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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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bezahlt und angeworben wie ein gewöhnlicher Landsknechtshauptmann. Und
doch kamen die Habsburgischen Hausinteressen auch durch ihn ein Stück
vorwärts.

In dem Gegensatze gegen Frankreich begegneten sich die Habsburgische
und die spanische Politik. Auch die katholischen Könige. Ferdinand und
Jsabella, hatten das lebhafteste Interesse, Frankreichs anschwellende Macht
aufzuhalten und Frankreichs europäischen Tendenzen in den Weg zu treten.*)
Max und Ferdinand reichten sich zur Allianz die Hand, und beide kamen
trotz mancher Störungen auf dies System immer wieder zurück. Ja, wie
man die politische Allianz durch eine Doppelehe zwischen beiden Familien zu
stärken gedacht, -- Max' Sohn. Erzherzog Philipp mit der zweiten spanischen
Tochter, Juana. und Max' Tochter Margaretha mit dem spanischen Kron¬
prinzen Juan, --^ so erwuchs gerade hieraus ein Erfolg für die Habsburger,
den man kaum vorausgesehen haben konnte. Erbin der spanischen Kronen
wurde diese Juana, die ihrem Gemahle zwei Söhne und vier Töchter ge¬
boren hatte; ihr zweites Kind, der älteste Sohn, Karl, vereinigte also in
sich Habsburg und Spanien.

Das war das Ereigniß, das Max' politischen Entwürfen neuen Auf¬
schwung verlieh und aussichtsvolle Zukunft verhieß. Sofort war es seine
Meinung, daß dieser älteste Enkel Karl der dereinstige Weltherrscher sein
sollte; auf sein Haupt wollte er alle die Kronen senken, die seinem Geiste
so lange vorgeschwebt hatten. Oesterreich und Burgund, Böhmen und Un¬
garn und die Niederlande, Mailand und Neapel, Spanien und Amerika --
alles sollte Karls, des römischen Kaisers Eigenthum werden. Den Absichten
Ferdinands von Spanien hatte das nicht entsprochen: eine Theilung zwischen
den Brüdern, Karl und Ferdinand, hätte er vorgezogen. Aber zuletzt fügte
auch er sich in dies Habsburgische System der einen, großen Weltmonarchie.
Max setzte seinen Gedanken durch.

Die Weltgeschichte nennt Kaiser Karl V. als den eigentlich typischen
Habsburger.

Seines Großvaters Max Ideenwelt lebte in ihm fort. Wenn der
Familiencharakter der Habsburger, der unruhig und unaufhörlich nach neuem
Ländererwerb verlangte, schon bei Maximilian sich zu der Sehnsucht nach der
mittelalterlichen Kaiserstellung an der Spitze des ganzen Europa ausgebildet
hatte, so war dies für Maximilians Enkel der Ausgangspunkt seines poli¬
tischen Denkens und seines politischen Lebens. Vom Großvater erhielt Karl
diesen Impuls. Sein Vater Philipp war gestorben, als der Knabe sechs



') Man vergleiche hierüber unsern frühern Artikel in Ur. 45 der Grenzboten v. 3. Nov.
1871. (Seite 729 hö.)

bezahlt und angeworben wie ein gewöhnlicher Landsknechtshauptmann. Und
doch kamen die Habsburgischen Hausinteressen auch durch ihn ein Stück
vorwärts.

In dem Gegensatze gegen Frankreich begegneten sich die Habsburgische
und die spanische Politik. Auch die katholischen Könige. Ferdinand und
Jsabella, hatten das lebhafteste Interesse, Frankreichs anschwellende Macht
aufzuhalten und Frankreichs europäischen Tendenzen in den Weg zu treten.*)
Max und Ferdinand reichten sich zur Allianz die Hand, und beide kamen
trotz mancher Störungen auf dies System immer wieder zurück. Ja, wie
man die politische Allianz durch eine Doppelehe zwischen beiden Familien zu
stärken gedacht, — Max' Sohn. Erzherzog Philipp mit der zweiten spanischen
Tochter, Juana. und Max' Tochter Margaretha mit dem spanischen Kron¬
prinzen Juan, —^ so erwuchs gerade hieraus ein Erfolg für die Habsburger,
den man kaum vorausgesehen haben konnte. Erbin der spanischen Kronen
wurde diese Juana, die ihrem Gemahle zwei Söhne und vier Töchter ge¬
boren hatte; ihr zweites Kind, der älteste Sohn, Karl, vereinigte also in
sich Habsburg und Spanien.

Das war das Ereigniß, das Max' politischen Entwürfen neuen Auf¬
schwung verlieh und aussichtsvolle Zukunft verhieß. Sofort war es seine
Meinung, daß dieser älteste Enkel Karl der dereinstige Weltherrscher sein
sollte; auf sein Haupt wollte er alle die Kronen senken, die seinem Geiste
so lange vorgeschwebt hatten. Oesterreich und Burgund, Böhmen und Un¬
garn und die Niederlande, Mailand und Neapel, Spanien und Amerika —
alles sollte Karls, des römischen Kaisers Eigenthum werden. Den Absichten
Ferdinands von Spanien hatte das nicht entsprochen: eine Theilung zwischen
den Brüdern, Karl und Ferdinand, hätte er vorgezogen. Aber zuletzt fügte
auch er sich in dies Habsburgische System der einen, großen Weltmonarchie.
Max setzte seinen Gedanken durch.

Die Weltgeschichte nennt Kaiser Karl V. als den eigentlich typischen
Habsburger.

Seines Großvaters Max Ideenwelt lebte in ihm fort. Wenn der
Familiencharakter der Habsburger, der unruhig und unaufhörlich nach neuem
Ländererwerb verlangte, schon bei Maximilian sich zu der Sehnsucht nach der
mittelalterlichen Kaiserstellung an der Spitze des ganzen Europa ausgebildet
hatte, so war dies für Maximilians Enkel der Ausgangspunkt seines poli¬
tischen Denkens und seines politischen Lebens. Vom Großvater erhielt Karl
diesen Impuls. Sein Vater Philipp war gestorben, als der Knabe sechs



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/372>, abgerufen am 24.08.2024.