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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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bis 1869 die Sterblichkeit unter den Gefangenen überhaupt 2'5-Proc., unter
den zu mehr als 10jähriger Haft Beurtheilten aber 10 Proc.

Am deutlichsten verräth sich der gesundheitsschädliche Einfluß der Gefäng¬
nisse durch die Thatsache, daß in den ersten 3 Haftjahren die Sterblichkeit
unverhältnißmäßig größer ist als in allen darauf folgenden Haftjahren.
Einige Beispiele mögen dies beweisen. Von 453 Sterbefällen in der Straf¬
anstalt Nawicz sind 324 schon in den ersten 3 Haftjahren eingetreten/) Von
228 während eines Zeitraums von 7 Jahren in der Strafanstalt Brieg Ge¬
storbenen starben 63 in dem 1. Haftjahre, 106 in dem 4., 55 von dem 4.
bis 20. Haftjahre. In Breslau sind von 1852 bis 1868 eines natürlichen
Todes gestorben 973 Gefangene (mit Einschluß der Untersuchungsgefangenen);
es starben hiervon 196 in dem 1. Haftjahre, 206 nach dem 1., 297 nach dem
2., 148 nach dem 3., 126 von dem 4. bis nach dem 23. Haftjahre.**) Füßlin*")
gibt an, daß in dem Männerzuchthause zu Bruchsal von 100 Gefangenen in
dem 1. Haftjahre 4'25, in dem 2. Haftjahre 1'65, von dem 2. bis 5 Haftjahre
1' 64, von dem 5. bis 8. Haftjahre 0 - 62 starben. Nach Marcard ->-) kamen in
den Jahren 1861 und 1862 in hannöverschen Strafanstalten 74 Todesfälle
vor; es starben 37 nach 1 jährigem Aufenthalte in der Anstalt, 12 nach
2 jährigem, 3 nach 3jährigem u. s. w. 60 Todesfälle kamen auf die ersten
6 Jahre, 14 auf die nachfolgenden 15 Jahre. Von 426 in Naugard ge¬
storbenen Sträflingen 1"!') starben im 1 Haftjahre 99, im 2. -112, im 3. - 77,
im 4. - 36, im 5. - 29, in den folgenden Haftjahren bis über das zehnte hin¬
aus zusammen 63. Unter den eines natürlichen Todes in den preußischen
Gefängnissen im Jahre 1869 gestorbenen Männern und Weibern betrug die
Haftdauer bis zu dem Todestage:

weniger als V2 Jahr bei 19-56 pCt. M. und 12-94 pCt. W.,
bis 1 Jahr bei 13'16 pCt. M. und 10-59 pCt. W.,
über 1 bis 2 Jahre bei 24-13 pCt. M. und 36-47 pCt. W.,
über 3 bis 5 Jahre bei 14-81 pCt. M. und 14-12 pCt. W..
über 5 bis 10 Jahre bei 9-69 pCt. M. und 8-24 pCt. W.,
über 10 bis 20 Jahre bei 4-20 pCt. M. und 4'71 pCt. W..
über 20 Jahre bei 0-55 pCt. M. und 0 W.et-1-)

Es wird hiernach einleuchten, wie sehr die öffentliche Gesundheitspflege








") a. a. O. S. 9.
") a. c>. O. S. l>.
Fnßlin: Die Einzelhaft u. s. w. Heidelberg 18b5, S. 242.
5) Th. Marcard: Beiträge zur Gesängnißtunde. Celle 18K4, S. 58.
11) Baer a. n. O. S. 31.
1"I">-) Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf" und Ge-
fangen-Anstalten für das Jahr 1860. Berlin 1871, S. 20.

bis 1869 die Sterblichkeit unter den Gefangenen überhaupt 2'5-Proc., unter
den zu mehr als 10jähriger Haft Beurtheilten aber 10 Proc.

Am deutlichsten verräth sich der gesundheitsschädliche Einfluß der Gefäng¬
nisse durch die Thatsache, daß in den ersten 3 Haftjahren die Sterblichkeit
unverhältnißmäßig größer ist als in allen darauf folgenden Haftjahren.
Einige Beispiele mögen dies beweisen. Von 453 Sterbefällen in der Straf¬
anstalt Nawicz sind 324 schon in den ersten 3 Haftjahren eingetreten/) Von
228 während eines Zeitraums von 7 Jahren in der Strafanstalt Brieg Ge¬
storbenen starben 63 in dem 1. Haftjahre, 106 in dem 4., 55 von dem 4.
bis 20. Haftjahre. In Breslau sind von 1852 bis 1868 eines natürlichen
Todes gestorben 973 Gefangene (mit Einschluß der Untersuchungsgefangenen);
es starben hiervon 196 in dem 1. Haftjahre, 206 nach dem 1., 297 nach dem
2., 148 nach dem 3., 126 von dem 4. bis nach dem 23. Haftjahre.**) Füßlin*")
gibt an, daß in dem Männerzuchthause zu Bruchsal von 100 Gefangenen in
dem 1. Haftjahre 4'25, in dem 2. Haftjahre 1'65, von dem 2. bis 5 Haftjahre
1' 64, von dem 5. bis 8. Haftjahre 0 - 62 starben. Nach Marcard ->-) kamen in
den Jahren 1861 und 1862 in hannöverschen Strafanstalten 74 Todesfälle
vor; es starben 37 nach 1 jährigem Aufenthalte in der Anstalt, 12 nach
2 jährigem, 3 nach 3jährigem u. s. w. 60 Todesfälle kamen auf die ersten
6 Jahre, 14 auf die nachfolgenden 15 Jahre. Von 426 in Naugard ge¬
storbenen Sträflingen 1"!') starben im 1 Haftjahre 99, im 2. -112, im 3. - 77,
im 4. - 36, im 5. - 29, in den folgenden Haftjahren bis über das zehnte hin¬
aus zusammen 63. Unter den eines natürlichen Todes in den preußischen
Gefängnissen im Jahre 1869 gestorbenen Männern und Weibern betrug die
Haftdauer bis zu dem Todestage:

