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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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und 9 Weiber (10'59 Procent)/) Individuen mit ausgesprochenen Krank¬
heitsanlagen und geschwächter Constitution erliegen meist schon während des
ersten Haftjahres; bei denjenigen, welche in dem 2. und 3. Haftjahre ster¬
ben, ist die Erkrankung hauptsächlich eine Folge der Haft.

Auch die Geisteskrankheiten treten am , häufigsten in den ersten beiden
Hastjahren auf. So zeigte sich z. B, in den preußischen Gefängnissen, daß
von 99 Fällen von Geisteserkrankung 61 schon vor Ablauf einer Haft von
2 Jahren, 20 zwischen 2 und 5 Jahren, 18 nach einer längeren als 6jährigen
Haftdauer eintraten.*") In dem Gefängnisse Bruchsal kamen von 100 Fällen
von Geisteserkrankung 10-7 auf das 1. Haftjahr, 29'8 auf das 2. Jahr,
22 - 6 auf das 3. Jahr der Haft u. f. w. In dem Gefängnisse Vroedsloeselille
in Dänemark kamen von 100 Fällen von Geisteserkrankung 10 auf das
1. Halbjahr, 33 auf das 2. Halbjahr, 36-6 auf das 2. Jahr, 11'6 aus das
3. Jahr der Haft u. s. w.^')

In der unter den Motiven des Strafgesehentwurfes für den norddeutschen
Bund geltend gemachten amtlichen Denkschrift: "über die höchste Dauer zei¬
tiger Zuchthausstrafe" 1') sind 64 in der Strafanstalt Halle von Delbrück be¬
obachtete Fälle von Geistesstörung verzeichnet, in denen die letztere in dem
1. Haftjahre bei 34 Gefangenen ausbrach, während zwischen dem 2. und 14.
Haftjahre zusammen nur 31 Gefangene geisteskrank wurden.

Die Widerstandskraft vieler Gefangenen gegen den gesundheitsschädlichen
Einfluß der Gefängnisse ist allerdings groß genug, um selbst eine Haft von
längerer Dauer zu überstehen. Indeß zeigen die von der Statistik gesammel¬
ten Erfahrungen, daß Gefangene, welche zu einer vieliährigen Strafhaft ver¬
urtheilt sind, das rechtzeitige Ende der letzteren verhältnißmäßig selten erleben.
Dies ergiebt sich z. B. aus der oben erwähnten Denkschrift "über die höchste
Dauer zeitiger Zuchthausstrafe". 1"!-) Unter den seit dem Jahre 18S2 in den
Strafanstalten Wartenburg, Rawicz. Breslau, Cöln und Halle detinirten, zu
zeitiger Strafe Beurtheilten waren 446 mit mehr als lOjähriger resp, mit
mehr als ISjähriger urtheilsmäßiger Strafdauer; bis zum Jahre 1869 waren
von jenen 746 bereits 207 (d. h. 27-24 Proc.) vor dem Ablaufe der Straf¬
zeit gestorben, als erst 111 (d. h. 14-78 Proc.) ihre volle Strafe verbüßt
hatten. In dem Zellengefängnisse Bruchsal l"^-) betrug in den Jahren 18S2








Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf,- und Ge-
fangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 19.
") Ebenda S. 2t.
F. Brunn: Ueber die Vollziehung der Strafarbeit u. s. w. Blätter für Gefängniß-
kundc. 1870. Bd. 4, S. 366.
1') Stenographische Berichte über die Verhandlunge" des Reichstags des norddeutschen
Bundes. Session 187". Bd. 3. Berlin 1870. Anlage 4, S. 17.
fil) Ebenda S. 23.
si) a. a. O. S. 3-18.

und 9 Weiber (10'59 Procent)/) Individuen mit ausgesprochenen Krank¬
heitsanlagen und geschwächter Constitution erliegen meist schon während des
ersten Haftjahres; bei denjenigen, welche in dem 2. und 3. Haftjahre ster¬
ben, ist die Erkrankung hauptsächlich eine Folge der Haft.

Auch die Geisteskrankheiten treten am , häufigsten in den ersten beiden
Hastjahren auf. So zeigte sich z. B, in den preußischen Gefängnissen, daß
von 99 Fällen von Geisteserkrankung 61 schon vor Ablauf einer Haft von
2 Jahren, 20 zwischen 2 und 5 Jahren, 18 nach einer längeren als 6jährigen
Haftdauer eintraten.*") In dem Gefängnisse Bruchsal kamen von 100 Fällen
von Geisteserkrankung 10-7 auf das 1. Haftjahr, 29'8 auf das 2. Jahr,
22 - 6 auf das 3. Jahr der Haft u. f. w. In dem Gefängnisse Vroedsloeselille
in Dänemark kamen von 100 Fällen von Geisteserkrankung 10 auf das
1. Halbjahr, 33 auf das 2. Halbjahr, 36-6 auf das 2. Jahr, 11'6 aus das
3. Jahr der Haft u. s. w.^')

In der unter den Motiven des Strafgesehentwurfes für den norddeutschen
Bund geltend gemachten amtlichen Denkschrift: „über die höchste Dauer zei¬
tiger Zuchthausstrafe" 1') sind 64 in der Strafanstalt Halle von Delbrück be¬
obachtete Fälle von Geistesstörung verzeichnet, in denen die letztere in dem
1. Haftjahre bei 34 Gefangenen ausbrach, während zwischen dem 2. und 14.
Haftjahre zusammen nur 31 Gefangene geisteskrank wurden.

