
ungen fanden begreiflicher Weise die Billigung des Reichsministers von
Schmerling nicht, die Verhandlungen zerschlugen sich. Des Erfolgs würde
die Reise ohnehin entbehrt haben; ein blutiger Krieg war erst nöthig, um
ein Deutschland ohne Oesterreich aufrichten zu können.

Später gehörte Briegleb der Kaiserdeputation um, welcher Friedrich
Wilhelm IV. die ablehnende Erklärung gab.

Am 7. Mai 1849 ernannte ihn der Erzherzog Reichsweser zum Reichs-
commissär für das Königreich Sachsen zur "Herstellung des Reichs¬
friedens." Mit welchen Mitteln er diese Ausgabe zu lösen gedachte, wissen
wir nicht. Bei Herrn von Beust in Dresden mußte er sich aber bald über¬
zeugen, daß die Autorität der Reichsgewalt, welche keine Schwadronen und
Regimenter hinter sich hatte, damals schon tief unter der Frankfurter Schätzung
stand. Der Aufruhr war bei Briegleb's Ankunft eben durch preußische Truppen
niedergeworfen worden. Schon am 11. Mai fand sich für den Reichscommissär
in einer Depesche Heinrich's von Gagern, daß das Reichsministenum entlassen,
die Centralgewalt selbst in der Krisis sei, ein willkommener Anlaß zur Nieder-


bald seine Befähigung, namentlich für die Gesetzesredaction so zu schätzen, daß
man ihn mit in denjenigen Ausschuß wählte, welchem die Ausarbeitung
des Entwurfs einer Reichs Verfassung übertragen war. An der auf¬
reibenden Thätigkeit des Ausschusses sowohl wie des Parteiclubs nahm er
den regsten Antheil. Für die Verhandlungen in kleineren Kreisen war er
überhaupt mehr geschaffen als zum Auftreten in großen Versammlungen; er
dedueirte überzeugend, aber es fehlte seinen Worten der Schwung, den eine
lebhafte Phantasie verleiht. Mit Entschiedenheit stand er auf dem sogenannten
Gagern'schen Programm, dem später keiner seiner Bekenner untreuer ge¬
worden ist als der, dessen Namen es trug. Als es sich im November 1848
nach dem Wiener Aufstand darum handelte, in die österreichische Hauptstadt
N el chscommi Sfäre zu schicken, um nach den Anträgen des Parlaments
die friedliche Entwickelung der dortigen Wirrsale herbeizuführen, für die Ge¬
währleistung der Freiheiten des österreichischen Volkes zu sorgen und die
Lösung der Frage vorzubereiten, in welches Verhältniß die
österreichische Monarchie zu Deutschland treten werde, knüpfte
das Reichsministerium mit dem Fürsten Karl zu Leiningen und dem
Reichstagsabgeordneten Briegleb Verhandlungen wegen Uebernahme
der schwierigen Mission an. Briegleb arbeitete damals eine Denkschrift über
die Bedingungen und Jnstructionen aus, unter denen der Fürst und er sich
dem Auftrage unterziehen wollten; darin hieß es: „Es ist festzuhalten, daß
Oesterreich entweder auf die bloße Personalunion zwischen seinen deutschen und
nichtdeutschen Ländern eingehen oder darauf verzichten muß. ein Be¬
standtheil des deutschen Bundesstaates zu werden." Die Beding¬
ungen fanden begreiflicher Weise die Billigung des Reichsministers von
Schmerling nicht, die Verhandlungen zerschlugen sich. Des Erfolgs würde
die Reise ohnehin entbehrt haben; ein blutiger Krieg war erst nöthig, um
ein Deutschland ohne Oesterreich aufrichten zu können.

Später gehörte Briegleb der Kaiserdeputation um, welcher Friedrich
Wilhelm IV. die ablehnende Erklärung gab.

