stellen, weil sie von vielen glaubwürdigen Personen übereinstimmend bezeugt seien, muß dem Kenner der Orientalen kindlich naiv erscheinen.
Auch die in der Broschüre enthaltene Charakteristik des (seitdem ab¬ berufenen) Maki von Syrien. Raschid Pascha, ist eine wesentlich falsche. Dieser Beamte gehörte nicht der alttürkischen Partei an, sondern huldigte völlig der entgegengesetzten Richtung, und war dem entsprechend, wenn ihm auch ein ge¬ wisser Grad von Fanatismus, wie jedem nicht ganz verkommenen Mohamme¬ daner eigen, doch keineswegs ein verfolgungssüchtiger Fanatiker und ein Feind aller Christen, gegen die er sich vielmehr tolerant zeigte. Auch von seinem Privatleben läßt sich weit weniger Uebles sagen, als von dem der Mehrzahl seiner türkischen Standesgenossen. Seine Pariser Erziehung hat wohl nur den schlimmen Einfluß auf ihn gehabt, daß er ein Freund des erbärmlichen französischen Wesens und der französischen Politik geblieben ist. Das hat ihn aber nicht abgehalten, der (von Württembergern in Syrien begonnenen) deutschen Colonisation, deren großen Nutzen für das so wenig bebaute und doch so reich von der Natur gesegnete Land er nicht verkennt, wohlgesinnt und förderlich zu sein; in dieser Hinsicht ist seine Abberufung sehr zu be¬ dauern, da kaum einer seiner Nachfolger an der Spitze des Vilayets ein der¬ artiges Interesse bethätigen dürfte, -- Nicht minder irrt die Broschüre, wenn sie behauptet, die christliche Bewegung unter den Mohammedanern Syriens sei von der Secte der "Schadili" ausgegangen. Denn die Schaseli sind recht¬ gläubige, strenge Moslemin: ihre Schule soll schon vor etwa 600 Jahren im Gebiet von Tunis gegründet worden sein. Dort, und in den Barbaresken- staaten überhaupt, finden sich auch jetzt noch ihre meisten Anhänger; auch in Syrien sind dieselben ziemlich zahlreich, vorzugsweise in Damaskus und in Ober-Galiläa, Glaubwürdiger Nachrichten zufolge gehört auch der bekannte Vertheidiger des Islam in Nordafrika, der Heros der Moghrebiner, Emir Abd el-Kabir, der Schule an, und es ist dieser Umstand ganz besonders ge¬ eignet, die vorhin ausgesprochene Ansicht über den Charakter dieser Schule zu bestätigen. Die schwärmerischen Anhänger des Propheten kann man christ¬ licher Neigungen gewiß nicht zeihen. Allerdings hat er -- was in der Broschüre, wohl irrthümlich, von einem gewissen Abd el-Karien Mälar er¬ zählt wird -- während der Christenmetzeleien zu Damaskus (wo er noch heute lebt) im Jahre 1860 manche Christen, die sich in sein Haus flüchteten, ge¬ rettet, allein er hat damit lediglich ein Gebot seiner Religion und der Sitte seines Stammes befolgt, indem er das ihm heilige Gastrecht wahrte. Wenn in der Broschüre dem Emir Abd el-Kabir bei der Verfolgung der Schaseli eine besondere Rolle zugetheilt wird, so muß eine Verwechselung vorliegen.
Als indirekten Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der angeblichen Ueber¬ tritte zum römisch-katholischen Christenthum berühren wir schließlich kurz die
stellen, weil sie von vielen glaubwürdigen Personen übereinstimmend bezeugt seien, muß dem Kenner der Orientalen kindlich naiv erscheinen.
