Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zeit. 6) Die Frauen- und Kinderarbeit. 7) Die Wiederherstellung eines einigen
und ungetheilten Polens. Der letzte Punkt gab in der Conferenz Anlaß zu
lebhaften Kämpfen. Polen gehörte zu den Steckenpferden des Doctor Marx,
die Pariser dagegen wünschten politische Fragen von dem Congresse ausge¬
schlossen zu sehen. Aber auf Odgers Mahnung, daß Polen der Anlaß zur
Gründung des Bundes gewesen, behielt man den Punkt im Programm bei.

Natürlich verfehlten die londoner Mitglieder der Internationale, welche
für Zeitungen correspondirten, nicht, mit pomphaften Worten der Welt zu
verkünden, daß man auf der Conferenz erfahren, wie sich in Deutschland, der
Schweiz, Italien, Belgien und Dänemark eine große Anzahl von Zweig¬
vereinen gebildet hätten. Nach Verlauf einiger Zeit hatten sich solche Erobe¬
rungen in der That vollzogen, und man hatte zu diesem Erfolg nicht wenig
beigetragen, indem man sich ihrer schon im Voraus gerühmt hatte. Es war
die Taktik, welche Varlin und seine Freunde 1871 verfolgten, indem sie in
ihrem officiellen Blatte jeden Morgen- die am Tage vorher von ihren Truppen
erlittenen Niederlagen in eben so viele glänzende Siege der Commune verwan¬
delten. Die Conferenz schloß mit einem Feste, welches den Jahrestag der
Gründung des Bundes feierte.

Varlin weiß für die Zwischenzeit zwischen der Conferenz und dem ersten
Congreß verschiedene Großthaten der Internationale aufzuzählen. "Im Laufe
des Jahres 1866", so berichtet er uns. "bekundete sie sich nochmals in glän¬
zenderer Weise in Betreff der militärischen Ereignisse, deren Schauplatz Deutsch¬
land und Italien waren. Sie trieb durchaus keine Politik, behauptete aber
festen Sinnes die socialistischen Grundsätze, welche 'sie leiteten. SK stellte dem
Recht der Waffen das Recht auf Arbeit gegenüber, sie wies dem Bündniß
der Proletarier den Vorrang vor den Feindschaften der Regierungen an.
Und endlich, im Juli trat sie mit dem wirthschaftlichen Programm des Genfer
Congresses den politischen Lucubrationen der Kabinette entgegen. Sie bereitete
durch Publicationen, die fast alle Wochen erschienen, das Publicum auf die
große Zusammenkunft vor. welche auf endgültige Weise den bis dahin noch
im provisorischen Zustand befindlichen internationalen Bund constituiren
sollte. Im Juli gab sie ihren Anhängern, immer auf dem Wege der Zeitun¬
gen, Kunde von den Bemühungen in der Provinz für die Errichtung neuer
Bureaux. Im September 1866 fand der Congreß in Genf statt. Siebzehn
französische Delegirte begaben sich zu dieser Zusammenkunft, wo der Grund¬
vertrag discutirt und angenommen wurde."

So der Bericht eines der Kirchenväter der Internationale. Wie komisch
er sich mit seinen pompösen Sätzen über ein wenig bedeutendes Thema neben
den gewaltigen politischen Ereignissen von 1866 ausnimmt, braucht wohl
nicht besonders hervorgehoben zu werden.


zeit. 6) Die Frauen- und Kinderarbeit. 7) Die Wiederherstellung eines einigen
und ungetheilten Polens. Der letzte Punkt gab in der Conferenz Anlaß zu
lebhaften Kämpfen. Polen gehörte zu den Steckenpferden des Doctor Marx,
die Pariser dagegen wünschten politische Fragen von dem Congresse ausge¬
schlossen zu sehen. Aber auf Odgers Mahnung, daß Polen der Anlaß zur
Gründung des Bundes gewesen, behielt man den Punkt im Programm bei.

Natürlich verfehlten die londoner Mitglieder der Internationale, welche
für Zeitungen correspondirten, nicht, mit pomphaften Worten der Welt zu
verkünden, daß man auf der Conferenz erfahren, wie sich in Deutschland, der
Schweiz, Italien, Belgien und Dänemark eine große Anzahl von Zweig¬
vereinen gebildet hätten. Nach Verlauf einiger Zeit hatten sich solche Erobe¬
rungen in der That vollzogen, und man hatte zu diesem Erfolg nicht wenig
beigetragen, indem man sich ihrer schon im Voraus gerühmt hatte. Es war
die Taktik, welche Varlin und seine Freunde 1871 verfolgten, indem sie in
ihrem officiellen Blatte jeden Morgen- die am Tage vorher von ihren Truppen
erlittenen Niederlagen in eben so viele glänzende Siege der Commune verwan¬
delten. Die Conferenz schloß mit einem Feste, welches den Jahrestag der
Gründung des Bundes feierte.