weniger als V2 Jahr bei 19-56 pCt. M. und 12-94 pCt. W.,
bis 1 Jahr bei 13'16 pCt. M. und 10-59 pCt. W.,
über 1 bis 2 Jahre bei 24-13 pCt. M. und 36-47 pCt. W.,
über 3 bis 5 Jahre bei 14-81 pCt. M. und 14-12 pCt. W..
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über 10 bis 20 Jahre bei 4-20 pCt. M. und 4'71 pCt. W..
über 20 Jahre bei 0-55 pCt. M. und 0 W.et-1-)

Es wird hiernach einleuchten, wie sehr die öffentliche Gesundheitspflege








") a. a. O. S. 9.
") a. c>. O. S. l>.
Fnßlin: Die Einzelhaft u. s. w. Heidelberg 18b5, S. 242.
5) Th. Marcard: Beiträge zur Gesängnißtunde. Celle 18K4, S. 58.
11) Baer a. n. O. S. 31.
1"I">-) Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf« und Ge-
fangen-Anstalten für das Jahr 1860. Berlin 1871, S. 20.
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[0293] bis 1869 die Sterblichkeit unter den Gefangenen überhaupt 2'5-Proc., unter den zu mehr als 10jähriger Haft Beurtheilten aber 10 Proc. Am deutlichsten verräth sich der gesundheitsschädliche Einfluß der Gefäng¬ nisse durch die Thatsache, daß in den ersten 3 Haftjahren die Sterblichkeit unverhältnißmäßig größer ist als in allen darauf folgenden Haftjahren. Einige Beispiele mögen dies beweisen. Von 453 Sterbefällen in der Straf¬ anstalt Nawicz sind 324 schon in den ersten 3 Haftjahren eingetreten/) Von 228 während eines Zeitraums von 7 Jahren in der Strafanstalt Brieg Ge¬ storbenen starben 63 in dem 1. Haftjahre, 106 in dem 4., 55 von dem 4. bis 20. Haftjahre. In Breslau sind von 1852 bis 1868 eines natürlichen Todes gestorben 973 Gefangene (mit Einschluß der Untersuchungsgefangenen); es starben hiervon 196 in dem 1. Haftjahre, 206 nach dem 1., 297 nach dem 2., 148 nach dem 3., 126 von dem 4. bis nach dem 23. Haftjahre.**) Füßlin*") gibt an, daß in dem Männerzuchthause zu Bruchsal von 100 Gefangenen in dem 1. Haftjahre 4'25, in dem 2. Haftjahre 1'65, von dem 2. bis 5 Haftjahre 1' 64, von dem 5. bis 8. Haftjahre 0 - 62 starben. Nach Marcard ->-) kamen in den Jahren 1861 und 1862 in hannöverschen Strafanstalten 74 Todesfälle vor; es starben 37 nach 1 jährigem Aufenthalte in der Anstalt, 12 nach 2 jährigem, 3 nach 3jährigem u. s. w. 60 Todesfälle kamen auf die ersten 6 Jahre, 14 auf die nachfolgenden 15 Jahre. Von 426 in Naugard ge¬ storbenen Sträflingen 1"!') starben im 1 Haftjahre 99, im 2. -112, im 3. - 77, im 4. - 36, im 5. - 29, in den folgenden Haftjahren bis über das zehnte hin¬ aus zusammen 63. Unter den eines natürlichen Todes in den preußischen Gefängnissen im Jahre 1869 gestorbenen Männern und Weibern betrug die Haftdauer bis zu dem Todestage: weniger als V2 Jahr bei 19-56 pCt. M. und 12-94 pCt. W., bis 1 Jahr bei 13'16 pCt. M. und 10-59 pCt. W., über 1 bis 2 Jahre bei 24-13 pCt. M. und 36-47 pCt. W., über 3 bis 5 Jahre bei 14-81 pCt. M. und 14-12 pCt. W.. über 5 bis 10 Jahre bei 9-69 pCt. M. und 8-24 pCt. W., über 10 bis 20 Jahre bei 4-20 pCt. M. und 4'71 pCt. W.. über 20 Jahre bei 0-55 pCt. M. und 0 W.et-1-) Es wird hiernach einleuchten, wie sehr die öffentliche Gesundheitspflege ") a. a. O. S. 9. ") a. c>. O. S. l>. Fnßlin: Die Einzelhaft u. s. w. Heidelberg 18b5, S. 242. 5) Th. Marcard: Beiträge zur Gesängnißtunde. Celle 18K4, S. 58. 11) Baer a. n. O. S. 31. 1"I">-) Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Straf« und Ge- fangen-Anstalten für das Jahr 1860. Berlin 1871, S. 20.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/293>, abgerufen am 22.07.2024.