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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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den als einen non-sense; des Firenzuola zu bezeichnen, und ganze Zeilen zu
streichen, die nach seinem Dafürhalten "kein schönes Bild machten." Ueber¬
haupt ist die Arbeit der Herzogin so stark durch Correcturen Wieland's mit¬
genommen, daß man billig in Zweifel geräth, wer einen größern Theil an
dem geistigen Eigenthums zu beanspruchen habe, Wieland oder die Herzogin.
Zur Charakteristik heben wir nur folgendes hervor. Wieland strich die ganze
Stelle, welche die Drohungen der Venus und ihre Schmähreden gegen Amor
enthielt, und motivirte diese Aenderung mit den Worten: Li j'oss aire mon
g.vis sur eetts delle IiarimZuö "zu" 1s mauvais Misimt ^ireneiuola ose disv
iliettrs ä^us ig. douelis as ig, mors ass ^mours, eilf est si xeu Zigne
ä'oll^ Cus I'uni<ins moysn as la renäre suxxortMö ins xaroit vers, ac
1'omettre entiörement. Der Redacteur "Einsiedel" verfuhr danach, er corri-
girte: sie entbrannte vor Zorn, schwur eine unerhörte Rache zu nehmen und
überhäufte den Amor mit Schmähworten und Drohungen. Wie wenig Em¬
pfindlichkeit in den damaligen Hofkreisen Weimars setzte diese Manipulation
voraus!

Auch von Fräulein v. Goechhausen, deren Thätigkeit sich jedenfalls noch
viel größer erweisen würde, wenn ihr Nachlaß nicht so schmählich unterge¬
gangen wäre, hat sich noch ein Originalbeitrag an einen unberechtigten Ort
des Weimarischen Hausarchivs geflüchtet. Es ist das bisher vermißte: Frag¬
ment einer Erzählung im VIII. Stück Ur. 3 des Journals, an welches
v. Einsiedel seine bessernde Hand diesmal nicht anlegte, während auch für
Herder's Thätigkeit im Laufe der Zeit neue Belegstellen in Briefen von uns
aufgefunden worden sind. Sehr früh, wahrscheinlich gleich nach dem Ent¬
stehen des Journals, schrieb er an die Herzogin: "Ew. Durchlaucht überreiche
hiermit unterthäntgst einige Beiträge zum Journal aus meinen alten Pa¬
pieren. Das meist ist Spielwerk, das vielleicht nur zur Abwechselung dient
und sich durch seine Kürze entschuldigt. Darf ich indessen gar sehr bitten,
daß Ew. Durchlaucht mich nicht als Verfasser nennen, ich bin kein Dichter,
will's auch nicht sein oder werden. Zur Preisfrage will ich bei der ersten
Muse mein Scherflein liefern, damit doch der Statthalter nicht gar allein
bleibt."") Ebenso schrieb er unter dem 10. October (s. anno): "Ew. Durch¬
laucht erlauben gnädigst, daß ich, obwohl etwas spät, mit einigen Beiträgen
zum Tiefurter Journal erscheine. Sie sind von mancherlei Art und wenn
Eins nicht gefällt, gefällt vielleicht das andere. In Prosa soll nächstens eine
verdollmetschte Abhandlung von Hemsterhuis über das moralische Organ
folgen.. .Die kleinen Beiträge, welche Herder in diesem Schreiben anzieht,



') Veigl. dazu meinen Aufsatz unter Herder, woraus sich ergiebt, daß dieser Beitrag
Herder's weder im Journal noch in Herder's Werken steht.

den als einen non-sense; des Firenzuola zu bezeichnen, und ganze Zeilen zu
streichen, die nach seinem Dafürhalten „kein schönes Bild machten." Ueber¬
haupt ist die Arbeit der Herzogin so stark durch Correcturen Wieland's mit¬
genommen, daß man billig in Zweifel geräth, wer einen größern Theil an
dem geistigen Eigenthums zu beanspruchen habe, Wieland oder die Herzogin.
Zur Charakteristik heben wir nur folgendes hervor. Wieland strich die ganze
Stelle, welche die Drohungen der Venus und ihre Schmähreden gegen Amor
enthielt, und motivirte diese Aenderung mit den Worten: Li j'oss aire mon
g.vis sur eetts delle IiarimZuö «zu« 1s mauvais Misimt ^ireneiuola ose disv
iliettrs ä^us ig. douelis as ig, mors ass ^mours, eilf est si xeu Zigne
ä'oll^ Cus I'uni<ins moysn as la renäre suxxortMö ins xaroit vers, ac
1'omettre entiörement. Der Redacteur „Einsiedel" verfuhr danach, er corri-
girte: sie entbrannte vor Zorn, schwur eine unerhörte Rache zu nehmen und
überhäufte den Amor mit Schmähworten und Drohungen. Wie wenig Em¬
pfindlichkeit in den damaligen Hofkreisen Weimars setzte diese Manipulation
voraus!

