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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Ausdrücke Waffen. Pulver, Munition, sondern auch Nitroglycerin und Potasch-
pikrat, und wenn das Wort Petroleum fehlt, so ist's wohl nur deshalb, weil
man damals noch nicht mit der Methode bekannt war, wie man Häuser und
Städte am sichersten in Brand steckt. Bei einem der Herren Internationalen,
jenem Pindy, der im Frühjahr 1871 in Paris eine Rolle spielte, hatte man
sogar Recepte zur Bereitung von Nitroglycerin, Chloratpulver und ähnlichen
Sprengstoffen mit Beschlag belegt, auf denen die Anweisung stand: "Aus dem
Fenster zu werfen" oder: "In die Abzugscanäle zu schütten." Pindy wollte
sich diese gefährlichen chemischen Formeln und diese beunruhigenden Anweisun¬
gen allerdings nur aus Neugier abgeschrieben haben und meinte, der Staats¬
anwalt habe damit nur einen Popanz für die guten dummen Tröpfe der
Bourgeoisie hinstellen wollen. Aber der Popanz war ein sehr reales Unge¬
heuer, und die guten dummen Tröpfe der Pariser Bourgeoisie haben es im
Mai 1871 theuer bezahlen müssen, daß sie sich nicht vor ihm genügend
fürchteten.

Das Ministerium vom 2. Januar hatte den Fehler begangen, bei Ge¬
legenheit der Reformen, die es vom Senat bewilligen lassen wollte, ein Ple¬
biscit zu veranstalten. Dasselbe r.les die ungeheuerste Aufregung im Lande
hervor. Die Internationale versuchte davon Nutzen zu ziehen. Am 11. April
veröffentlichte die Föderalsection des französischen Zweiges eine von London
datirte Ansprache, die mit den Worten schloß: "Wir können weder für das
parlamentarische, noch für das absolutistische Kaiserthum stimmen. Wir wer¬
den unsre Stimmen alle für die Republik abgeben, indem wir leere Zettel in
die Urne werfen. Keine Enthaltung! Leere Zettel!" Später wurde eine
andere Losung ausgegeben: alle Revolutionäre, gleichviel welcher Fraction der
Partei sie angehören, sollen mit Nein stimmen, was dann viele Liberale trotz
ihrer Abneigung gegen das Kaiserthum mit Ja zu stimmen bewog.

Das Plebiscit wurde theils Vorwand, theils wirklicher Beweggrund zu
einer Menge öffentlicher Versammlungen, von denen einige von Mitgliedern
der Internationale, die offen in deren Namen sprachen, viele von Führern
des Bundes ohne officiellen Charakter berufen wurden. Die meisten begannen
damit, daß sie einen gewissen Megy zum Ehrenpräsidenten wählten, welcher
sich der Demagogie werth gemacht hatte, indem er den mit seiner Verhaftung
beauftragten Polizeiagenten Mourot niedergeschossen. Einige hoben sich bis
zu drei Ehrenpräsidenten, dann aber nahm Megy stets den Vorrang vor
Garibaldi und Nochefort ein. In einer dieser Versammlungen, ein der circa
2000 Arbeiter theilnahmen, wurde der Bundesvertrag der Pariser Arbeiter¬
vereine beschlossen und zugleich ein Comite niedergesetzt, welches im Namen
der Internationale ein Manifest gegen das Plebiscit entwerfen sollte.

"Die -uns ausbeuten", sagte Varlin in dieser Versammlung, "haben unter


Ausdrücke Waffen. Pulver, Munition, sondern auch Nitroglycerin und Potasch-
pikrat, und wenn das Wort Petroleum fehlt, so ist's wohl nur deshalb, weil
man damals noch nicht mit der Methode bekannt war, wie man Häuser und
Städte am sichersten in Brand steckt. Bei einem der Herren Internationalen,
jenem Pindy, der im Frühjahr 1871 in Paris eine Rolle spielte, hatte man
sogar Recepte zur Bereitung von Nitroglycerin, Chloratpulver und ähnlichen
Sprengstoffen mit Beschlag belegt, auf denen die Anweisung stand: „Aus dem
Fenster zu werfen" oder: „In die Abzugscanäle zu schütten." Pindy wollte
sich diese gefährlichen chemischen Formeln und diese beunruhigenden Anweisun¬
gen allerdings nur aus Neugier abgeschrieben haben und meinte, der Staats¬
anwalt habe damit nur einen Popanz für die guten dummen Tröpfe der
Bourgeoisie hinstellen wollen. Aber der Popanz war ein sehr reales Unge¬
heuer, und die guten dummen Tröpfe der Pariser Bourgeoisie haben es im
Mai 1871 theuer bezahlen müssen, daß sie sich nicht vor ihm genügend
fürchteten.

Das Ministerium vom 2. Januar hatte den Fehler begangen, bei Ge¬
legenheit der Reformen, die es vom Senat bewilligen lassen wollte, ein Ple¬
biscit zu veranstalten. Dasselbe r.les die ungeheuerste Aufregung im Lande
hervor. Die Internationale versuchte davon Nutzen zu ziehen. Am 11. April
veröffentlichte die Föderalsection des französischen Zweiges eine von London
datirte Ansprache, die mit den Worten schloß: „Wir können weder für das
parlamentarische, noch für das absolutistische Kaiserthum stimmen. Wir wer¬
den unsre Stimmen alle für die Republik abgeben, indem wir leere Zettel in
die Urne werfen. Keine Enthaltung! Leere Zettel!" Später wurde eine
andere Losung ausgegeben: alle Revolutionäre, gleichviel welcher Fraction der
Partei sie angehören, sollen mit Nein stimmen, was dann viele Liberale trotz
ihrer Abneigung gegen das Kaiserthum mit Ja zu stimmen bewog.

Das Plebiscit wurde theils Vorwand, theils wirklicher Beweggrund zu
einer Menge öffentlicher Versammlungen, von denen einige von Mitgliedern
der Internationale, die offen in deren Namen sprachen, viele von Führern
des Bundes ohne officiellen Charakter berufen wurden. Die meisten begannen
damit, daß sie einen gewissen Megy zum Ehrenpräsidenten wählten, welcher
sich der Demagogie werth gemacht hatte, indem er den mit seiner Verhaftung
beauftragten Polizeiagenten Mourot niedergeschossen. Einige hoben sich bis
zu drei Ehrenpräsidenten, dann aber nahm Megy stets den Vorrang vor
Garibaldi und Nochefort ein. In einer dieser Versammlungen, ein der circa
2000 Arbeiter theilnahmen, wurde der Bundesvertrag der Pariser Arbeiter¬
vereine beschlossen und zugleich ein Comite niedergesetzt, welches im Namen
der Internationale ein Manifest gegen das Plebiscit entwerfen sollte.

„Die -uns ausbeuten", sagte Varlin in dieser Versammlung, „haben unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/190>, abgerufen am 22.07.2024.