Varlin weiß für die Zwischenzeit zwischen der Conferenz und dem ersten
Congreß verschiedene Großthaten der Internationale aufzuzählen. „Im Laufe
des Jahres 1866", so berichtet er uns. „bekundete sie sich nochmals in glän¬
zenderer Weise in Betreff der militärischen Ereignisse, deren Schauplatz Deutsch¬
land und Italien waren. Sie trieb durchaus keine Politik, behauptete aber
festen Sinnes die socialistischen Grundsätze, welche 'sie leiteten. SK stellte dem
Recht der Waffen das Recht auf Arbeit gegenüber, sie wies dem Bündniß
der Proletarier den Vorrang vor den Feindschaften der Regierungen an.
Und endlich, im Juli trat sie mit dem wirthschaftlichen Programm des Genfer
Congresses den politischen Lucubrationen der Kabinette entgegen. Sie bereitete
durch Publicationen, die fast alle Wochen erschienen, das Publicum auf die
große Zusammenkunft vor. welche auf endgültige Weise den bis dahin noch
im provisorischen Zustand befindlichen internationalen Bund constituiren
sollte. Im Juli gab sie ihren Anhängern, immer auf dem Wege der Zeitun¬
gen, Kunde von den Bemühungen in der Provinz für die Errichtung neuer
Bureaux. Im September 1866 fand der Congreß in Genf statt. Siebzehn
französische Delegirte begaben sich zu dieser Zusammenkunft, wo der Grund¬
vertrag discutirt und angenommen wurde."

