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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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die Sitzungen des Hauses von nun ab trugen. Eine Reihe von Regierungs¬
vorlagen war eingebracht, von denen einige den Zweck hatten, die Conformität
zwischen Bayern und dem Reiche zu ergänzen, während andre wesentlich
der volkswirthschaftlichen Entwicklung gelten. Dahin gehören beispielshalber
die zahlreichen Bahnbauten, die berathen wurden. Viel Zeit nahmen die
Rechnungsnachweise der vorvergangcnen Finanzperiode hinweg und endlich
fehlte es nicht an internen Angelegenheiten und Sorgen, denen die Einzelland¬
tage mit Recht die allergrößte Theilnahme zuwenden sollen.

Den eigentlichen Mittelpunkt der Arbeit aber bildete das Budget der
XI. Finanzperiode. Es liegt dem Zwecke dieser Zeilen fern, den Bedarf der
einzelnen Ressorts und die ziffermäßigen Daten aus dem bayrischen Haushalt
hervorzuheben, nur einzelnes, das entweder stofflich oder durch die Art der
Verhandlung besonderes Interesse bietet, sei hier betont. Zuerst kam der
Justizetat an die Reihe. Schon hier rauchte eine Frage auf, die immer mäch¬
tiger und dringender seit Jahren wurde und das war die Erhöhung der Be¬
amtengehalte. Die Regierung selbst trat mit dieser Ueberzeugung hervor und
der Standpunkt, welchen die Kammer einnahm, war der, daß sie zwar eine
Erhöhung der Besoldung guthieß, allein anderseits das Bestreben zeigte, diesen .
Mehrbedarf durch eine Minderung der Stellen auszugleichen. Man hatte
davon abgesehen, die Frage als ein gesondertes Gesetz zu behandeln, sondern
man zog es vor, bei dem Budget eines jeden einzelnen Ressorts die Steigerung
zu sanctioniren, und dann erst schließlich im Finanzgesetze festzustellen, ob die
Erhöhung einen pragmatischen Charakter oder nur den einer Theuerungszu¬
lage gewinnen sollte.

Zum Referenten hatte der Finanzausschuß in der Regel ein Mitglied
der Rechten ernannt und die entschiedene Taktik, die man auf dieser Seite
des Hauses verfolgte, ging dahin, das Beamtenwesen radical zu vermindern.
Die Regierung machte dabei alle nur erdenklichen Zugeständnisse, aber im
Ganzen mußte sie doch meistens den Wünschen des Ausschusses beschränkend
gegenübertreten. Am schärfsten ging man den höheren Stellen zu Leibe.
Wie zum Justizetat die Forderung gestellt worden war, daß die Appellgerichte
vermindert und 'die Stellen im Ministerium beschränkt werden sollten, so
wurde dem Minister des Innern das Ersuchen gestellt, die Stellen der Re-
gierungsdirectoren gänzlich zu beseitigen (die nach dem bairischen Organismus
ein Mittelglied zwischen dem Präsidium und dem Collegium bilden), deßgleichen
ward beantragt, die kleineren Bezirke unter den äußeren Aemtern zusammen¬
zulegen. Das Postulat für die Regierungspresse (20,000 Thlr.) ward gänzlich
abgelehnt, obwohl Herr von Pfeufer und Graf Hegnenberg dasselbe mit
Wärme vertheidigten; allein empfindlich ist dieser Verlust für das Ministerium
allerdings nicht, wenn man ihn wenigstens nach dem Gewinne mißt, den es


die Sitzungen des Hauses von nun ab trugen. Eine Reihe von Regierungs¬
vorlagen war eingebracht, von denen einige den Zweck hatten, die Conformität
zwischen Bayern und dem Reiche zu ergänzen, während andre wesentlich
der volkswirthschaftlichen Entwicklung gelten. Dahin gehören beispielshalber
die zahlreichen Bahnbauten, die berathen wurden. Viel Zeit nahmen die
Rechnungsnachweise der vorvergangcnen Finanzperiode hinweg und endlich
fehlte es nicht an internen Angelegenheiten und Sorgen, denen die Einzelland¬
tage mit Recht die allergrößte Theilnahme zuwenden sollen.

Den eigentlichen Mittelpunkt der Arbeit aber bildete das Budget der
XI. Finanzperiode. Es liegt dem Zwecke dieser Zeilen fern, den Bedarf der
einzelnen Ressorts und die ziffermäßigen Daten aus dem bayrischen Haushalt
hervorzuheben, nur einzelnes, das entweder stofflich oder durch die Art der
Verhandlung besonderes Interesse bietet, sei hier betont. Zuerst kam der
Justizetat an die Reihe. Schon hier rauchte eine Frage auf, die immer mäch¬
tiger und dringender seit Jahren wurde und das war die Erhöhung der Be¬
amtengehalte. Die Regierung selbst trat mit dieser Ueberzeugung hervor und
der Standpunkt, welchen die Kammer einnahm, war der, daß sie zwar eine
Erhöhung der Besoldung guthieß, allein anderseits das Bestreben zeigte, diesen .
Mehrbedarf durch eine Minderung der Stellen auszugleichen. Man hatte
davon abgesehen, die Frage als ein gesondertes Gesetz zu behandeln, sondern
man zog es vor, bei dem Budget eines jeden einzelnen Ressorts die Steigerung
zu sanctioniren, und dann erst schließlich im Finanzgesetze festzustellen, ob die
Erhöhung einen pragmatischen Charakter oder nur den einer Theuerungszu¬
lage gewinnen sollte.

