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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Weise verbundenen, von mir bereits angedeuteten Nachtheile für die Gesund¬
heit lassen sich nicht verhüten, -- eine Abschwächung dieser Nachtheile ist das
Einzige, was sich erreichen läßt. Aber eben deshalb, weil eine solche Ab-
fchwcichung möglich ist, muß sie von der öffentlichen Gesundheitspflege eifrig
angestrebt werden.

Das Streben der öffentlichen Gesundheitspflege, die zufälligen Nachtheile
für die Gesundheit in den Gefängnissen zu beseitigen oder zu verhüten, und
die unvermeidlichen Nachtheile abzuschwächen, wird dann sein Ziel erreichen,
wenn die Gefängnißverwaltung unablässig diejenige Leistung im Auge behält,
die ick^ als den Gesammtinhalt der Ansprüche der öffentlichen Gesundheitspflege
an die Gefängnisse bezeichnet habe, nämlich die Vorbereitung,, welche es den
aus der Haft Entlassener ermöglichen soll, durch ehrlichen Erwerb in gesund¬
heitsgemäße Verhältnisse zu gelangen.

Wenn jene Vorbereitung gelingen soll, müssen ihr die Luft, die
Beköstigung, die Behandlung (Erziehung, Unterricht), die
Krankenpflege, das Haftsystem und das Beamtenpersonal in
dem Gefängnisse entsprechen.

Eine eingehende Erörterung der Ansprüche an die Luft in den Gefäng¬
nissen glaube ich mir hier versagen zu müssen, da jene Ansprüche im Allge¬
meinen mit den bekannten Ansprüchen an die Luft in dicht bewohnten Räumen
übereinstimmen. Nur den Umstand möchte ich hervorheben, daß eine gesund¬
heitswidrige Beschaffenheit der Luft in dem Gefängnisse um so nachtheiligere
Folgen deshalb nach sich zieht, weil aus verschiedenen Ursachen bei den Ge¬
fangenen die Widerstandskraft gegen Schädlichkeiten geschwächt ist. Dieser
Umstand erheischt eine gesteigerte Fürsorge für die Erhaltung der gesund¬
heitsgemäßen Beschaffenheit der Luft in dem Gefängnisse; dieser Fürsorge
müssen insbesondere auch die Verhütung von Feuchtigkeit, die Beobachtung
der Reinlichkeit, die Rücksicht auf genügende Räumlichkeit und Ventilation
entsprechen. -- Das Vorkommen von Rheumatismus, Gelenkkrankheiten und
Wechselfieber ist eine eben so schädliche als häufige Folge von Feuchtigkeit in
den Gefängnissen, namentlich in den Kasematten und in solchen Gefängnissen
die an einem wasserführenden Graben oder auf sumpfigem Boden sich befinden.
Welchen Nutzen in einem solchen Falle die Trockenlegung gewähren kann,
hat z. B. das Gefängniß zu Se. Gallen gezeigt: in dieser für 108 Gefangene
bestimmten im Jahre 1828 errichteten Anstalt hatte die niedrige und feuchte
Lage in den ersten Jahren eine Sterblichkeit von 7 pCt. zur Folge, nach der
gelungenen Austrocknung hingegen hatte die Anstalt im Jahre 1842 nur
1 Todesfall auszuweisend) Ein anderes Beispiel liefert die Strafanstalt in



-) v. Würth: Die neuesten Fortschritte des Gefiingnißwescns. Wien 1844, S, 21 v.
Grenzrwten 17. 1872.

Weise verbundenen, von mir bereits angedeuteten Nachtheile für die Gesund¬
heit lassen sich nicht verhüten, — eine Abschwächung dieser Nachtheile ist das
Einzige, was sich erreichen läßt. Aber eben deshalb, weil eine solche Ab-
fchwcichung möglich ist, muß sie von der öffentlichen Gesundheitspflege eifrig
angestrebt werden.

Das Streben der öffentlichen Gesundheitspflege, die zufälligen Nachtheile
für die Gesundheit in den Gefängnissen zu beseitigen oder zu verhüten, und
die unvermeidlichen Nachtheile abzuschwächen, wird dann sein Ziel erreichen,
wenn die Gefängnißverwaltung unablässig diejenige Leistung im Auge behält,
die ick^ als den Gesammtinhalt der Ansprüche der öffentlichen Gesundheitspflege
an die Gefängnisse bezeichnet habe, nämlich die Vorbereitung,, welche es den
aus der Haft Entlassener ermöglichen soll, durch ehrlichen Erwerb in gesund¬
heitsgemäße Verhältnisse zu gelangen.

Wenn jene Vorbereitung gelingen soll, müssen ihr die Luft, die
Beköstigung, die Behandlung (Erziehung, Unterricht), die
Krankenpflege, das Haftsystem und das Beamtenpersonal in
dem Gefängnisse entsprechen.

