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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Intervention in Serbien ohne vorgängige Zustimmung aller hohen con-
trcchirenden Mächte nicht stattfinden darf/' und eine solche Zustimmung ist
schwerlich auch nur von österreichisch-ungarischer, geschweige denn von russischer
Seite zu erwarten.

Das deutsche Reich hat kein unmittelbares Interesse daran, ob zwei kleine
türkische Dörfer, wie das Recht zu fordern scheint, serbische Dörfer werden,
oder türkisch bleiben. Wir haben in keiner Weise die Verpflichtung, zu sorgen,
daß überall auf Erden den Verträgen nach gelebt werde. Wir sind weder
zum Anwalt der Türken noch zum Advocaten der Serben berufen, soweit uns
nicht Tractate diese Stellung anweisen. Unser Interesse an dem ganzen Han¬
del geht lediglich dahin, daß überall in Europa der Friede gewahrt bleibt,
da sich die Ausdehnung von Kriegen, zumal von solchen im europäischen
Orient, wo Oesterreich-Ungarn und Rußland, mit denen befreundet zu bleiben
unser Streben sein muß, sehr auseinandergehende Wünsche begen, nicht be¬
rechnen läßt. Würde daher die Frage brennend, wie bei der Geringfügigkeit
des Objectes nicht zu erwarten ist, so würde an uns allerdings die Auffor¬
derung herantreten, uns zu betheiligen, aber nur in der Rolle des Vermitt¬
lers, der den Conflict zu verhüten und die Angelegenheit in ein Bett zu lei¬
ten strebt, in dem sie einem jene beiden Mächte gleich befriedigenden Ausgleich
zugeführt wird.




Dom deutschen Aeichstag.

Es ist bedauerlich, daß wieder einmal eine jener parlamentarischen Situa¬
tionen zu constatiren ist, die, ich weiß nicht, ob als gespannte, als von Irrungen
getrübte oder sonst wie zu bezeichnen sind.

Das Reichsbeamtengesetz, dessen erster Theil im Plenum durchberathen
worden, während der zweite Theil, wie erinnerlich, in einer Commission vor¬
berathen wird, hat in dieser Session zuerst den unerfreulichen Zwiespalt auf¬
gedeckt, der in gewissen Grundanschauungen die Regierung von der liberalen
Partei trennt. Ich setze hinzu, daß diese Grundanschauungen, von welchen
auch ein Theil der nationalliberalen Partei sich nicht trennen will, keineswegs
für denjenigen Liberalismus unaufgeblich oder auch nur hoch zu halten sind,
der mit der Staatsidee Ernst macht. In dem Neichsbeamtengesetz kommt
der Anstoß aus dem Bernuth'schen Amendement, dessen ich im vorigen Bericht


Intervention in Serbien ohne vorgängige Zustimmung aller hohen con-
trcchirenden Mächte nicht stattfinden darf/' und eine solche Zustimmung ist
schwerlich auch nur von österreichisch-ungarischer, geschweige denn von russischer
Seite zu erwarten.

Das deutsche Reich hat kein unmittelbares Interesse daran, ob zwei kleine
türkische Dörfer, wie das Recht zu fordern scheint, serbische Dörfer werden,
oder türkisch bleiben. Wir haben in keiner Weise die Verpflichtung, zu sorgen,
daß überall auf Erden den Verträgen nach gelebt werde. Wir sind weder
zum Anwalt der Türken noch zum Advocaten der Serben berufen, soweit uns
nicht Tractate diese Stellung anweisen. Unser Interesse an dem ganzen Han¬
del geht lediglich dahin, daß überall in Europa der Friede gewahrt bleibt,
da sich die Ausdehnung von Kriegen, zumal von solchen im europäischen
Orient, wo Oesterreich-Ungarn und Rußland, mit denen befreundet zu bleiben
unser Streben sein muß, sehr auseinandergehende Wünsche begen, nicht be¬
rechnen läßt. Würde daher die Frage brennend, wie bei der Geringfügigkeit
des Objectes nicht zu erwarten ist, so würde an uns allerdings die Auffor¬
derung herantreten, uns zu betheiligen, aber nur in der Rolle des Vermitt¬
lers, der den Conflict zu verhüten und die Angelegenheit in ein Bett zu lei¬
ten strebt, in dem sie einem jene beiden Mächte gleich befriedigenden Ausgleich
zugeführt wird.