Am 7. Mai 1849 ernannte ihn der Erzherzog Reichsweser zum Reichs-
commissär für das Königreich Sachsen zur „Herstellung des Reichs¬
friedens." Mit welchen Mitteln er diese Ausgabe zu lösen gedachte, wissen
wir nicht. Bei Herrn von Beust in Dresden mußte er sich aber bald über¬
zeugen, daß die Autorität der Reichsgewalt, welche keine Schwadronen und
Regimenter hinter sich hatte, damals schon tief unter der Frankfurter Schätzung
stand. Der Aufruhr war bei Briegleb's Ankunft eben durch preußische Truppen
niedergeworfen worden. Schon am 11. Mai fand sich für den Reichscommissär
in einer Depesche Heinrich's von Gagern, daß das Reichsministenum entlassen,
die Centralgewalt selbst in der Krisis sei, ein willkommener Anlaß zur Nieder-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127811"/>
          <p xml:id="ID_1335" prev="#ID_1334"> bald seine Befähigung, namentlich für die Gesetzesredaction so zu schätzen, daß<lb/>
man ihn mit in denjenigen Ausschuß wählte, welchem die Ausarbeitung<lb/>
des Entwurfs einer Reichs Verfassung übertragen war. An der auf¬<lb/>
reibenden Thätigkeit des Ausschusses sowohl wie des Parteiclubs nahm er<lb/>
den regsten Antheil. Für die Verhandlungen in kleineren Kreisen war er<lb/>
überhaupt mehr geschaffen als zum Auftreten in großen Versammlungen; er<lb/>
dedueirte überzeugend, aber es fehlte seinen Worten der Schwung, den eine<lb/>
lebhafte Phantasie verleiht. Mit Entschiedenheit stand er auf dem sogenannten<lb/>
Gagern'schen Programm, dem später keiner seiner Bekenner untreuer ge¬<lb/>
worden ist als der, dessen Namen es trug. Als es sich im November 1848<lb/>
nach dem Wiener Aufstand darum handelte, in die österreichische Hauptstadt<lb/>
N el chscommi Sfäre zu schicken, um nach den Anträgen des Parlaments<lb/>
die friedliche Entwickelung der dortigen Wirrsale herbeizuführen, für die Ge¬<lb/>
währleistung der Freiheiten des österreichischen Volkes zu sorgen und die<lb/>
Lösung der Frage vorzubereiten, in welches Verhältniß die<lb/>
österreichische Monarchie zu Deutschland treten werde, knüpfte<lb/>
das Reichsministerium mit dem Fürsten Karl zu Leiningen und dem<lb/>
Reichstagsabgeordneten Briegleb Verhandlungen wegen Uebernahme<lb/>
der schwierigen Mission an. Briegleb arbeitete damals eine Denkschrift über<lb/>
die Bedingungen und Jnstructionen aus, unter denen der Fürst und er sich<lb/>
dem Auftrage unterziehen wollten; darin hieß es: &#x201E;Es ist festzuhalten, daß<lb/>
Oesterreich entweder auf die bloße Personalunion zwischen seinen deutschen und<lb/>
nichtdeutschen Ländern eingehen oder darauf verzichten muß. ein Be¬<lb/>
standtheil des deutschen Bundesstaates zu werden." Die Beding¬<lb/>
ungen fanden begreiflicher Weise die Billigung des Reichsministers von<lb/>
Schmerling nicht, die Verhandlungen zerschlugen sich. Des Erfolgs würde<lb/>
die Reise ohnehin entbehrt haben; ein blutiger Krieg war erst nöthig, um<lb/>
ein Deutschland ohne Oesterreich aufrichten zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1336"> Später gehörte Briegleb der Kaiserdeputation um, welcher Friedrich<lb/>
Wilhelm IV. die ablehnende Erklärung gab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1337" next="#ID_1338"> Am 7. Mai 1849 ernannte ihn der Erzherzog Reichsweser zum Reichs-<lb/>
commissär für das Königreich Sachsen zur &#x201E;Herstellung des Reichs¬<lb/>
friedens." Mit welchen Mitteln er diese Ausgabe zu lösen gedachte, wissen<lb/>
wir nicht. Bei Herrn von Beust in Dresden mußte er sich aber bald über¬<lb/>
