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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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sich die Rollen vertheilt. Heutzutage muß das Alles anders werden. Schon
hab die Internationale die Vorurtheile von Volk gegen Volt besiegt: Wir
wissen, wie wir uns in Betreff der Vorsehung zu verhalten haben, die stets
sich nach der Seite der Millionen hingeneigt hat. Der liebe Gott hat seine
Zeit gehabt. Genug nun damit. Wir appelliren jetzt an alle die, welche
leiden und kämpfen. Wir sind die Gewalt und das Recht, wir müssen uns
selbst genügen. Gegen die rechtliche, die wirthschaftliche und religiöse Ordnung
haben wir unsere Anstrengungen zu richten."

Noch heftiger zeigte sich Combault. "Niemals", so rief er aus, "hat die
Arbeiterclasse den Besieger Frankreichs annehmen wollen, den sie vielmehr stets
als ihren grausamsten Feind betrachtet hat. Die Internationale hat sich den
harten Gesetzen der Nothwendigkeit gefügt, sie hat sich wie todt verhalten bis
zu dem Tage, wo sie sagen konnte: wir wollen kein Kaiserthum, und seit
mehreren Jahren ist das ihr lautester Schrei gewesen. Wir müssen uns mit
Politik beschäftigen, da die Arbeit der Politik unterworfen ist. Es muß laut
gesagt werden, ein für alle Mal, daß wir die sociale Republik mit allen ihren
Eonsequenzen wollen."

Die Regierung konnte sich derartige Angriffe nicht gefallen lassen, und
Ollivier gab den betreffenden Behörden die Weisung, die Internationale zu
überwachen und ihre Führer zu verhaften.

Zu derselben Zeit war man auch vor den Jakobinern, den Bewunderern
von Harmodius und Aristogiton, mehr auf der Hut, und dabei entdeckte man
einige Tage vor der Abstimmung das bekannte Complot mit den Orsini-
Bomben. Alle Schattirungen der republikanischen Partei bezeichneten dasselbe
als eine Erfindung der Polizei zur Erzielung eines der Negierung günstigen
Plebiscits. Aber die Leute, welche der Bericht des Generalprvcurators Grande
perret als Theilnehmer am Complot nannte, und welche später vor dem Ge¬
richtshof zu Blois sich deshalb zu verantworten hatten, Flourens, Megy,
Mlleneuve, Cournet, Jaclard, Rigault u. f. w. waren im nächsten Jahre Hel¬
den der Commune, und die war bekanntlich nichts weniger als eine Erfin¬
dung der Polizei. Die Internationale indeß hatte an der Bomben-Affaire
keinen Antheil, und insofern hatte sie Recht mit der Verwahrung vom fünften
Mai, in der sie sagte:

"Es ist falsch, daß die Internationale irgend wie bei dem neuen Com¬
plot betheiligt sein, welches ohne Zweifel nicht mehr Wirklichkeit hat, als die
früheren Erfindungen derselben Sorte. Die Internationale weiß zu gut, daß
die Leiden aller Art, welche das Proletariat erduldet, mehr von dem jetzigen
wirthschaftlichen Zustande als von dem zufälligen Despotismus einiger Staats-
streichmacher herrühren, als daß sie ihre Zeit damit verlieren sollte, von -der
Beseitigung eines derselben zu träumen. Die internationale Arbeiter-


sich die Rollen vertheilt. Heutzutage muß das Alles anders werden. Schon
hab die Internationale die Vorurtheile von Volk gegen Volt besiegt: Wir
wissen, wie wir uns in Betreff der Vorsehung zu verhalten haben, die stets
sich nach der Seite der Millionen hingeneigt hat. Der liebe Gott hat seine
Zeit gehabt. Genug nun damit. Wir appelliren jetzt an alle die, welche
leiden und kämpfen. Wir sind die Gewalt und das Recht, wir müssen uns
selbst genügen. Gegen die rechtliche, die wirthschaftliche und religiöse Ordnung
haben wir unsere Anstrengungen zu richten."

Noch heftiger zeigte sich Combault. „Niemals", so rief er aus, „hat die
Arbeiterclasse den Besieger Frankreichs annehmen wollen, den sie vielmehr stets
als ihren grausamsten Feind betrachtet hat. Die Internationale hat sich den
harten Gesetzen der Nothwendigkeit gefügt, sie hat sich wie todt verhalten bis
zu dem Tage, wo sie sagen konnte: wir wollen kein Kaiserthum, und seit
mehreren Jahren ist das ihr lautester Schrei gewesen. Wir müssen uns mit
Politik beschäftigen, da die Arbeit der Politik unterworfen ist. Es muß laut
gesagt werden, ein für alle Mal, daß wir die sociale Republik mit allen ihren
Eonsequenzen wollen."

Die Regierung konnte sich derartige Angriffe nicht gefallen lassen, und
Ollivier gab den betreffenden Behörden die Weisung, die Internationale zu
überwachen und ihre Führer zu verhaften.

Zu derselben Zeit war man auch vor den Jakobinern, den Bewunderern
von Harmodius und Aristogiton, mehr auf der Hut, und dabei entdeckte man
einige Tage vor der Abstimmung das bekannte Complot mit den Orsini-
Bomben. Alle Schattirungen der republikanischen Partei bezeichneten dasselbe
als eine Erfindung der Polizei zur Erzielung eines der Negierung günstigen
Plebiscits. Aber die Leute, welche der Bericht des Generalprvcurators Grande
perret als Theilnehmer am Complot nannte, und welche später vor dem Ge¬
richtshof zu Blois sich deshalb zu verantworten hatten, Flourens, Megy,
Mlleneuve, Cournet, Jaclard, Rigault u. f. w. waren im nächsten Jahre Hel¬
den der Commune, und die war bekanntlich nichts weniger als eine Erfin¬
dung der Polizei. Die Internationale indeß hatte an der Bomben-Affaire
keinen Antheil, und insofern hatte sie Recht mit der Verwahrung vom fünften
Mai, in der sie sagte:

„Es ist falsch, daß die Internationale irgend wie bei dem neuen Com¬
plot betheiligt sein, welches ohne Zweifel nicht mehr Wirklichkeit hat, als die
früheren Erfindungen derselben Sorte. Die Internationale weiß zu gut, daß
die Leiden aller Art, welche das Proletariat erduldet, mehr von dem jetzigen
wirthschaftlichen Zustande als von dem zufälligen Despotismus einiger Staats-
streichmacher herrühren, als daß sie ihre Zeit damit verlieren sollte, von -der
Beseitigung eines derselben zu träumen. Die internationale Arbeiter-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/191>, abgerufen am 24.08.2024.