Zum Referenten hatte der Finanzausschuß in der Regel ein Mitglied
der Rechten ernannt und die entschiedene Taktik, die man auf dieser Seite
des Hauses verfolgte, ging dahin, das Beamtenwesen radical zu vermindern.
Die Regierung machte dabei alle nur erdenklichen Zugeständnisse, aber im
Ganzen mußte sie doch meistens den Wünschen des Ausschusses beschränkend
gegenübertreten. Am schärfsten ging man den höheren Stellen zu Leibe.
Wie zum Justizetat die Forderung gestellt worden war, daß die Appellgerichte
vermindert und 'die Stellen im Ministerium beschränkt werden sollten, so
wurde dem Minister des Innern das Ersuchen gestellt, die Stellen der Re-
gierungsdirectoren gänzlich zu beseitigen (die nach dem bairischen Organismus
ein Mittelglied zwischen dem Präsidium und dem Collegium bilden), deßgleichen
ward beantragt, die kleineren Bezirke unter den äußeren Aemtern zusammen¬
zulegen. Das Postulat für die Regierungspresse (20,000 Thlr.) ward gänzlich
abgelehnt, obwohl Herr von Pfeufer und Graf Hegnenberg dasselbe mit
Wärme vertheidigten; allein empfindlich ist dieser Verlust für das Ministerium
allerdings nicht, wenn man ihn wenigstens nach dem Gewinne mißt, den es


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[0202] die Sitzungen des Hauses von nun ab trugen. Eine Reihe von Regierungs¬ vorlagen war eingebracht, von denen einige den Zweck hatten, die Conformität zwischen Bayern und dem Reiche zu ergänzen, während andre wesentlich der volkswirthschaftlichen Entwicklung gelten. Dahin gehören beispielshalber die zahlreichen Bahnbauten, die berathen wurden. Viel Zeit nahmen die Rechnungsnachweise der vorvergangcnen Finanzperiode hinweg und endlich fehlte es nicht an internen Angelegenheiten und Sorgen, denen die Einzelland¬ tage mit Recht die allergrößte Theilnahme zuwenden sollen. Den eigentlichen Mittelpunkt der Arbeit aber bildete das Budget der XI. Finanzperiode. Es liegt dem Zwecke dieser Zeilen fern, den Bedarf der einzelnen Ressorts und die ziffermäßigen Daten aus dem bayrischen Haushalt hervorzuheben, nur einzelnes, das entweder stofflich oder durch die Art der Verhandlung besonderes Interesse bietet, sei hier betont. Zuerst kam der Justizetat an die Reihe. Schon hier rauchte eine Frage auf, die immer mäch¬ tiger und dringender seit Jahren wurde und das war die Erhöhung der Be¬ amtengehalte. Die Regierung selbst trat mit dieser Ueberzeugung hervor und der Standpunkt, welchen die Kammer einnahm, war der, daß sie zwar eine Erhöhung der Besoldung guthieß, allein anderseits das Bestreben zeigte, diesen . Mehrbedarf durch eine Minderung der Stellen auszugleichen. Man hatte davon abgesehen, die Frage als ein gesondertes Gesetz zu behandeln, sondern man zog es vor, bei dem Budget eines jeden einzelnen Ressorts die Steigerung zu sanctioniren, und dann erst schließlich im Finanzgesetze festzustellen, ob die Erhöhung einen pragmatischen Charakter oder nur den einer Theuerungszu¬ lage gewinnen sollte. Zum Referenten hatte der Finanzausschuß in der Regel ein Mitglied der Rechten ernannt und die entschiedene Taktik, die man auf dieser Seite des Hauses verfolgte, ging dahin, das Beamtenwesen radical zu vermindern. Die Regierung machte dabei alle nur erdenklichen Zugeständnisse, aber im Ganzen mußte sie doch meistens den Wünschen des Ausschusses beschränkend gegenübertreten. Am schärfsten ging man den höheren Stellen zu Leibe. Wie zum Justizetat die Forderung gestellt worden war, daß die Appellgerichte vermindert und 'die Stellen im Ministerium beschränkt werden sollten, so wurde dem Minister des Innern das Ersuchen gestellt, die Stellen der Re- gierungsdirectoren gänzlich zu beseitigen (die nach dem bairischen Organismus ein Mittelglied zwischen dem Präsidium und dem Collegium bilden), deßgleichen ward beantragt, die kleineren Bezirke unter den äußeren Aemtern zusammen¬ zulegen. Das Postulat für die Regierungspresse (20,000 Thlr.) ward gänzlich abgelehnt, obwohl Herr von Pfeufer und Graf Hegnenberg dasselbe mit Wärme vertheidigten; allein empfindlich ist dieser Verlust für das Ministerium allerdings nicht, wenn man ihn wenigstens nach dem Gewinne mißt, den es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/202>, abgerufen am 22.12.2024.