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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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wahrscheinliche Lebensdauer eines 30 Jahre alten Zuchthausgefangenen ist
gleich derjenigen eines 66 jährigen freien Menschen.

Die Sterblichkeitsziffer ist in verschiedenen Gefängnissen eine verschiedene
und erreicht in einigen eine auffallende Größe. Sie betrug z. B. nach
Parchappe*), in den französischen Strafanstalten in dem Zeitraum von
1836 bis 1849 durchschnittlich 74 - 4 pro mille, in dem Zeitraum von
18S0 bis 1855 62'8 pro mitis, im Jahre 1858 61--8 und 1859 55-0 pro
mitis. In den einzelnen bayrischen Strafanstalten starben in München in
dem Zeitraum von 1834 bis 1848 jährlich 122, in Schwabach in dem
Zeitraum von 1838 bis 1839 jährlich 141 von 1000 Gefangenen. In Leopold¬
stadt (Wien) starben von 8 bis 900 Gefangenen 56 im Jahre 1863, 137 im
Jahre 1864, 143 im Jahre 1865; in Jllava von-550 bis 600 Gefangenen
77 im Jahre 1864, 61 im Jahre 1865.**) In Rücksicht auf das Alter der
Gefangenen werden wir die Sterblichkeit in Gefängnissen, welche als eine sehr
geringe gerühmt wird, immer noch hoch genug finden, hierher gehört z. B.
Belgien mit einer Sterblichkeit von 12 bis 37 pro mille (1851 bis 1860);
das Königreich Sachsen mit 18 pro initio, Zuchthaus Waldheim mit 36 pro
initio (1840 bis 1863) Baden mit 33 pro initio (1850 bis 1853); das ehe¬
malige Königreich Hannover mit 10'2 bis 26'4 pro mitis (1853 bis 1863).

Die verschiedene Größe der Sterblichkeitsziffer in den verschiedenen Ge¬
fängnissen leitet auf die Erwägung hin, daß dieselben nicht in gleichem Maaße
gesundheitsgefährlich seien, und daß in den eine höhere Sterblichkeitsziffer
darbietenden Gefängnissen Schädlichkeiten obwalten, welche nicht nothwendig
mit der Haft an sich zusammenhängen, sondern durch örtliche Verhältnisse be¬
dingt sind. Diese Erwägung liegt um so näher, als auch die Zahl der La-
zarethkranken in den verschiedenen Gefängnissen eine verhältnißmäßig ver¬
schieden große ist. In den einzelnen preußischen Gefängnissen z. B. differirte
im Jahre 1869 der Procentsatz der Lazarethkranken bei den Männern zwischen
(1-03 Naugard) und 8-09 (Herford), bei den Weibern zwischen 1-06 (Eber-
bach) und 20-00 (Arresthaus Simmern), -- und zwar innerhalb der Kategorie
der Zuchthausgefangenen bei den Männern zwischen 1-03 (Naugard) 8-26
(Herford), bei den Weibern zwischen 1 - 84 (Sagan) und 10 - 53 (Herford).**')

Es ist eine berechtigte Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege an
die Gefängnisse, daß solche zufällige Nachtheile für die Gesundheit, welche nicht
mit der Haft an sich verbunden, sondern durch örtliche Verhältnisse bedingt
sind, erforscht und beseitigt werden. Die mit der Haft an sich nothwendiger





-) Engel I. <!. 1865, S. 127.
'-) Das Gefangnißwescn in Ungarn. Mg. deutsche Strafrechtszcitung 1867, S. -182.
Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf- und Ge-
fangen.Unstalten für das Jahr 18<>". Berlin 1871, S. 18,

wahrscheinliche Lebensdauer eines 30 Jahre alten Zuchthausgefangenen ist
gleich derjenigen eines 66 jährigen freien Menschen.

Die Sterblichkeitsziffer ist in verschiedenen Gefängnissen eine verschiedene
und erreicht in einigen eine auffallende Größe. Sie betrug z. B. nach
Parchappe*), in den französischen Strafanstalten in dem Zeitraum von
1836 bis 1849 durchschnittlich 74 - 4 pro mille, in dem Zeitraum von
18S0 bis 1855 62'8 pro mitis, im Jahre 1858 61--8 und 1859 55-0 pro
mitis. In den einzelnen bayrischen Strafanstalten starben in München in
dem Zeitraum von 1834 bis 1848 jährlich 122, in Schwabach in dem
Zeitraum von 1838 bis 1839 jährlich 141 von 1000 Gefangenen. In Leopold¬
stadt (Wien) starben von 8 bis 900 Gefangenen 56 im Jahre 1863, 137 im
Jahre 1864, 143 im Jahre 1865; in Jllava von-550 bis 600 Gefangenen
77 im Jahre 1864, 61 im Jahre 1865.**) In Rücksicht auf das Alter der
Gefangenen werden wir die Sterblichkeit in Gefängnissen, welche als eine sehr
geringe gerühmt wird, immer noch hoch genug finden, hierher gehört z. B.
Belgien mit einer Sterblichkeit von 12 bis 37 pro mille (1851 bis 1860);
das Königreich Sachsen mit 18 pro initio, Zuchthaus Waldheim mit 36 pro
initio (1840 bis 1863) Baden mit 33 pro initio (1850 bis 1853); das ehe¬
malige Königreich Hannover mit 10'2 bis 26'4 pro mitis (1853 bis 1863).

