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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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genossensch äst, die permanente Verschwörung aller Unter¬
drückten und Ausgebeuteten, wird, trotz der ohnmächtigen Verfolgun¬
gen gegen ihre sogenannten Häupter so lange existiren, als nicht alle
Ausbeuter, Capitalisten, Priester und politischen Abenteurer
verschwunden sind."

Dieses Manifest war eine Kriegserklärung nicht nur gegen die Leute des
Kaiserthums, die offenbar mit den "politischen Abenteurern" gemeint waren,
sondern auch gegen die Bürgerklasse, die Geistlichkeit und jeden, der irgend
ein Interesse an der Aufrechthaltung der gesellschaftlichen Ordnung hatte.
Außer der Internationale selbst war deshalb niemand erstaunt, als man hörte,
daß gegen die Leiter dieser Genossenschaft zum dritten Mal gerichtlich vor¬
gegangen werde.

Dieser dritte Prozeß war auf zahlreiche Documente hin angestrengt wor¬
den, welche man bei den Angeschuldigten weggenommen hatte, und in denen
die eigentlichen Pläne, -die geheimsten Hoffnungen der Freunde des Umsturzes
vollständig enthüllt waren. Der Staatsanwalt wies nach, wie die Inter¬
nationale, obwohl sie weder ihre Existenz noch die Namen ihrer Mitglieder,
noch Ort und Stunde ihrer Versammlungen verborgen hielte, doch unter das
Gesetz gegen die geheimen Gesellschaften falle, indem sich hinter ihrem angeb¬
lichen Ziele noch ein anderes von ihr sorgfältig abgeleugnetes versteckte. Die
Angeklagten waren in zwei Classen getheilt, von denen jede 18 Köpfe zählte;
die eine war der Gründung und Leitung, die andere nur der Theilnahme an
der geheimen Verbindung beschuldigt. Villetard giebt alle 38 Namen. Mit
Ausnahme von 8, unter denen wir einen Civilingenieur, einen Buchhandlungs¬
gehülfen, drei Journalisten, zwei "Professeurs" (nicht Professoren) und einen
Studenten der Rechte finden, sind allesammt Handwerker. Fügen wir zu den
38 Internationalen die um dieselbe Zeit in Blois wegen des Bomben-Com-
plots vor Gericht gestellten Jakobiner, so haben wir die Liste der Namen,
welche 1871 das Centralcomite' der Nationalgarde und die Commune von
Paris bildeten, fast vollständig vor Augen. Die Revolution vom 18. März
ist also halb für Rechnung der Internationalen und halb für Rechnung der
Bourgeois-Republikaner vorbereitet und durchgeführt worden. Wir haben
schon darauf hingewiesen, daß diese beiden Flügel der Revolutionäre sich ein¬
ander im höchsten Grade mißtrauten und haßten. Man kann sich also leicht
die Empfindungen vorstellen, welche sie gegen einander hegten, als sie eine
Zeit lang Herren des Stadthauses waren, und es ist anzunehmen, daß dieser
Argwohn und Haß ihnen nicht lange gestattet haben würde, die Macht fest¬
zuhalten, selbst wenn es Flourens, Duval und Bergeret gelungen wäre, Ver¬
sailles einzunehmen und die dortigen .Mauernabgeordneten" auseinanderzu¬
sprengen.


genossensch äst, die permanente Verschwörung aller Unter¬
drückten und Ausgebeuteten, wird, trotz der ohnmächtigen Verfolgun¬
gen gegen ihre sogenannten Häupter so lange existiren, als nicht alle
Ausbeuter, Capitalisten, Priester und politischen Abenteurer
verschwunden sind."

Dieses Manifest war eine Kriegserklärung nicht nur gegen die Leute des
Kaiserthums, die offenbar mit den „politischen Abenteurern" gemeint waren,
sondern auch gegen die Bürgerklasse, die Geistlichkeit und jeden, der irgend
ein Interesse an der Aufrechthaltung der gesellschaftlichen Ordnung hatte.
Außer der Internationale selbst war deshalb niemand erstaunt, als man hörte,
daß gegen die Leiter dieser Genossenschaft zum dritten Mal gerichtlich vor¬
gegangen werde.