zeugen, daß die Autorität der Reichsgewalt, welche keine Schwadronen und<lb/>
Regimenter hinter sich hatte, damals schon tief unter der Frankfurter Schätzung<lb/>
stand. Der Aufruhr war bei Briegleb's Ankunft eben durch preußische Truppen<lb/>
niedergeworfen worden. Schon am 11. Mai fand sich für den Reichscommissär<lb/>
in einer Depesche Heinrich's von Gagern, daß das Reichsministenum entlassen,<lb/>
die Centralgewalt selbst in der Krisis sei, ein willkommener Anlaß zur Nieder-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0415] bald seine Befähigung, namentlich für die Gesetzesredaction so zu schätzen, daß man ihn mit in denjenigen Ausschuß wählte, welchem die Ausarbeitung des Entwurfs einer Reichs Verfassung übertragen war. An der auf¬ reibenden Thätigkeit des Ausschusses sowohl wie des Parteiclubs nahm er den regsten Antheil. Für die Verhandlungen in kleineren Kreisen war er überhaupt mehr geschaffen als zum Auftreten in großen Versammlungen; er dedueirte überzeugend, aber es fehlte seinen Worten der Schwung, den eine lebhafte Phantasie verleiht. Mit Entschiedenheit stand er auf dem sogenannten Gagern'schen Programm, dem später keiner seiner Bekenner untreuer ge¬ worden ist als der, dessen Namen es trug. Als es sich im November 1848 nach dem Wiener Aufstand darum handelte, in die österreichische Hauptstadt N el chscommi Sfäre zu schicken, um nach den Anträgen des Parlaments die friedliche Entwickelung der dortigen Wirrsale herbeizuführen, für die Ge¬ währleistung der Freiheiten des österreichischen Volkes zu sorgen und die Lösung der Frage vorzubereiten, in welches Verhältniß die österreichische Monarchie zu Deutschland treten werde, knüpfte das Reichsministerium mit dem Fürsten Karl zu Leiningen und dem Reichstagsabgeordneten Briegleb Verhandlungen wegen Uebernahme der schwierigen Mission an. Briegleb arbeitete damals eine Denkschrift über die Bedingungen und Jnstructionen aus, unter denen der Fürst und er sich dem Auftrage unterziehen wollten; darin hieß es: „Es ist festzuhalten, daß Oesterreich entweder auf die bloße Personalunion zwischen seinen deutschen und nichtdeutschen Ländern eingehen oder darauf verzichten muß. ein Be¬ standtheil des deutschen Bundesstaates zu werden." Die Beding¬ ungen fanden begreiflicher Weise die Billigung des Reichsministers von Schmerling nicht, die Verhandlungen zerschlugen sich. Des Erfolgs würde die Reise ohnehin entbehrt haben; ein blutiger Krieg war erst nöthig, um ein Deutschland ohne Oesterreich aufrichten zu können. Später gehörte Briegleb der Kaiserdeputation um, welcher Friedrich Wilhelm IV. die ablehnende Erklärung gab. Am 7. Mai 1849 ernannte ihn der Erzherzog Reichsweser zum Reichs- commissär für das Königreich Sachsen zur „Herstellung des Reichs¬ friedens." Mit welchen Mitteln er diese Ausgabe zu lösen gedachte, wissen wir nicht. Bei Herrn von Beust in Dresden mußte er sich aber bald über¬ zeugen, daß die Autorität der Reichsgewalt, welche keine Schwadronen und Regimenter hinter sich hatte, damals schon tief unter der Frankfurter Schätzung stand. Der Aufruhr war bei Briegleb's Ankunft eben durch preußische Truppen niedergeworfen worden. Schon am 11. Mai fand sich für den Reichscommissär in einer Depesche Heinrich's von Gagern, daß das Reichsministenum entlassen, die Centralgewalt selbst in der Krisis sei, ein willkommener Anlaß zur Nieder-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/415
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/415>, abgerufen am 24.08.2024.