Auch die in der Broschüre enthaltene Charakteristik des (seitdem ab¬ berufenen) Maki von Syrien. Raschid Pascha, ist eine wesentlich falsche. Dieser Beamte gehörte nicht der alttürkischen Partei an, sondern huldigte völlig der entgegengesetzten Richtung, und war dem entsprechend, wenn ihm auch ein ge¬ wisser Grad von Fanatismus, wie jedem nicht ganz verkommenen Mohamme¬ daner eigen, doch keineswegs ein verfolgungssüchtiger Fanatiker und ein Feind aller Christen, gegen die er sich vielmehr tolerant zeigte. Auch von seinem Privatleben läßt sich weit weniger Uebles sagen, als von dem der Mehrzahl seiner türkischen Standesgenossen. Seine Pariser Erziehung hat wohl nur den schlimmen Einfluß auf ihn gehabt, daß er ein Freund des erbärmlichen französischen Wesens und der französischen Politik geblieben ist. Das hat ihn aber nicht abgehalten, der (von Württembergern in Syrien begonnenen) deutschen Colonisation, deren großen Nutzen für das so wenig bebaute und doch so reich von der Natur gesegnete Land er nicht verkennt, wohlgesinnt und förderlich zu sein; in dieser Hinsicht ist seine Abberufung sehr zu be¬ dauern, da kaum einer seiner Nachfolger an der Spitze des Vilayets ein der¬ artiges Interesse bethätigen dürfte, — Nicht minder irrt die Broschüre, wenn sie behauptet, die christliche Bewegung unter den Mohammedanern Syriens sei von der Secte der „Schadili" ausgegangen. Denn die Schaseli sind recht¬ gläubige, strenge Moslemin: ihre Schule soll schon vor etwa 600 Jahren im Gebiet von Tunis gegründet worden sein. Dort, und in den Barbaresken- staaten überhaupt, finden sich auch jetzt noch ihre meisten Anhänger; auch in Syrien sind dieselben ziemlich zahlreich, vorzugsweise in Damaskus und in Ober-Galiläa, Glaubwürdiger Nachrichten zufolge gehört auch der bekannte Vertheidiger des Islam in Nordafrika, der Heros der Moghrebiner, Emir Abd el-Kabir, der Schule an, und es ist dieser Umstand ganz besonders ge¬ eignet, die vorhin ausgesprochene Ansicht über den Charakter dieser Schule zu bestätigen. Die schwärmerischen Anhänger des Propheten kann man christ¬ licher Neigungen gewiß nicht zeihen. Allerdings hat er — was in der Broschüre, wohl irrthümlich, von einem gewissen Abd el-Karien Mälar er¬ zählt wird — während der Christenmetzeleien zu Damaskus (wo er noch heute lebt) im Jahre 1860 manche Christen, die sich in sein Haus flüchteten, ge¬ rettet, allein er hat damit lediglich ein Gebot seiner Religion und der Sitte seines Stammes befolgt, indem er das ihm heilige Gastrecht wahrte. Wenn in der Broschüre dem Emir Abd el-Kabir bei der Verfolgung der Schaseli eine besondere Rolle zugetheilt wird, so muß eine Verwechselung vorliegen.
Als indirekten Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der angeblichen Ueber¬ tritte zum römisch-katholischen Christenthum berühren wir schließlich kurz die
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0357"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127753"/><pxml:id="ID_1130"prev="#ID_1129"> stellen, weil sie von vielen glaubwürdigen Personen übereinstimmend bezeugt<lb/>
seien, muß dem Kenner der Orientalen kindlich naiv erscheinen.</p><lb/><pxml:id="ID_1131"> Auch die in der Broschüre enthaltene Charakteristik des (seitdem ab¬<lb/>
berufenen) Maki von Syrien. Raschid Pascha, ist eine wesentlich falsche. Dieser<lb/>
Beamte gehörte nicht der alttürkischen Partei an, sondern huldigte völlig der<lb/>
entgegengesetzten Richtung, und war dem entsprechend, wenn ihm auch ein ge¬<lb/>
wisser Grad von Fanatismus, wie jedem nicht ganz verkommenen Mohamme¬<lb/>
daner eigen, doch keineswegs ein verfolgungssüchtiger Fanatiker und ein Feind<lb/>
aller Christen, gegen die er sich vielmehr tolerant zeigte. Auch von seinem<lb/>
Privatleben läßt sich weit weniger Uebles sagen, als von dem der Mehrzahl<lb/>
seiner türkischen Standesgenossen. Seine Pariser Erziehung hat wohl nur<lb/>
den schlimmen Einfluß auf ihn gehabt, daß er ein Freund des erbärmlichen<lb/>
französischen Wesens und der französischen Politik geblieben ist. Das hat ihn<lb/>
aber nicht abgehalten, der (von Württembergern in Syrien begonnenen)<lb/>
deutschen Colonisation, deren großen Nutzen für das so wenig bebaute und<lb/>
doch so reich von der Natur gesegnete Land er nicht verkennt, wohlgesinnt<lb/>
und förderlich zu sein; in dieser Hinsicht ist seine Abberufung sehr zu be¬<lb/>
dauern, da kaum einer seiner Nachfolger an der Spitze des Vilayets ein der¬<lb/>
artiges Interesse bethätigen dürfte, — Nicht minder irrt die Broschüre, wenn<lb/>
sie behauptet, die christliche Bewegung unter den Mohammedanern Syriens<lb/>
sei von der Secte der „Schadili" ausgegangen. Denn die Schaseli sind recht¬<lb/>
