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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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trug bei ihnen 25 - 58 pCt., und mehr als 16 pCt. hatten an Körpergewicht
verloren, während von allen Sträflingen überhaupt nur Is pCt. durch die Strafe
angegriffen waren; bei den Sträflingen im Alter von 20 bis 26 Jahren betrug
die Procentzahl der Angegriffen 1ö,73; 44.58 Procent hatten an Körperge¬
wicht verloren. Diese Mittheilung von Brunn muß um so bedeutsamer
erscheinen, als aus seinen Erhebungen") hervorgeht, daß die Sterblichkeit in
den dänischen Strafanstalten im Vergleiche mit anderen eine sehr geringe
war und z. B. von dem Jahre 1863 bis zum Jahre 1868 für die männlichen
Sträflinge nur 2 -16 pCt., für die weiblichen 2' 87 pCt. betrug.

Wenn wir auch Gefangene finden, welche dem gesundheitsschädlichen Ein¬
flüsse der Haft lange Zeit widerstehen, können wir dennoch constatiren, daß
selbst in solchen Gefängnissen, in denen die Gesundheitsverhältnisse sich vor¬
zugsweise günstig gestalten, die Lebensdauer der Gefangenen eine viel kürzere
ist als die Lebensdauer der in gleichem Lebensalter stehenden Nichtgefangenen.
So ersehen wir z. B. aus den Untersuchungen von Engel,") daß in allen 8
alten preußischen Provinzen, ungeachtet aller Sorgfalt und Pflege, in den
Jahren 1858 bis 1863 die Zahl der natürlichen Todesfälle unter 1000 Ge¬
fangenen jährlich 31'6 im Durchschnitt betrug. Diese Sterblichkeitsziffer von
31-6 auf 1000 werden wir zu würdigen wissen, wenn wir erwägen, daß sie
bei Menschen, deren durchschnittliches Alter höchstens 35 bis 36 Jahre be¬
trug, beobachtet wurde, während in diesem Alter sonst 10 von 100 sterben,
die Sterblichkeitsziffer 316 pro mitis aber dem Lebensalter von 58 bis 59
Jahren zukommt. Chassinat,^) welcher in dem Auftrage der französischen
Regierung die Sterblichkeit in den französischen Gefängnissen von 1822 bis
1837 untersucht und die gefundenen Sterbeziffern mit den Sterbeziffern der¬
selben Altersklasse in der freien Bevölkerung verglichen hat, kommt zu dem
Resultate, daß in derselben Zeit und unter demselben Alter von den männ¬
lichen Gefangenen der Strafanstalten tmaiscms centiÄlW) 50 Individuen
sterben, während in den Bagno's 38, und in der freien Gesellschaft unter
denselben Verhältnissen nur 10 sterben. Die wahrscheinliche Lebensdauer wird
in den Bagno's bei den Gefangenen mittleren Lebensalters um 32 bis 33 und
in den Zuchthäusern um ungefähr 36 Lebensjahre verkürzt; ein Sträfling
in den Bagno's im Alter von 30 Jahren hat dieselbe wahrscheinliche Lebens¬
dauer wie ein 62 bis 63jähriges Individuum in der freien Gesellschaft, die





") i. v. S. K24.
") Engel- Die Frequenz der Strafanstalten für Zuchthaussträflinge in der preußischen
Monarchie während der Jahre 1858 bis mit 1863. Zeitschrift des königl. Muß. statistischen
Bureaus 18V4, S. 283.
""") VIi!i,WMÄ.t, Nwcws sur w morwlitl; ü-tu" Jos daz>'lo" ot "t.^us 1"n mai"in>s vontiale"
A" tarov ot alö oorrvvtion ot>'" ?"ri" 1814, p. 128. -- Naor l. ".

trug bei ihnen 25 - 58 pCt., und mehr als 16 pCt. hatten an Körpergewicht
verloren, während von allen Sträflingen überhaupt nur Is pCt. durch die Strafe
angegriffen waren; bei den Sträflingen im Alter von 20 bis 26 Jahren betrug
die Procentzahl der Angegriffen 1ö,73; 44.58 Procent hatten an Körperge¬
wicht verloren. Diese Mittheilung von Brunn muß um so bedeutsamer
erscheinen, als aus seinen Erhebungen") hervorgeht, daß die Sterblichkeit in
den dänischen Strafanstalten im Vergleiche mit anderen eine sehr geringe
war und z. B. von dem Jahre 1863 bis zum Jahre 1868 für die männlichen
Sträflinge nur 2 -16 pCt., für die weiblichen 2' 87 pCt. betrug.