Dieser dritte Prozeß war auf zahlreiche Documente hin angestrengt wor¬
den, welche man bei den Angeschuldigten weggenommen hatte, und in denen
die eigentlichen Pläne, -die geheimsten Hoffnungen der Freunde des Umsturzes
vollständig enthüllt waren. Der Staatsanwalt wies nach, wie die Inter¬
nationale, obwohl sie weder ihre Existenz noch die Namen ihrer Mitglieder,
noch Ort und Stunde ihrer Versammlungen verborgen hielte, doch unter das
Gesetz gegen die geheimen Gesellschaften falle, indem sich hinter ihrem angeb¬
lichen Ziele noch ein anderes von ihr sorgfältig abgeleugnetes versteckte. Die
Angeklagten waren in zwei Classen getheilt, von denen jede 18 Köpfe zählte;
die eine war der Gründung und Leitung, die andere nur der Theilnahme an
der geheimen Verbindung beschuldigt. Villetard giebt alle 38 Namen. Mit
Ausnahme von 8, unter denen wir einen Civilingenieur, einen Buchhandlungs¬
gehülfen, drei Journalisten, zwei „Professeurs" (nicht Professoren) und einen
Studenten der Rechte finden, sind allesammt Handwerker. Fügen wir zu den
38 Internationalen die um dieselbe Zeit in Blois wegen des Bomben-Com-
plots vor Gericht gestellten Jakobiner, so haben wir die Liste der Namen,
welche 1871 das Centralcomite' der Nationalgarde und die Commune von
Paris bildeten, fast vollständig vor Augen. Die Revolution vom 18. März
ist also halb für Rechnung der Internationalen und halb für Rechnung der
Bourgeois-Republikaner vorbereitet und durchgeführt worden. Wir haben
schon darauf hingewiesen, daß diese beiden Flügel der Revolutionäre sich ein¬
ander im höchsten Grade mißtrauten und haßten. Man kann sich also leicht
die Empfindungen vorstellen, welche sie gegen einander hegten, als sie eine
Zeit lang Herren des Stadthauses waren, und es ist anzunehmen, daß dieser
Argwohn und Haß ihnen nicht lange gestattet haben würde, die Macht fest¬
zuhalten, selbst wenn es Flourens, Duval und Bergeret gelungen wäre, Ver¬
sailles einzunehmen und die dortigen .Mauernabgeordneten" auseinanderzu¬
sprengen.


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[0192] genossensch äst, die permanente Verschwörung aller Unter¬ drückten und Ausgebeuteten, wird, trotz der ohnmächtigen Verfolgun¬ gen gegen ihre sogenannten Häupter so lange existiren, als nicht alle Ausbeuter, Capitalisten, Priester und politischen Abenteurer verschwunden sind." Dieses Manifest war eine Kriegserklärung nicht nur gegen die Leute des Kaiserthums, die offenbar mit den „politischen Abenteurern" gemeint waren, sondern auch gegen die Bürgerklasse, die Geistlichkeit und jeden, der irgend ein Interesse an der Aufrechthaltung der gesellschaftlichen Ordnung hatte. Außer der Internationale selbst war deshalb niemand erstaunt, als man hörte, daß gegen die Leiter dieser Genossenschaft zum dritten Mal gerichtlich vor¬ gegangen werde. Dieser dritte Prozeß war auf zahlreiche Documente hin angestrengt wor¬ den, welche man bei den Angeschuldigten weggenommen hatte, und in denen die eigentlichen Pläne, -die geheimsten Hoffnungen der Freunde des Umsturzes vollständig enthüllt waren. Der Staatsanwalt wies nach, wie die Inter¬ nationale, obwohl sie weder ihre Existenz noch die Namen ihrer Mitglieder, noch Ort und Stunde ihrer Versammlungen verborgen hielte, doch unter das Gesetz gegen die geheimen Gesellschaften falle, indem sich hinter ihrem angeb¬ lichen Ziele noch ein anderes von ihr sorgfältig abgeleugnetes versteckte. Die Angeklagten waren in zwei Classen getheilt, von denen jede 18 Köpfe zählte; die eine war der Gründung und Leitung, die andere nur der Theilnahme an der geheimen Verbindung beschuldigt. Villetard giebt alle 38 Namen. Mit Ausnahme von 8, unter denen wir einen Civilingenieur, einen Buchhandlungs¬ gehülfen, drei Journalisten, zwei „Professeurs" (nicht Professoren) und einen Studenten der Rechte finden, sind allesammt Handwerker. Fügen wir zu den 38 Internationalen die um dieselbe Zeit in Blois wegen des Bomben-Com- plots vor Gericht gestellten Jakobiner, so haben wir die Liste der Namen, welche 1871 das Centralcomite' der Nationalgarde und die Commune von Paris bildeten, fast vollständig vor Augen. Die Revolution vom 18. März ist also halb für Rechnung der Internationalen und halb für Rechnung der Bourgeois-Republikaner vorbereitet und durchgeführt worden. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß diese beiden Flügel der Revolutionäre sich ein¬ ander im höchsten Grade mißtrauten und haßten. Man kann sich also leicht die Empfindungen vorstellen, welche sie gegen einander hegten, als sie eine Zeit lang Herren des Stadthauses waren, und es ist anzunehmen, daß dieser Argwohn und Haß ihnen nicht lange gestattet haben würde, die Macht fest¬ zuhalten, selbst wenn es Flourens, Duval und Bergeret gelungen wäre, Ver¬ sailles einzunehmen und die dortigen .Mauernabgeordneten" auseinanderzu¬ sprengen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/192>, abgerufen am 24.08.2024.