gläubige, strenge Moslemin: ihre Schule soll schon vor etwa 600 Jahren im<lb/>
Gebiet von Tunis gegründet worden sein. Dort, und in den Barbaresken-<lb/>
staaten überhaupt, finden sich auch jetzt noch ihre meisten Anhänger; auch in<lb/>
Syrien sind dieselben ziemlich zahlreich, vorzugsweise in Damaskus und in<lb/>
Ober-Galiläa, Glaubwürdiger Nachrichten zufolge gehört auch der bekannte<lb/>
Vertheidiger des Islam in Nordafrika, der Heros der Moghrebiner, Emir<lb/>
Abd el-Kabir, der Schule an, und es ist dieser Umstand ganz besonders ge¬<lb/>
eignet, die vorhin ausgesprochene Ansicht über den Charakter dieser Schule<lb/>
zu bestätigen. Die schwärmerischen Anhänger des Propheten kann man christ¬<lb/>
licher Neigungen gewiß nicht zeihen. Allerdings hat er — was in der<lb/>
Broschüre, wohl irrthümlich, von einem gewissen Abd el-Karien Mälar er¬<lb/>
zählt wird — während der Christenmetzeleien zu Damaskus (wo er noch heute<lb/>
lebt) im Jahre 1860 manche Christen, die sich in sein Haus flüchteten, ge¬<lb/>
rettet, allein er hat damit lediglich ein Gebot seiner Religion und der Sitte<lb/>
seines Stammes befolgt, indem er das ihm heilige Gastrecht wahrte. Wenn<lb/>
in der Broschüre dem Emir Abd el-Kabir bei der Verfolgung der Schaseli<lb/>
eine besondere Rolle zugetheilt wird, so muß eine Verwechselung vorliegen.</p><lb/><pxml:id="ID_1132"next="#ID_1133"> Als indirekten Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der angeblichen Ueber¬<lb/>
tritte zum römisch-katholischen Christenthum berühren wir schließlich kurz die</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0357]
stellen, weil sie von vielen glaubwürdigen Personen übereinstimmend bezeugt
seien, muß dem Kenner der Orientalen kindlich naiv erscheinen.
Auch die in der Broschüre enthaltene Charakteristik des (seitdem ab¬
berufenen) Maki von Syrien. Raschid Pascha, ist eine wesentlich falsche. Dieser
Beamte gehörte nicht der alttürkischen Partei an, sondern huldigte völlig der
entgegengesetzten Richtung, und war dem entsprechend, wenn ihm auch ein ge¬
wisser Grad von Fanatismus, wie jedem nicht ganz verkommenen Mohamme¬
daner eigen, doch keineswegs ein verfolgungssüchtiger Fanatiker und ein Feind
aller Christen, gegen die er sich vielmehr tolerant zeigte. Auch von seinem
Privatleben läßt sich weit weniger Uebles sagen, als von dem der Mehrzahl
seiner türkischen Standesgenossen. Seine Pariser Erziehung hat wohl nur
den schlimmen Einfluß auf ihn gehabt, daß er ein Freund des erbärmlichen
französischen Wesens und der französischen Politik geblieben ist. Das hat ihn
aber nicht abgehalten, der (von Württembergern in Syrien begonnenen)
deutschen Colonisation, deren großen Nutzen für das so wenig bebaute und
doch so reich von der Natur gesegnete Land er nicht verkennt, wohlgesinnt
und förderlich zu sein; in dieser Hinsicht ist seine Abberufung sehr zu be¬
dauern, da kaum einer seiner Nachfolger an der Spitze des Vilayets ein der¬
artiges Interesse bethätigen dürfte, — Nicht minder irrt die Broschüre, wenn
sie behauptet, die christliche Bewegung unter den Mohammedanern Syriens
sei von der Secte der „Schadili" ausgegangen. Denn die Schaseli sind recht¬
gläubige, strenge Moslemin: ihre Schule soll schon vor etwa 600 Jahren im
Gebiet von Tunis gegründet worden sein. Dort, und in den Barbaresken-
staaten überhaupt, finden sich auch jetzt noch ihre meisten Anhänger; auch in
Syrien sind dieselben ziemlich zahlreich, vorzugsweise in Damaskus und in
Ober-Galiläa, Glaubwürdiger Nachrichten zufolge gehört auch der bekannte
Vertheidiger des Islam in Nordafrika, der Heros der Moghrebiner, Emir
Abd el-Kabir, der Schule an, und es ist dieser Umstand ganz besonders ge¬
eignet, die vorhin ausgesprochene Ansicht über den Charakter dieser Schule
zu bestätigen. Die schwärmerischen Anhänger des Propheten kann man christ¬
licher Neigungen gewiß nicht zeihen. Allerdings hat er — was in der
Broschüre, wohl irrthümlich, von einem gewissen Abd el-Karien Mälar er¬
zählt wird — während der Christenmetzeleien zu Damaskus (wo er noch heute
lebt) im Jahre 1860 manche Christen, die sich in sein Haus flüchteten, ge¬
rettet, allein er hat damit lediglich ein Gebot seiner Religion und der Sitte
seines Stammes befolgt, indem er das ihm heilige Gastrecht wahrte. Wenn
in der Broschüre dem Emir Abd el-Kabir bei der Verfolgung der Schaseli
eine besondere Rolle zugetheilt wird, so muß eine Verwechselung vorliegen.
Als indirekten Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der angeblichen Ueber¬
tritte zum römisch-katholischen Christenthum berühren wir schließlich kurz die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/357>, abgerufen am 02.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.