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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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weiten Umweg in der Richtung auf Uschitza und auf einem wilden Pfade
unterhalten werden, welcher nur für Fußgänger und Saumthiere passirbar ist
und Höhen von nahezu zweitausend Fuß zu übersteigen hat, um nach Sele¬
natz und Liubovia zu gelangen.

Kleinzwornik ist ferner, wie die Serben behaupten, eine vortreffliche Ope¬
rationsbasis und ein bequem gelegenes Schlupfloch für die Schmuggler, Vieh¬
diebe und Quarantänebrecher der böhmischen Nachbarschaft, welche von hier
aus mit Leichtigkeit in den Rücken der Grenzwachen kommen können. Endlich
aber wird serbischerseits, wie es scheint nicht mit Unrecht, hervorgehoben, daß
der Besitz eines Stückes Land gegenüber von der Festung Zwornik den Tür¬
ken einen raschen Einbruch in Serbien beträchtlich erleichtern würde. Im
Laufe eines Vormittags könnte ein fliegendes Corps von Osmanlis unter
dem Schutz der Kanonen von Großzwornik bei Sandar landen und von hier
aus die Ortschaften des westlichen Serbien mit Feuer und Schwert heimsuchen,
eine Möglichkeit, die bereits mehrmals, im Feldzuge, den der österreichische
General von Seckendorf 1737 gegen die Pforte unternahm, und während der
Kämpfe des schwarzen Georg, zu sehr fühlbarer Wirklichkeit geworden ist.

Die Serben haben sonach Ursache genug, um die Beseitigung dieser
Uebelstände zu wünschen, und sie haben diesen Wunsch wiederholt schon der
türkischen Regierung aussprechen lassen. Dies geschah bereits unter dem
Fürsten Milosch und dann unter dem vor einigen Jahren ermordeten Fürsten
Michael. Auch jetzt, unter der Regentschaft, welche Serbien für den noch
minderjährigen Nachfolger desselben verwaltet, hat man wieder an die endliche
Ausantwortung von Maki Zwornik an seinen rechtlichen Eigenthümer erin¬
nert, vielleicht mit dem Nebengedanken, daß die Herren Blasnavatz und
Christitsch das Regiment nun bald niederlegen müssen, und daß es wünschens¬
wert!) für sie, mit einer Leistung zu schließen, welche sie dem Volke als
"Mehrer des Reichs" in gutem Andenken erhält. Und es scheint in der
That nur eine Ausantwortung vorenthaltenen Eigenthums zu sein, was die
Serben in Konstantinopel verlangt haben, wenn auch Manches in den Zu¬
sagen, auf denen ihre Vorstellungen fußen, nicht völlig klar ist.

Durch den Hattischerif vom 1. Redjeb 1249 (3. November 1833) sind
die Grenzen Serbiens abgesteckt. Es heißt da: "Die von Serbien abgelösten
Distncte und die, welche früher Gegenstand eines Streites w^ren, sollen gleich¬
wie die andern Districte Serbiens, durch dich, o Fürst, (Milosch ist gemeint)
regiert werden innerhalb der Grenzen, welche durch die Berichte der zu diesem
Zweck ernannten und an die Orte geschickten Commissäre und in Uebereinstimmung
mit den topographischen Karten festgestellt worden sind, die man entworfen
hat. (Das Actenstück denkt dabei an die aus russischen und türkischen Offi-


Grmzboten II. 1872.

weiten Umweg in der Richtung auf Uschitza und auf einem wilden Pfade
unterhalten werden, welcher nur für Fußgänger und Saumthiere passirbar ist
und Höhen von nahezu zweitausend Fuß zu übersteigen hat, um nach Sele¬
natz und Liubovia zu gelangen.

Kleinzwornik ist ferner, wie die Serben behaupten, eine vortreffliche Ope¬
rationsbasis und ein bequem gelegenes Schlupfloch für die Schmuggler, Vieh¬
diebe und Quarantänebrecher der böhmischen Nachbarschaft, welche von hier
aus mit Leichtigkeit in den Rücken der Grenzwachen kommen können. Endlich
aber wird serbischerseits, wie es scheint nicht mit Unrecht, hervorgehoben, daß
der Besitz eines Stückes Land gegenüber von der Festung Zwornik den Tür¬
ken einen raschen Einbruch in Serbien beträchtlich erleichtern würde. Im
Laufe eines Vormittags könnte ein fliegendes Corps von Osmanlis unter
dem Schutz der Kanonen von Großzwornik bei Sandar landen und von hier
aus die Ortschaften des westlichen Serbien mit Feuer und Schwert heimsuchen,
eine Möglichkeit, die bereits mehrmals, im Feldzuge, den der österreichische
General von Seckendorf 1737 gegen die Pforte unternahm, und während der
Kämpfe des schwarzen Georg, zu sehr fühlbarer Wirklichkeit geworden ist.