Eine eingehende Erörterung der Ansprüche an die Luft in den Gefäng¬
nissen glaube ich mir hier versagen zu müssen, da jene Ansprüche im Allge¬
meinen mit den bekannten Ansprüchen an die Luft in dicht bewohnten Räumen
übereinstimmen. Nur den Umstand möchte ich hervorheben, daß eine gesund¬
heitswidrige Beschaffenheit der Luft in dem Gefängnisse um so nachtheiligere
Folgen deshalb nach sich zieht, weil aus verschiedenen Ursachen bei den Ge¬
fangenen die Widerstandskraft gegen Schädlichkeiten geschwächt ist. Dieser
Umstand erheischt eine gesteigerte Fürsorge für die Erhaltung der gesund¬
heitsgemäßen Beschaffenheit der Luft in dem Gefängnisse; dieser Fürsorge
müssen insbesondere auch die Verhütung von Feuchtigkeit, die Beobachtung
der Reinlichkeit, die Rücksicht auf genügende Räumlichkeit und Ventilation
entsprechen. — Das Vorkommen von Rheumatismus, Gelenkkrankheiten und
Wechselfieber ist eine eben so schädliche als häufige Folge von Feuchtigkeit in
den Gefängnissen, namentlich in den Kasematten und in solchen Gefängnissen
die an einem wasserführenden Graben oder auf sumpfigem Boden sich befinden.
Welchen Nutzen in einem solchen Falle die Trockenlegung gewähren kann,
hat z. B. das Gefängniß zu Se. Gallen gezeigt: in dieser für 108 Gefangene
bestimmten im Jahre 1828 errichteten Anstalt hatte die niedrige und feuchte
Lage in den ersten Jahren eine Sterblichkeit von 7 pCt. zur Folge, nach der
gelungenen Austrocknung hingegen hatte die Anstalt im Jahre 1842 nur
1 Todesfall auszuweisend) Ein anderes Beispiel liefert die Strafanstalt in



-) v. Würth: Die neuesten Fortschritte des Gefiingnißwescns. Wien 1844, S, 21 v.
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[0297] Weise verbundenen, von mir bereits angedeuteten Nachtheile für die Gesund¬ heit lassen sich nicht verhüten, — eine Abschwächung dieser Nachtheile ist das Einzige, was sich erreichen läßt. Aber eben deshalb, weil eine solche Ab- fchwcichung möglich ist, muß sie von der öffentlichen Gesundheitspflege eifrig angestrebt werden. Das Streben der öffentlichen Gesundheitspflege, die zufälligen Nachtheile für die Gesundheit in den Gefängnissen zu beseitigen oder zu verhüten, und die unvermeidlichen Nachtheile abzuschwächen, wird dann sein Ziel erreichen, wenn die Gefängnißverwaltung unablässig diejenige Leistung im Auge behält, die ick^ als den Gesammtinhalt der Ansprüche der öffentlichen Gesundheitspflege an die Gefängnisse bezeichnet habe, nämlich die Vorbereitung,, welche es den aus der Haft Entlassener ermöglichen soll, durch ehrlichen Erwerb in gesund¬ heitsgemäße Verhältnisse zu gelangen. Wenn jene Vorbereitung gelingen soll, müssen ihr die Luft, die Beköstigung, die Behandlung (Erziehung, Unterricht), die Krankenpflege, das Haftsystem und das Beamtenpersonal in dem Gefängnisse entsprechen. Eine eingehende Erörterung der Ansprüche an die Luft in den Gefäng¬ nissen glaube ich mir hier versagen zu müssen, da jene Ansprüche im Allge¬ meinen mit den bekannten Ansprüchen an die Luft in dicht bewohnten Räumen übereinstimmen. Nur den Umstand möchte ich hervorheben, daß eine gesund¬ heitswidrige Beschaffenheit der Luft in dem Gefängnisse um so nachtheiligere Folgen deshalb nach sich zieht, weil aus verschiedenen Ursachen bei den Ge¬ fangenen die Widerstandskraft gegen Schädlichkeiten geschwächt ist. Dieser Umstand erheischt eine gesteigerte Fürsorge für die Erhaltung der gesund¬ heitsgemäßen Beschaffenheit der Luft in dem Gefängnisse; dieser Fürsorge müssen insbesondere auch die Verhütung von Feuchtigkeit, die Beobachtung der Reinlichkeit, die Rücksicht auf genügende Räumlichkeit und Ventilation entsprechen. — Das Vorkommen von Rheumatismus, Gelenkkrankheiten und Wechselfieber ist eine eben so schädliche als häufige Folge von Feuchtigkeit in den Gefängnissen, namentlich in den Kasematten und in solchen Gefängnissen die an einem wasserführenden Graben oder auf sumpfigem Boden sich befinden. Welchen Nutzen in einem solchen Falle die Trockenlegung gewähren kann, hat z. B. das Gefängniß zu Se. Gallen gezeigt: in dieser für 108 Gefangene bestimmten im Jahre 1828 errichteten Anstalt hatte die niedrige und feuchte Lage in den ersten Jahren eine Sterblichkeit von 7 pCt. zur Folge, nach der gelungenen Austrocknung hingegen hatte die Anstalt im Jahre 1842 nur 1 Todesfall auszuweisend) Ein anderes Beispiel liefert die Strafanstalt in -) v. Würth: Die neuesten Fortschritte des Gefiingnißwescns. Wien 1844, S, 21 v. Grenzrwten 17. 1872.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/297>, abgerufen am 22.12.2024.