Auch von Fräulein v. Goechhausen, deren Thätigkeit sich jedenfalls noch
viel größer erweisen würde, wenn ihr Nachlaß nicht so schmählich unterge¬
gangen wäre, hat sich noch ein Originalbeitrag an einen unberechtigten Ort
des Weimarischen Hausarchivs geflüchtet. Es ist das bisher vermißte: Frag¬
ment einer Erzählung im VIII. Stück Ur. 3 des Journals, an welches
v. Einsiedel seine bessernde Hand diesmal nicht anlegte, während auch für
Herder's Thätigkeit im Laufe der Zeit neue Belegstellen in Briefen von uns
aufgefunden worden sind. Sehr früh, wahrscheinlich gleich nach dem Ent¬
stehen des Journals, schrieb er an die Herzogin: „Ew. Durchlaucht überreiche
hiermit unterthäntgst einige Beiträge zum Journal aus meinen alten Pa¬
pieren. Das meist ist Spielwerk, das vielleicht nur zur Abwechselung dient
und sich durch seine Kürze entschuldigt. Darf ich indessen gar sehr bitten,
daß Ew. Durchlaucht mich nicht als Verfasser nennen, ich bin kein Dichter,
will's auch nicht sein oder werden. Zur Preisfrage will ich bei der ersten
Muse mein Scherflein liefern, damit doch der Statthalter nicht gar allein
bleibt."") Ebenso schrieb er unter dem 10. October (s. anno): „Ew. Durch¬
laucht erlauben gnädigst, daß ich, obwohl etwas spät, mit einigen Beiträgen
zum Tiefurter Journal erscheine. Sie sind von mancherlei Art und wenn
Eins nicht gefällt, gefällt vielleicht das andere. In Prosa soll nächstens eine
verdollmetschte Abhandlung von Hemsterhuis über das moralische Organ
folgen.. .Die kleinen Beiträge, welche Herder in diesem Schreiben anzieht,



') Veigl. dazu meinen Aufsatz unter Herder, woraus sich ergiebt, daß dieser Beitrag
Herder's weder im Journal noch in Herder's Werken steht.
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[0270] den als einen non-sense; des Firenzuola zu bezeichnen, und ganze Zeilen zu streichen, die nach seinem Dafürhalten „kein schönes Bild machten." Ueber¬ haupt ist die Arbeit der Herzogin so stark durch Correcturen Wieland's mit¬ genommen, daß man billig in Zweifel geräth, wer einen größern Theil an dem geistigen Eigenthums zu beanspruchen habe, Wieland oder die Herzogin. Zur Charakteristik heben wir nur folgendes hervor. Wieland strich die ganze Stelle, welche die Drohungen der Venus und ihre Schmähreden gegen Amor enthielt, und motivirte diese Aenderung mit den Worten: Li j'oss aire mon g.vis sur eetts delle IiarimZuö «zu« 1s mauvais Misimt ^ireneiuola ose disv iliettrs ä^us ig. douelis as ig, mors ass ^mours, eilf est si xeu Zigne ä'oll^ Cus I'uni<ins moysn as la renäre suxxortMö ins xaroit vers, ac 1'omettre entiörement. Der Redacteur „Einsiedel" verfuhr danach, er corri- girte: sie entbrannte vor Zorn, schwur eine unerhörte Rache zu nehmen und überhäufte den Amor mit Schmähworten und Drohungen. Wie wenig Em¬ pfindlichkeit in den damaligen Hofkreisen Weimars setzte diese Manipulation voraus! Auch von Fräulein v. Goechhausen, deren Thätigkeit sich jedenfalls noch viel größer erweisen würde, wenn ihr Nachlaß nicht so schmählich unterge¬ gangen wäre, hat sich noch ein Originalbeitrag an einen unberechtigten Ort des Weimarischen Hausarchivs geflüchtet. Es ist das bisher vermißte: Frag¬ ment einer Erzählung im VIII. Stück Ur. 3 des Journals, an welches v. Einsiedel seine bessernde Hand diesmal nicht anlegte, während auch für Herder's Thätigkeit im Laufe der Zeit neue Belegstellen in Briefen von uns aufgefunden worden sind. Sehr früh, wahrscheinlich gleich nach dem Ent¬ stehen des Journals, schrieb er an die Herzogin: „Ew. Durchlaucht überreiche hiermit unterthäntgst einige Beiträge zum Journal aus meinen alten Pa¬ pieren. Das meist ist Spielwerk, das vielleicht nur zur Abwechselung dient und sich durch seine Kürze entschuldigt. Darf ich indessen gar sehr bitten, daß Ew. Durchlaucht mich nicht als Verfasser nennen, ich bin kein Dichter, will's auch nicht sein oder werden. Zur Preisfrage will ich bei der ersten Muse mein Scherflein liefern, damit doch der Statthalter nicht gar allein bleibt."") Ebenso schrieb er unter dem 10. October (s. anno): „Ew. Durch¬ laucht erlauben gnädigst, daß ich, obwohl etwas spät, mit einigen Beiträgen zum Tiefurter Journal erscheine. Sie sind von mancherlei Art und wenn Eins nicht gefällt, gefällt vielleicht das andere. In Prosa soll nächstens eine verdollmetschte Abhandlung von Hemsterhuis über das moralische Organ folgen.. .Die kleinen Beiträge, welche Herder in diesem Schreiben anzieht, ') Veigl. dazu meinen Aufsatz unter Herder, woraus sich ergiebt, daß dieser Beitrag Herder's weder im Journal noch in Herder's Werken steht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/270>, abgerufen am 22.12.2024.