Dom deutschen Aeichstag.

Es ist bedauerlich, daß wieder einmal eine jener parlamentarischen Situa¬
tionen zu constatiren ist, die, ich weiß nicht, ob als gespannte, als von Irrungen
getrübte oder sonst wie zu bezeichnen sind.

Das Reichsbeamtengesetz, dessen erster Theil im Plenum durchberathen
worden, während der zweite Theil, wie erinnerlich, in einer Commission vor¬
berathen wird, hat in dieser Session zuerst den unerfreulichen Zwiespalt auf¬
gedeckt, der in gewissen Grundanschauungen die Regierung von der liberalen
Partei trennt. Ich setze hinzu, daß diese Grundanschauungen, von welchen
auch ein Theil der nationalliberalen Partei sich nicht trennen will, keineswegs
für denjenigen Liberalismus unaufgeblich oder auch nur hoch zu halten sind,
der mit der Staatsidee Ernst macht. In dem Neichsbeamtengesetz kommt
der Anstoß aus dem Bernuth'schen Amendement, dessen ich im vorigen Bericht


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[0284] Intervention in Serbien ohne vorgängige Zustimmung aller hohen con- trcchirenden Mächte nicht stattfinden darf/' und eine solche Zustimmung ist schwerlich auch nur von österreichisch-ungarischer, geschweige denn von russischer Seite zu erwarten. Das deutsche Reich hat kein unmittelbares Interesse daran, ob zwei kleine türkische Dörfer, wie das Recht zu fordern scheint, serbische Dörfer werden, oder türkisch bleiben. Wir haben in keiner Weise die Verpflichtung, zu sorgen, daß überall auf Erden den Verträgen nach gelebt werde. Wir sind weder zum Anwalt der Türken noch zum Advocaten der Serben berufen, soweit uns nicht Tractate diese Stellung anweisen. Unser Interesse an dem ganzen Han¬ del geht lediglich dahin, daß überall in Europa der Friede gewahrt bleibt, da sich die Ausdehnung von Kriegen, zumal von solchen im europäischen Orient, wo Oesterreich-Ungarn und Rußland, mit denen befreundet zu bleiben unser Streben sein muß, sehr auseinandergehende Wünsche begen, nicht be¬ rechnen läßt. Würde daher die Frage brennend, wie bei der Geringfügigkeit des Objectes nicht zu erwarten ist, so würde an uns allerdings die Auffor¬ derung herantreten, uns zu betheiligen, aber nur in der Rolle des Vermitt¬ lers, der den Conflict zu verhüten und die Angelegenheit in ein Bett zu lei¬ ten strebt, in dem sie einem jene beiden Mächte gleich befriedigenden Ausgleich zugeführt wird. Dom deutschen Aeichstag. Es ist bedauerlich, daß wieder einmal eine jener parlamentarischen Situa¬ tionen zu constatiren ist, die, ich weiß nicht, ob als gespannte, als von Irrungen getrübte oder sonst wie zu bezeichnen sind. Das Reichsbeamtengesetz, dessen erster Theil im Plenum durchberathen worden, während der zweite Theil, wie erinnerlich, in einer Commission vor¬ berathen wird, hat in dieser Session zuerst den unerfreulichen Zwiespalt auf¬ gedeckt, der in gewissen Grundanschauungen die Regierung von der liberalen Partei trennt. Ich setze hinzu, daß diese Grundanschauungen, von welchen auch ein Theil der nationalliberalen Partei sich nicht trennen will, keineswegs für denjenigen Liberalismus unaufgeblich oder auch nur hoch zu halten sind, der mit der Staatsidee Ernst macht. In dem Neichsbeamtengesetz kommt der Anstoß aus dem Bernuth'schen Amendement, dessen ich im vorigen Bericht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/284>, abgerufen am 22.07.2024.