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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Jahre alt war; auch weiß die geschichtliche Tradition, die dem Erzherzog
Philipp den Beinamen des Schönen, el IivrmoLo, zu geben pflegt, von ihm
nichts als eine gewisse robuste Körperschönheit, einige Fälle politischer Unge¬
schicklichkeit und Unerfahrenheit, und vielleicht noch einige Scenen ehelichen
und außerehelichen Liebeswandels zu berichten; von ihm war nicht viel zu
lernen. Dagegen übertrug auch von den spanischen Großeltern sich Manches
aus den Enkel. Zu der politischen Ideenwelt Maximilians brachte das spa¬
nische Reich die realen Mittel hinzu, und die realistische Staatskunst Ferdi¬
nands des Katholischen wurde nun der Habsburgischen Actionsmethode ein¬
gepflanzt. Die spanische Tradition in der Behandlung politischer Dinge, wie
sie zu höchster Virtuosität Ferdinand entwickelt hatte, wurde nun eine Eigen¬
schaft auch bei den Habsburgern. Aber die spanische Ehe brachte ihnen noch
etwas ganz anderes: die fromme Königin Jsabella vermittelte durch ihre
Tochter Juana die eigenartige Religiosität der Spanier den Habsburgischen
Enkeln; von da ab sind dem Habsburgischen Fürstengeschlechte kirchlicher
Fanatismus und Eifer als bleibende Merkmale zu Theil geworden und ge¬
blieben. Eine neue Zugabe war dies damals für den Habsburgischen Cha¬
rakter, der bis dahin durchaus weltlich gewesen war. Karl V. ist das erste
Product der damaligen Mischung; von ihm haben die Nachkommen des Ge¬
schlechtes ihr Gepräge empfangen.

Am 24. Februar des Jahres 1S00 war Karl in Gent geboren: man
nannte ihn den Herzog von Luxemburg. In den Niederlanden verbrachte er
seine Jugend. Und auch als im December 1ö01 die Eltern, Philipp und
Juana, nach Spanien reisten, ließen sie ihn zurück, unter der Aufsicht seiner
Tante, der Erzherzogin Margaretha. Die Sorge für den Knaben .siel ihr
immer mehr zu. Denn schon im Jahre 1303 traten die Symptome jener
Geistes- und Gemüthskrankheit in Juana zu Tage, die in zunehmendem Maaße
ihre Tage umdüstert und sie anfangs freiwillig und nachher nach dem Willen
ihrer Umgebung dem Verkehr mit der Außenwelt entzogen hat. Seit
Januar 1S06 regierten Philipp und Juana als Könige von Kastilien; auch
als Philipp ganz plötzlich im September 1506 gestorben, blieb Juana auf
der pyrenäischen Halbinsel. Karl dagegen war seitdem dem Namen nach der
Souverain der Niederlande; für ihn führte seine Tante Margaretha die Zügel
der Regierung. Auf Burgundischen Fuß war der Hof eingerichtet, eine Schaar
von Großen diente dem jungen Fürsten persönlich. Karl war ein schwächliches
Kind, oft von Krankheiten geplagt; und als er heranwuchs, als er durch fort¬
gesetzte Leibesübungen seine Kräfte gestärkt, auch da war und blieb er stets
Anfällen ernsthafter Leiden ausgesetzt: ganz besonders die Gicht hat ihn schon
in frühen Jahren heimgesucht. Der Heranwachsende konnte keinenfalls für schön
gelten: etwas unter Mittelgröße war seine Figur, blaß und hager sein Antlitz,


Jahre alt war; auch weiß die geschichtliche Tradition, die dem Erzherzog
Philipp den Beinamen des Schönen, el IivrmoLo, zu geben pflegt, von ihm
nichts als eine gewisse robuste Körperschönheit, einige Fälle politischer Unge¬
schicklichkeit und Unerfahrenheit, und vielleicht noch einige Scenen ehelichen
und außerehelichen Liebeswandels zu berichten; von ihm war nicht viel zu
lernen. Dagegen übertrug auch von den spanischen Großeltern sich Manches
aus den Enkel. Zu der politischen Ideenwelt Maximilians brachte das spa¬
nische Reich die realen Mittel hinzu, und die realistische Staatskunst Ferdi¬
nands des Katholischen wurde nun der Habsburgischen Actionsmethode ein¬
gepflanzt. Die spanische Tradition in der Behandlung politischer Dinge, wie
sie zu höchster Virtuosität Ferdinand entwickelt hatte, wurde nun eine Eigen¬
schaft auch bei den Habsburgern. Aber die spanische Ehe brachte ihnen noch
etwas ganz anderes: die fromme Königin Jsabella vermittelte durch ihre
Tochter Juana die eigenartige Religiosität der Spanier den Habsburgischen
Enkeln; von da ab sind dem Habsburgischen Fürstengeschlechte kirchlicher
Fanatismus und Eifer als bleibende Merkmale zu Theil geworden und ge¬
blieben. Eine neue Zugabe war dies damals für den Habsburgischen Cha¬
rakter, der bis dahin durchaus weltlich gewesen war. Karl V. ist das erste
Product der damaligen Mischung; von ihm haben die Nachkommen des Ge¬
schlechtes ihr Gepräge empfangen.

Am 24. Februar des Jahres 1S00 war Karl in Gent geboren: man
nannte ihn den Herzog von Luxemburg. In den Niederlanden verbrachte er
seine Jugend. Und auch als im December 1ö01 die Eltern, Philipp und
Juana, nach Spanien reisten, ließen sie ihn zurück, unter der Aufsicht seiner
Tante, der Erzherzogin Margaretha. Die Sorge für den Knaben .siel ihr
immer mehr zu. Denn schon im Jahre 1303 traten die Symptome jener
Geistes- und Gemüthskrankheit in Juana zu Tage, die in zunehmendem Maaße
ihre Tage umdüstert und sie anfangs freiwillig und nachher nach dem Willen
ihrer Umgebung dem Verkehr mit der Außenwelt entzogen hat. Seit
Januar 1S06 regierten Philipp und Juana als Könige von Kastilien; auch
als Philipp ganz plötzlich im September 1506 gestorben, blieb Juana auf
der pyrenäischen Halbinsel. Karl dagegen war seitdem dem Namen nach der
Souverain der Niederlande; für ihn führte seine Tante Margaretha die Zügel
der Regierung. Auf Burgundischen Fuß war der Hof eingerichtet, eine Schaar
von Großen diente dem jungen Fürsten persönlich. Karl war ein schwächliches
Kind, oft von Krankheiten geplagt; und als er heranwuchs, als er durch fort¬
gesetzte Leibesübungen seine Kräfte gestärkt, auch da war und blieb er stets
Anfällen ernsthafter Leiden ausgesetzt: ganz besonders die Gicht hat ihn schon
in frühen Jahren heimgesucht. Der Heranwachsende konnte keinenfalls für schön
gelten: etwas unter Mittelgröße war seine Figur, blaß und hager sein Antlitz,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/373>, abgerufen am 24.08.2024.