So der Bericht eines der Kirchenväter der Internationale. Wie komisch
er sich mit seinen pompösen Sätzen über ein wenig bedeutendes Thema neben
den gewaltigen politischen Ereignissen von 1866 ausnimmt, braucht wohl
nicht besonders hervorgehoben zu werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127418"/>
            <p xml:id="ID_48" prev="#ID_47"> zeit. 6) Die Frauen- und Kinderarbeit. 7) Die Wiederherstellung eines einigen<lb/>
und ungetheilten Polens. Der letzte Punkt gab in der Conferenz Anlaß zu<lb/>
lebhaften Kämpfen. Polen gehörte zu den Steckenpferden des Doctor Marx,<lb/>
die Pariser dagegen wünschten politische Fragen von dem Congresse ausge¬<lb/>
schlossen zu sehen. Aber auf Odgers Mahnung, daß Polen der Anlaß zur<lb/>
Gründung des Bundes gewesen, behielt man den Punkt im Programm bei.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_49"> Natürlich verfehlten die londoner Mitglieder der Internationale, welche<lb/>
für Zeitungen correspondirten, nicht, mit pomphaften Worten der Welt zu<lb/>
verkünden, daß man auf der Conferenz erfahren, wie sich in Deutschland, der<lb/>
Schweiz, Italien, Belgien und Dänemark eine große Anzahl von Zweig¬<lb/>
vereinen gebildet hätten. Nach Verlauf einiger Zeit hatten sich solche Erobe¬<lb/>
rungen in der That vollzogen, und man hatte zu diesem Erfolg nicht wenig<lb/>
beigetragen, indem man sich ihrer schon im Voraus gerühmt hatte. Es war<lb/>
die Taktik, welche Varlin und seine Freunde 1871 verfolgten, indem sie in<lb/>
ihrem officiellen Blatte jeden Morgen- die am Tage vorher von ihren Truppen<lb/>
erlittenen Niederlagen in eben so viele glänzende Siege der Commune verwan¬<lb/>
delten. Die Conferenz schloß mit einem Feste, welches den Jahrestag der<lb/>
Gründung des Bundes feierte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_50"> Varlin weiß für die Zwischenzeit zwischen der Conferenz und dem ersten<lb/>
Congreß verschiedene Großthaten der Internationale aufzuzählen. &#x201E;Im Laufe<lb/>
des Jahres 1866", so berichtet er uns. &#x201E;bekundete sie sich nochmals in glän¬<lb/>
zenderer Weise in Betreff der militärischen Ereignisse, deren Schauplatz Deutsch¬<lb/>
land und Italien waren. Sie trieb durchaus keine Politik, behauptete aber<lb/>
festen Sinnes die socialistischen Grundsätze, welche 'sie leiteten. SK stellte dem<lb/>
Recht der Waffen das Recht auf Arbeit gegenüber, sie wies dem Bündniß<lb/>
der Proletarier den Vorrang vor den Feindschaften der Regierungen an.<lb/>
Und endlich, im Juli trat sie mit dem wirthschaftlichen Programm des Genfer<lb/>
Congresses den politischen Lucubrationen der Kabinette entgegen. Sie bereitete<lb/>
durch Publicationen, die fast alle Wochen erschienen, das Publicum auf die<lb/>
große Zusammenkunft vor. welche auf endgültige Weise den bis dahin noch<lb/>
im provisorischen Zustand befindlichen internationalen Bund constituiren<lb/>
sollte. Im Juli gab sie ihren Anhängern, immer auf dem Wege der Zeitun¬<lb/>
gen, Kunde von den Bemühungen in der Provinz für die Errichtung neuer<lb/>
Bureaux. Im September 1866 fand der Congreß in Genf statt. Siebzehn<lb/>
französische Delegirte begaben sich zu dieser Zusammenkunft, wo der Grund¬<lb/>
vertrag discutirt und angenommen wurde."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_51"> So der Bericht eines der Kirchenväter der Internationale. Wie komisch<lb/>
er sich mit seinen pompösen Sätzen über ein wenig bedeutendes Thema neben<lb/>
den gewaltigen politischen Ereignissen von 1866 ausnimmt, braucht wohl<lb/>
nicht besonders hervorgehoben zu werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] zeit. 6) Die Frauen- und Kinderarbeit. 7) Die Wiederherstellung eines einigen und ungetheilten Polens. Der letzte Punkt gab in der Conferenz Anlaß zu lebhaften Kämpfen. Polen gehörte zu den Steckenpferden des Doctor Marx, die Pariser dagegen wünschten politische Fragen von dem Congresse ausge¬ schlossen zu sehen. Aber auf Odgers Mahnung, daß Polen der Anlaß zur Gründung des Bundes gewesen, behielt man den Punkt im Programm bei. Natürlich verfehlten die londoner Mitglieder der Internationale, welche für Zeitungen correspondirten, nicht, mit pomphaften Worten der Welt zu verkünden, daß man auf der Conferenz erfahren, wie sich in Deutschland, der Schweiz, Italien, Belgien und Dänemark eine große Anzahl von Zweig¬ vereinen gebildet hätten. Nach Verlauf einiger Zeit hatten sich solche Erobe¬ rungen in der That vollzogen, und man hatte zu diesem Erfolg nicht wenig beigetragen, indem man sich ihrer schon im Voraus gerühmt hatte. Es war die Taktik, welche Varlin und seine Freunde 1871 verfolgten, indem sie in ihrem officiellen Blatte jeden Morgen- die am Tage vorher von ihren Truppen erlittenen Niederlagen in eben so viele glänzende Siege der Commune verwan¬ delten. Die Conferenz schloß mit einem Feste, welches den Jahrestag der Gründung des Bundes feierte. Varlin weiß für die Zwischenzeit zwischen der Conferenz und dem ersten Congreß verschiedene Großthaten der Internationale aufzuzählen. „Im Laufe des Jahres 1866", so berichtet er uns. „bekundete sie sich nochmals in glän¬ zenderer Weise in Betreff der militärischen Ereignisse, deren Schauplatz Deutsch¬ land und Italien waren. Sie trieb durchaus keine Politik, behauptete aber festen Sinnes die socialistischen Grundsätze, welche 'sie leiteten. SK stellte dem Recht der Waffen das Recht auf Arbeit gegenüber, sie wies dem Bündniß der Proletarier den Vorrang vor den Feindschaften der Regierungen an. Und endlich, im Juli trat sie mit dem wirthschaftlichen Programm des Genfer Congresses den politischen Lucubrationen der Kabinette entgegen. Sie bereitete durch Publicationen, die fast alle Wochen erschienen, das Publicum auf die große Zusammenkunft vor. welche auf endgültige Weise den bis dahin noch im provisorischen Zustand befindlichen internationalen Bund constituiren sollte. Im Juli gab sie ihren Anhängern, immer auf dem Wege der Zeitun¬ gen, Kunde von den Bemühungen in der Provinz für die Errichtung neuer Bureaux. Im September 1866 fand der Congreß in Genf statt. Siebzehn französische Delegirte begaben sich zu dieser Zusammenkunft, wo der Grund¬ vertrag discutirt und angenommen wurde." So der Bericht eines der Kirchenväter der Internationale. Wie komisch er sich mit seinen pompösen Sätzen über ein wenig bedeutendes Thema neben den gewaltigen politischen Ereignissen von 1866 ausnimmt, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/22
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/22>, abgerufen am 22.12.2024.