Die Widerstandskraft vieler Gefangenen gegen den gesundheitsschädlichen
Einfluß der Gefängnisse ist allerdings groß genug, um selbst eine Haft von
längerer Dauer zu überstehen. Indeß zeigen die von der Statistik gesammel¬
ten Erfahrungen, daß Gefangene, welche zu einer vieliährigen Strafhaft ver¬
urtheilt sind, das rechtzeitige Ende der letzteren verhältnißmäßig selten erleben.
Dies ergiebt sich z. B. aus der oben erwähnten Denkschrift „über die höchste
Dauer zeitiger Zuchthausstrafe". 1"!-) Unter den seit dem Jahre 18S2 in den
Strafanstalten Wartenburg, Rawicz. Breslau, Cöln und Halle detinirten, zu
zeitiger Strafe Beurtheilten waren 446 mit mehr als lOjähriger resp, mit
mehr als ISjähriger urtheilsmäßiger Strafdauer; bis zum Jahre 1869 waren
von jenen 746 bereits 207 (d. h. 27-24 Proc.) vor dem Ablaufe der Straf¬
zeit gestorben, als erst 111 (d. h. 14-78 Proc.) ihre volle Strafe verbüßt
hatten. In dem Zellengefängnisse Bruchsal l"^-) betrug in den Jahren 18S2








Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf,- und Ge-
fangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 19.
") Ebenda S. 2t.
F. Brunn: Ueber die Vollziehung der Strafarbeit u. s. w. Blätter für Gefängniß-
kundc. 1870. Bd. 4, S. 366.
1') Stenographische Berichte über die Verhandlunge» des Reichstags des norddeutschen
Bundes. Session 187». Bd. 3. Berlin 1870. Anlage 4, S. 17.
fil) Ebenda S. 23.
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[0292] und 9 Weiber (10'59 Procent)/) Individuen mit ausgesprochenen Krank¬ heitsanlagen und geschwächter Constitution erliegen meist schon während des ersten Haftjahres; bei denjenigen, welche in dem 2. und 3. Haftjahre ster¬ ben, ist die Erkrankung hauptsächlich eine Folge der Haft. Auch die Geisteskrankheiten treten am , häufigsten in den ersten beiden Hastjahren auf. So zeigte sich z. B, in den preußischen Gefängnissen, daß von 99 Fällen von Geisteserkrankung 61 schon vor Ablauf einer Haft von 2 Jahren, 20 zwischen 2 und 5 Jahren, 18 nach einer längeren als 6jährigen Haftdauer eintraten.*") In dem Gefängnisse Bruchsal kamen von 100 Fällen von Geisteserkrankung 10-7 auf das 1. Haftjahr, 29'8 auf das 2. Jahr, 22 - 6 auf das 3. Jahr der Haft u. f. w. In dem Gefängnisse Vroedsloeselille in Dänemark kamen von 100 Fällen von Geisteserkrankung 10 auf das 1. Halbjahr, 33 auf das 2. Halbjahr, 36-6 auf das 2. Jahr, 11'6 aus das 3. Jahr der Haft u. s. w.^') In der unter den Motiven des Strafgesehentwurfes für den norddeutschen Bund geltend gemachten amtlichen Denkschrift: „über die höchste Dauer zei¬ tiger Zuchthausstrafe" 1') sind 64 in der Strafanstalt Halle von Delbrück be¬ obachtete Fälle von Geistesstörung verzeichnet, in denen die letztere in dem 1. Haftjahre bei 34 Gefangenen ausbrach, während zwischen dem 2. und 14. Haftjahre zusammen nur 31 Gefangene geisteskrank wurden. Die Widerstandskraft vieler Gefangenen gegen den gesundheitsschädlichen Einfluß der Gefängnisse ist allerdings groß genug, um selbst eine Haft von längerer Dauer zu überstehen. Indeß zeigen die von der Statistik gesammel¬ ten Erfahrungen, daß Gefangene, welche zu einer vieliährigen Strafhaft ver¬ urtheilt sind, das rechtzeitige Ende der letzteren verhältnißmäßig selten erleben. Dies ergiebt sich z. B. aus der oben erwähnten Denkschrift „über die höchste Dauer zeitiger Zuchthausstrafe". 1"!-) Unter den seit dem Jahre 18S2 in den Strafanstalten Wartenburg, Rawicz. Breslau, Cöln und Halle detinirten, zu zeitiger Strafe Beurtheilten waren 446 mit mehr als lOjähriger resp, mit mehr als ISjähriger urtheilsmäßiger Strafdauer; bis zum Jahre 1869 waren von jenen 746 bereits 207 (d. h. 27-24 Proc.) vor dem Ablaufe der Straf¬ zeit gestorben, als erst 111 (d. h. 14-78 Proc.) ihre volle Strafe verbüßt hatten. In dem Zellengefängnisse Bruchsal l"^-) betrug in den Jahren 18S2 Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf,- und Ge- fangen-Anstalten für das Jahr 1809. Berlin 1871, S. 19. ") Ebenda S. 2t. F. Brunn: Ueber die Vollziehung der Strafarbeit u. s. w. Blätter für Gefängniß- kundc. 1870. Bd. 4, S. 366. 1') Stenographische Berichte über die Verhandlunge» des Reichstags des norddeutschen Bundes. Session 187». Bd. 3. Berlin 1870. Anlage 4, S. 17. fil) Ebenda S. 23. si) a. a. O. S. 3-18.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/292>, abgerufen am 24.08.2024.