Die verschiedene Größe der Sterblichkeitsziffer in den verschiedenen Ge¬
fängnissen leitet auf die Erwägung hin, daß dieselben nicht in gleichem Maaße
gesundheitsgefährlich seien, und daß in den eine höhere Sterblichkeitsziffer
darbietenden Gefängnissen Schädlichkeiten obwalten, welche nicht nothwendig
mit der Haft an sich zusammenhängen, sondern durch örtliche Verhältnisse be¬
dingt sind. Diese Erwägung liegt um so näher, als auch die Zahl der La-
zarethkranken in den verschiedenen Gefängnissen eine verhältnißmäßig ver¬
schieden große ist. In den einzelnen preußischen Gefängnissen z. B. differirte
im Jahre 1869 der Procentsatz der Lazarethkranken bei den Männern zwischen
(1-03 Naugard) und 8-09 (Herford), bei den Weibern zwischen 1-06 (Eber-
bach) und 20-00 (Arresthaus Simmern), — und zwar innerhalb der Kategorie
der Zuchthausgefangenen bei den Männern zwischen 1-03 (Naugard) 8-26
(Herford), bei den Weibern zwischen 1 - 84 (Sagan) und 10 - 53 (Herford).**')

Es ist eine berechtigte Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege an
die Gefängnisse, daß solche zufällige Nachtheile für die Gesundheit, welche nicht
mit der Haft an sich verbunden, sondern durch örtliche Verhältnisse bedingt
sind, erforscht und beseitigt werden. Die mit der Haft an sich nothwendiger





-) Engel I. <!. 1865, S. 127.
'-) Das Gefangnißwescn in Ungarn. Mg. deutsche Strafrechtszcitung 1867, S. -182.
Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf- und Ge-
fangen.Unstalten für das Jahr 18<>». Berlin 1871, S. 18,
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[0296] wahrscheinliche Lebensdauer eines 30 Jahre alten Zuchthausgefangenen ist gleich derjenigen eines 66 jährigen freien Menschen. Die Sterblichkeitsziffer ist in verschiedenen Gefängnissen eine verschiedene und erreicht in einigen eine auffallende Größe. Sie betrug z. B. nach Parchappe*), in den französischen Strafanstalten in dem Zeitraum von 1836 bis 1849 durchschnittlich 74 - 4 pro mille, in dem Zeitraum von 18S0 bis 1855 62'8 pro mitis, im Jahre 1858 61--8 und 1859 55-0 pro mitis. In den einzelnen bayrischen Strafanstalten starben in München in dem Zeitraum von 1834 bis 1848 jährlich 122, in Schwabach in dem Zeitraum von 1838 bis 1839 jährlich 141 von 1000 Gefangenen. In Leopold¬ stadt (Wien) starben von 8 bis 900 Gefangenen 56 im Jahre 1863, 137 im Jahre 1864, 143 im Jahre 1865; in Jllava von-550 bis 600 Gefangenen 77 im Jahre 1864, 61 im Jahre 1865.**) In Rücksicht auf das Alter der Gefangenen werden wir die Sterblichkeit in Gefängnissen, welche als eine sehr geringe gerühmt wird, immer noch hoch genug finden, hierher gehört z. B. Belgien mit einer Sterblichkeit von 12 bis 37 pro mille (1851 bis 1860); das Königreich Sachsen mit 18 pro initio, Zuchthaus Waldheim mit 36 pro initio (1840 bis 1863) Baden mit 33 pro initio (1850 bis 1853); das ehe¬ malige Königreich Hannover mit 10'2 bis 26'4 pro mitis (1853 bis 1863). Die verschiedene Größe der Sterblichkeitsziffer in den verschiedenen Ge¬ fängnissen leitet auf die Erwägung hin, daß dieselben nicht in gleichem Maaße gesundheitsgefährlich seien, und daß in den eine höhere Sterblichkeitsziffer darbietenden Gefängnissen Schädlichkeiten obwalten, welche nicht nothwendig mit der Haft an sich zusammenhängen, sondern durch örtliche Verhältnisse be¬ dingt sind. Diese Erwägung liegt um so näher, als auch die Zahl der La- zarethkranken in den verschiedenen Gefängnissen eine verhältnißmäßig ver¬ schieden große ist. In den einzelnen preußischen Gefängnissen z. B. differirte im Jahre 1869 der Procentsatz der Lazarethkranken bei den Männern zwischen (1-03 Naugard) und 8-09 (Herford), bei den Weibern zwischen 1-06 (Eber- bach) und 20-00 (Arresthaus Simmern), — und zwar innerhalb der Kategorie der Zuchthausgefangenen bei den Männern zwischen 1-03 (Naugard) 8-26 (Herford), bei den Weibern zwischen 1 - 84 (Sagan) und 10 - 53 (Herford).**') Es ist eine berechtigte Forderung der öffentlichen Gesundheitspflege an die Gefängnisse, daß solche zufällige Nachtheile für die Gesundheit, welche nicht mit der Haft an sich verbunden, sondern durch örtliche Verhältnisse bedingt sind, erforscht und beseitigt werden. Die mit der Haft an sich nothwendiger -) Engel I. <!. 1865, S. 127. '-) Das Gefangnißwescn in Ungarn. Mg. deutsche Strafrechtszcitung 1867, S. -182. Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf- und Ge- fangen.Unstalten für das Jahr 18<>». Berlin 1871, S. 18,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/296>, abgerufen am 22.07.2024.