Wenn wir auch Gefangene finden, welche dem gesundheitsschädlichen Ein¬
flüsse der Haft lange Zeit widerstehen, können wir dennoch constatiren, daß
selbst in solchen Gefängnissen, in denen die Gesundheitsverhältnisse sich vor¬
zugsweise günstig gestalten, die Lebensdauer der Gefangenen eine viel kürzere
ist als die Lebensdauer der in gleichem Lebensalter stehenden Nichtgefangenen.
So ersehen wir z. B. aus den Untersuchungen von Engel,") daß in allen 8
alten preußischen Provinzen, ungeachtet aller Sorgfalt und Pflege, in den
Jahren 1858 bis 1863 die Zahl der natürlichen Todesfälle unter 1000 Ge¬
fangenen jährlich 31'6 im Durchschnitt betrug. Diese Sterblichkeitsziffer von
31-6 auf 1000 werden wir zu würdigen wissen, wenn wir erwägen, daß sie
bei Menschen, deren durchschnittliches Alter höchstens 35 bis 36 Jahre be¬
trug, beobachtet wurde, während in diesem Alter sonst 10 von 100 sterben,
die Sterblichkeitsziffer 316 pro mitis aber dem Lebensalter von 58 bis 59
Jahren zukommt. Chassinat,^) welcher in dem Auftrage der französischen
Regierung die Sterblichkeit in den französischen Gefängnissen von 1822 bis
1837 untersucht und die gefundenen Sterbeziffern mit den Sterbeziffern der¬
selben Altersklasse in der freien Bevölkerung verglichen hat, kommt zu dem
Resultate, daß in derselben Zeit und unter demselben Alter von den männ¬
lichen Gefangenen der Strafanstalten tmaiscms centiÄlW) 50 Individuen
sterben, während in den Bagno's 38, und in der freien Gesellschaft unter
denselben Verhältnissen nur 10 sterben. Die wahrscheinliche Lebensdauer wird
in den Bagno's bei den Gefangenen mittleren Lebensalters um 32 bis 33 und
in den Zuchthäusern um ungefähr 36 Lebensjahre verkürzt; ein Sträfling
in den Bagno's im Alter von 30 Jahren hat dieselbe wahrscheinliche Lebens¬
dauer wie ein 62 bis 63jähriges Individuum in der freien Gesellschaft, die





") i. v. S. K24.
") Engel- Die Frequenz der Strafanstalten für Zuchthaussträflinge in der preußischen
Monarchie während der Jahre 1858 bis mit 1863. Zeitschrift des königl. Muß. statistischen
Bureaus 18V4, S. 283.
""") VIi!i,WMÄ.t, Nwcws sur w morwlitl; ü-tu» Jos daz>'lo» ot «t.^us 1«n mai»in>s vontiale»
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[0295] trug bei ihnen 25 - 58 pCt., und mehr als 16 pCt. hatten an Körpergewicht verloren, während von allen Sträflingen überhaupt nur Is pCt. durch die Strafe angegriffen waren; bei den Sträflingen im Alter von 20 bis 26 Jahren betrug die Procentzahl der Angegriffen 1ö,73; 44.58 Procent hatten an Körperge¬ wicht verloren. Diese Mittheilung von Brunn muß um so bedeutsamer erscheinen, als aus seinen Erhebungen") hervorgeht, daß die Sterblichkeit in den dänischen Strafanstalten im Vergleiche mit anderen eine sehr geringe war und z. B. von dem Jahre 1863 bis zum Jahre 1868 für die männlichen Sträflinge nur 2 -16 pCt., für die weiblichen 2' 87 pCt. betrug. Wenn wir auch Gefangene finden, welche dem gesundheitsschädlichen Ein¬ flüsse der Haft lange Zeit widerstehen, können wir dennoch constatiren, daß selbst in solchen Gefängnissen, in denen die Gesundheitsverhältnisse sich vor¬ zugsweise günstig gestalten, die Lebensdauer der Gefangenen eine viel kürzere ist als die Lebensdauer der in gleichem Lebensalter stehenden Nichtgefangenen. So ersehen wir z. B. aus den Untersuchungen von Engel,") daß in allen 8 alten preußischen Provinzen, ungeachtet aller Sorgfalt und Pflege, in den Jahren 1858 bis 1863 die Zahl der natürlichen Todesfälle unter 1000 Ge¬ fangenen jährlich 31'6 im Durchschnitt betrug. Diese Sterblichkeitsziffer von 31-6 auf 1000 werden wir zu würdigen wissen, wenn wir erwägen, daß sie bei Menschen, deren durchschnittliches Alter höchstens 35 bis 36 Jahre be¬ trug, beobachtet wurde, während in diesem Alter sonst 10 von 100 sterben, die Sterblichkeitsziffer 316 pro mitis aber dem Lebensalter von 58 bis 59 Jahren zukommt. Chassinat,^) welcher in dem Auftrage der französischen Regierung die Sterblichkeit in den französischen Gefängnissen von 1822 bis 1837 untersucht und die gefundenen Sterbeziffern mit den Sterbeziffern der¬ selben Altersklasse in der freien Bevölkerung verglichen hat, kommt zu dem Resultate, daß in derselben Zeit und unter demselben Alter von den männ¬ lichen Gefangenen der Strafanstalten tmaiscms centiÄlW) 50 Individuen sterben, während in den Bagno's 38, und in der freien Gesellschaft unter denselben Verhältnissen nur 10 sterben. Die wahrscheinliche Lebensdauer wird in den Bagno's bei den Gefangenen mittleren Lebensalters um 32 bis 33 und in den Zuchthäusern um ungefähr 36 Lebensjahre verkürzt; ein Sträfling in den Bagno's im Alter von 30 Jahren hat dieselbe wahrscheinliche Lebens¬ dauer wie ein 62 bis 63jähriges Individuum in der freien Gesellschaft, die ") i. v. S. K24. ") Engel- Die Frequenz der Strafanstalten für Zuchthaussträflinge in der preußischen Monarchie während der Jahre 1858 bis mit 1863. Zeitschrift des königl. Muß. statistischen Bureaus 18V4, S. 283. """) VIi!i,WMÄ.t, Nwcws sur w morwlitl; ü-tu» Jos daz>'lo» ot «t.^us 1«n mai»in>s vontiale» A« tarov ot alö oorrvvtion ot>'„ ?»ri» 1814, p. 128. — Naor l. «.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/295>, abgerufen am 24.08.2024.