Die Serben haben sonach Ursache genug, um die Beseitigung dieser
Uebelstände zu wünschen, und sie haben diesen Wunsch wiederholt schon der
türkischen Regierung aussprechen lassen. Dies geschah bereits unter dem
Fürsten Milosch und dann unter dem vor einigen Jahren ermordeten Fürsten
Michael. Auch jetzt, unter der Regentschaft, welche Serbien für den noch
minderjährigen Nachfolger desselben verwaltet, hat man wieder an die endliche
Ausantwortung von Maki Zwornik an seinen rechtlichen Eigenthümer erin¬
nert, vielleicht mit dem Nebengedanken, daß die Herren Blasnavatz und
Christitsch das Regiment nun bald niederlegen müssen, und daß es wünschens¬
wert!) für sie, mit einer Leistung zu schließen, welche sie dem Volke als
„Mehrer des Reichs" in gutem Andenken erhält. Und es scheint in der
That nur eine Ausantwortung vorenthaltenen Eigenthums zu sein, was die
Serben in Konstantinopel verlangt haben, wenn auch Manches in den Zu¬
sagen, auf denen ihre Vorstellungen fußen, nicht völlig klar ist.

Durch den Hattischerif vom 1. Redjeb 1249 (3. November 1833) sind
die Grenzen Serbiens abgesteckt. Es heißt da: „Die von Serbien abgelösten
Distncte und die, welche früher Gegenstand eines Streites w^ren, sollen gleich¬
wie die andern Districte Serbiens, durch dich, o Fürst, (Milosch ist gemeint)
regiert werden innerhalb der Grenzen, welche durch die Berichte der zu diesem
Zweck ernannten und an die Orte geschickten Commissäre und in Uebereinstimmung
mit den topographischen Karten festgestellt worden sind, die man entworfen
hat. (Das Actenstück denkt dabei an die aus russischen und türkischen Offi-


Grmzboten II. 1872.
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[0281] weiten Umweg in der Richtung auf Uschitza und auf einem wilden Pfade unterhalten werden, welcher nur für Fußgänger und Saumthiere passirbar ist und Höhen von nahezu zweitausend Fuß zu übersteigen hat, um nach Sele¬ natz und Liubovia zu gelangen. Kleinzwornik ist ferner, wie die Serben behaupten, eine vortreffliche Ope¬ rationsbasis und ein bequem gelegenes Schlupfloch für die Schmuggler, Vieh¬ diebe und Quarantänebrecher der böhmischen Nachbarschaft, welche von hier aus mit Leichtigkeit in den Rücken der Grenzwachen kommen können. Endlich aber wird serbischerseits, wie es scheint nicht mit Unrecht, hervorgehoben, daß der Besitz eines Stückes Land gegenüber von der Festung Zwornik den Tür¬ ken einen raschen Einbruch in Serbien beträchtlich erleichtern würde. Im Laufe eines Vormittags könnte ein fliegendes Corps von Osmanlis unter dem Schutz der Kanonen von Großzwornik bei Sandar landen und von hier aus die Ortschaften des westlichen Serbien mit Feuer und Schwert heimsuchen, eine Möglichkeit, die bereits mehrmals, im Feldzuge, den der österreichische General von Seckendorf 1737 gegen die Pforte unternahm, und während der Kämpfe des schwarzen Georg, zu sehr fühlbarer Wirklichkeit geworden ist. Die Serben haben sonach Ursache genug, um die Beseitigung dieser Uebelstände zu wünschen, und sie haben diesen Wunsch wiederholt schon der türkischen Regierung aussprechen lassen. Dies geschah bereits unter dem Fürsten Milosch und dann unter dem vor einigen Jahren ermordeten Fürsten Michael. Auch jetzt, unter der Regentschaft, welche Serbien für den noch minderjährigen Nachfolger desselben verwaltet, hat man wieder an die endliche Ausantwortung von Maki Zwornik an seinen rechtlichen Eigenthümer erin¬ nert, vielleicht mit dem Nebengedanken, daß die Herren Blasnavatz und Christitsch das Regiment nun bald niederlegen müssen, und daß es wünschens¬ wert!) für sie, mit einer Leistung zu schließen, welche sie dem Volke als „Mehrer des Reichs" in gutem Andenken erhält. Und es scheint in der That nur eine Ausantwortung vorenthaltenen Eigenthums zu sein, was die Serben in Konstantinopel verlangt haben, wenn auch Manches in den Zu¬ sagen, auf denen ihre Vorstellungen fußen, nicht völlig klar ist. Durch den Hattischerif vom 1. Redjeb 1249 (3. November 1833) sind die Grenzen Serbiens abgesteckt. Es heißt da: „Die von Serbien abgelösten Distncte und die, welche früher Gegenstand eines Streites w^ren, sollen gleich¬ wie die andern Districte Serbiens, durch dich, o Fürst, (Milosch ist gemeint) regiert werden innerhalb der Grenzen, welche durch die Berichte der zu diesem Zweck ernannten und an die Orte geschickten Commissäre und in Uebereinstimmung mit den topographischen Karten festgestellt worden sind, die man entworfen hat. (Das Actenstück denkt dabei an die aus russischen und türkischen Offi- Grmzboten II. 1872.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/281>, abgerufen am 22.07.2024.