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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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rechtfertigen, daß die Idee verstanden worden sei und sich ihren >Weg bahnen
werde. Eine Subcommission, aus Arbeitern verschiedener Gewerke zusammen¬
gesetzt, bildete sich, um die Korrespondenten bei ihrer Aufgabe zu unterstützen
und vorzüglich, um den Congreß vorzubereiten, welcher stattfinden sollte. Es
war in der That hochnothwendig, daß Frankreich, welches die Genossenschaft
erdacht, dort würdig vertreten war."

Wenn der Congreß im Jahre 1865 nicht stattfand, so will Varlin dies
damit erklären, daß Belgien sein Gesetz über die Fremden in einer der pro-
jectirten Zusammenkunft ungünstigen Weise abgeändert hatte. Die richtige
Deutung wird aber wohl darin liegen, daß man noch nicht genug Anhänger
gefunden hatte, um eine affectvolle Versammlung in Scene setzen zu können.
Ein wenig gefüllter Saal, in dem nur wenige Nationen vertreten waren,
hätte den Bourgeois nicht imponirt und die Proletarier entmuthigt. Dazu
kamen aber noch einige andere Hindernisse rascher Zunahme und Organisation
des Bundes. Vierzehn Mitglieder des provisorischen Ccntralraths waren zu¬
gleich Mitglieder des obersten Rathes der neugegründeten Reform-League und
hatten in dieser Eigenschaft alle Hände voll zu thun. Ferner hatte der Cen-
tralrath Streit mit den Pariser Freunden bekommen, welchen der mit Ver¬
theidigung des Bundes in der französischen Presse beauftragte Lefort als
"Bourgeois-Republikaner" nicht gefiel, und als demselben darauf seine
Stellung vom Centralrath entzogen wurde, traten die Italiener aus dem
Bunde, wie es hieß, auf Anregung Mazzini's. Man beschloß daher, zunächst
noch eine vorbereitende Konferenz in London und erst im Jahre 1866 den
ersten eigentlichen Congreß zu halten.

Die Conferenz fand im September 1865 statt und war von zehn Dele-
gaten vom Festlande besucht. Es waren nur Eingeweihte, alle Profanen
blieben streng ausgeschlossen. Indeß erfuhr man doch bald, was da vorge¬
gangen war. Die Schweizer berichteten, daß man gute Fortschritte gemacht;
die Belgier, daß die Aussichten günstig, nur sei die Sache bei ihnen noch zu
neu; die Pariser, daß die Polizei sie vielfach hindere, und daß ein Congreß
außerhalb Frankreichs unumgänglich nothwendig sei. damit sie frei sprechen
könnten. Ihr Anspruch darauf, daß aus dem Congreß auch einzelne Mit¬
glieder reden und stimmen dürften, wurde von den Engländern, die nur ord¬
nungsmäßig gewählte Abgeordnete haben wollten, niedergestimmt. Endlich
beschloß man, daß der Congreß am ersten Montag im September 1866 und
zu Genf zusammentreten sollte. Als auf ihm zu erörternde Gegenstände be¬
stimmte man: 1) Die Organisation des Bundes. 2) Die Art des gemein¬
schaftlichen Vorgehens der Bundesglieder in den verschiedenen Kämpfen zwischen
Arbeit und Capital. 3) Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ge-
werkvereine. 4) Die cooperative Arbeit. 5) Die Verminderung der Arbeits-


rechtfertigen, daß die Idee verstanden worden sei und sich ihren >Weg bahnen
werde. Eine Subcommission, aus Arbeitern verschiedener Gewerke zusammen¬
gesetzt, bildete sich, um die Korrespondenten bei ihrer Aufgabe zu unterstützen
und vorzüglich, um den Congreß vorzubereiten, welcher stattfinden sollte. Es
war in der That hochnothwendig, daß Frankreich, welches die Genossenschaft
erdacht, dort würdig vertreten war."

Wenn der Congreß im Jahre 1865 nicht stattfand, so will Varlin dies
damit erklären, daß Belgien sein Gesetz über die Fremden in einer der pro-
jectirten Zusammenkunft ungünstigen Weise abgeändert hatte. Die richtige
Deutung wird aber wohl darin liegen, daß man noch nicht genug Anhänger
gefunden hatte, um eine affectvolle Versammlung in Scene setzen zu können.
Ein wenig gefüllter Saal, in dem nur wenige Nationen vertreten waren,
hätte den Bourgeois nicht imponirt und die Proletarier entmuthigt. Dazu
kamen aber noch einige andere Hindernisse rascher Zunahme und Organisation
des Bundes. Vierzehn Mitglieder des provisorischen Ccntralraths waren zu¬
gleich Mitglieder des obersten Rathes der neugegründeten Reform-League und
hatten in dieser Eigenschaft alle Hände voll zu thun. Ferner hatte der Cen-
tralrath Streit mit den Pariser Freunden bekommen, welchen der mit Ver¬
theidigung des Bundes in der französischen Presse beauftragte Lefort als
„Bourgeois-Republikaner" nicht gefiel, und als demselben darauf seine
Stellung vom Centralrath entzogen wurde, traten die Italiener aus dem
Bunde, wie es hieß, auf Anregung Mazzini's. Man beschloß daher, zunächst
noch eine vorbereitende Konferenz in London und erst im Jahre 1866 den
ersten eigentlichen Congreß zu halten.

Die Conferenz fand im September 1865 statt und war von zehn Dele-
gaten vom Festlande besucht. Es waren nur Eingeweihte, alle Profanen
blieben streng ausgeschlossen. Indeß erfuhr man doch bald, was da vorge¬
gangen war. Die Schweizer berichteten, daß man gute Fortschritte gemacht;
die Belgier, daß die Aussichten günstig, nur sei die Sache bei ihnen noch zu
neu; die Pariser, daß die Polizei sie vielfach hindere, und daß ein Congreß
außerhalb Frankreichs unumgänglich nothwendig sei. damit sie frei sprechen
könnten. Ihr Anspruch darauf, daß aus dem Congreß auch einzelne Mit¬
glieder reden und stimmen dürften, wurde von den Engländern, die nur ord¬
nungsmäßig gewählte Abgeordnete haben wollten, niedergestimmt. Endlich
beschloß man, daß der Congreß am ersten Montag im September 1866 und
zu Genf zusammentreten sollte. Als auf ihm zu erörternde Gegenstände be¬
stimmte man: 1) Die Organisation des Bundes. 2) Die Art des gemein¬
schaftlichen Vorgehens der Bundesglieder in den verschiedenen Kämpfen zwischen
Arbeit und Capital. 3) Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ge-
werkvereine. 4) Die cooperative Arbeit. 5) Die Verminderung der Arbeits-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/21>, abgerufen am 22.12.2024.