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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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kammer" zu verknüpfen und so eine Föderation zu organisiren, die nichts an¬
deres wäre, als die Internationale selbst mit ihrer ganzen Gliederung und
allen ihren Actionsmitteln. Die Behörden konnten das um so weniger igno-
riren, als zu dem angegebenen Zwecke eine große Menge von zahlreich be¬
suchten Volksversammlungen abzuhalten waren, die man ohne vorgängige Er¬
laubniß nicht eröffnen durfte. Man stattete hier Bericht über Arbeits¬
einstellungen ab, man sammelte Gelder zu deren Unterstützung, kurz nichts
unterschied eine föderale Versammlung von einer internationalen. Die Re¬
gierung beschloß im September 1869, diese Zusammenkünfte zu untersagen.
Sofort protestirte die Genossenschaft gegen diese Beeinträchtigung des Vereins¬
rechtes. Sie brachte dabei ihre Klage vor das Publicum durch Blätter, die
sie sonst aufs Eifrigste verfolgte, und an den Gesetzgebenden Körper durch die
Abgeordneten der äußersten Linken, vor denen sie sonst die souveränste Ver¬
achtung zu empfinden sich rühmte. Ihr Protest erschien im "Siecle" vom
12. September 1869, während zu gleicher Zeit der "Travail", ein von den
Freunden der Internationale gegründetes Journal, alle Demokraten auffor¬
derte, die Kaffeehäuser und Schenken zu meiden, welche den von ihrer Partei
in den Bann gethanen "Siecle" zu halten fortführen. Am 2ö. December
desselben Jahres schrieb Varlin an Aubry: "Der "Siecle" ist vielleicht auch
in Rouen das Blatt der Weinwirthe und Garköche. Sie könnten gegen ihn
denselben Feldzug eröffnen, der gegen ihn in Paris im Zuge ist, und von
dem Sie im "Travail" gelesen haben." Den 2. Februar 1870 ferner meldete
Bastelica in einem Schreiben aus Marseille Varlin, daß Gambetta und Es-
quiros die Regierung wegen der Arbeitseinstellung in Creuzot interpellirt, in¬
dem er sagte: "Was Ihnen ohne Zweifel unbekannt geblieben, ist. daß
Gambetta und Esquiros auf unsereSommation hin interpellirt haben."
Dann fügte er achselzuckend und mitleidig in Bezug auf diese Unterwürfigkeit
der "unversöhnlichen Opposition" hinzu: "Unsere Radikalen ducken sich, bücken
sich. Die Ebbe der öffentlichen Meinung wird den verrotteten Kiel dieser
alten Wachtschiffe bald aufs Trockne setzen."

An dem Tage, wo die Chefs der Internationale diese "alten Wacht¬
schiffe" durch eine Revolution wieder flott gemacht sahen, kannte ihre Wuth
keine Grenzen. Dupont schrieb am 7. September von London an Albert
Richard in Lyon: "Das erbärmliche Ende des kaiserlichen Soulouque bringt
uns die Favre, die Gambetta an die Gewalt. Nichts hat sich geändert, und
die. Macht gehört immer noch der Bourgeoisie. Unter diesen Umständen ist
die Rolle oder vielmehr die Pflicht der Arbeiter, zuzusehen, wie dieses Bour¬
geois-Ungeziefer mit den Preußen Frieden schließt."

Dieser Haß wurde nicht geheim gehalten; denn man hatte es jetzt nicht
mese nöthig. Trotz der Prozesse und Verurteilungen, welche die Jnternatio-


kammer" zu verknüpfen und so eine Föderation zu organisiren, die nichts an¬
deres wäre, als die Internationale selbst mit ihrer ganzen Gliederung und
allen ihren Actionsmitteln. Die Behörden konnten das um so weniger igno-
riren, als zu dem angegebenen Zwecke eine große Menge von zahlreich be¬
suchten Volksversammlungen abzuhalten waren, die man ohne vorgängige Er¬
laubniß nicht eröffnen durfte. Man stattete hier Bericht über Arbeits¬
einstellungen ab, man sammelte Gelder zu deren Unterstützung, kurz nichts
unterschied eine föderale Versammlung von einer internationalen. Die Re¬
gierung beschloß im September 1869, diese Zusammenkünfte zu untersagen.
Sofort protestirte die Genossenschaft gegen diese Beeinträchtigung des Vereins¬
rechtes. Sie brachte dabei ihre Klage vor das Publicum durch Blätter, die
sie sonst aufs Eifrigste verfolgte, und an den Gesetzgebenden Körper durch die
Abgeordneten der äußersten Linken, vor denen sie sonst die souveränste Ver¬
achtung zu empfinden sich rühmte. Ihr Protest erschien im „Siecle" vom
12. September 1869, während zu gleicher Zeit der „Travail", ein von den
Freunden der Internationale gegründetes Journal, alle Demokraten auffor¬
derte, die Kaffeehäuser und Schenken zu meiden, welche den von ihrer Partei
in den Bann gethanen „Siecle" zu halten fortführen. Am 2ö. December
desselben Jahres schrieb Varlin an Aubry: „Der „Siecle" ist vielleicht auch
in Rouen das Blatt der Weinwirthe und Garköche. Sie könnten gegen ihn
denselben Feldzug eröffnen, der gegen ihn in Paris im Zuge ist, und von
dem Sie im „Travail" gelesen haben." Den 2. Februar 1870 ferner meldete
Bastelica in einem Schreiben aus Marseille Varlin, daß Gambetta und Es-
quiros die Regierung wegen der Arbeitseinstellung in Creuzot interpellirt, in¬
dem er sagte: „Was Ihnen ohne Zweifel unbekannt geblieben, ist. daß
Gambetta und Esquiros auf unsereSommation hin interpellirt haben."
Dann fügte er achselzuckend und mitleidig in Bezug auf diese Unterwürfigkeit
der „unversöhnlichen Opposition" hinzu: „Unsere Radikalen ducken sich, bücken
sich. Die Ebbe der öffentlichen Meinung wird den verrotteten Kiel dieser
alten Wachtschiffe bald aufs Trockne setzen."

An dem Tage, wo die Chefs der Internationale diese „alten Wacht¬
schiffe" durch eine Revolution wieder flott gemacht sahen, kannte ihre Wuth
keine Grenzen. Dupont schrieb am 7. September von London an Albert
Richard in Lyon: „Das erbärmliche Ende des kaiserlichen Soulouque bringt
uns die Favre, die Gambetta an die Gewalt. Nichts hat sich geändert, und
die. Macht gehört immer noch der Bourgeoisie. Unter diesen Umständen ist
die Rolle oder vielmehr die Pflicht der Arbeiter, zuzusehen, wie dieses Bour¬
geois-Ungeziefer mit den Preußen Frieden schließt."

Dieser Haß wurde nicht geheim gehalten; denn man hatte es jetzt nicht
mese nöthig. Trotz der Prozesse und Verurteilungen, welche die Jnternatio-


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[0183] kammer" zu verknüpfen und so eine Föderation zu organisiren, die nichts an¬ deres wäre, als die Internationale selbst mit ihrer ganzen Gliederung und allen ihren Actionsmitteln. Die Behörden konnten das um so weniger igno- riren, als zu dem angegebenen Zwecke eine große Menge von zahlreich be¬ suchten Volksversammlungen abzuhalten waren, die man ohne vorgängige Er¬ laubniß nicht eröffnen durfte. Man stattete hier Bericht über Arbeits¬ einstellungen ab, man sammelte Gelder zu deren Unterstützung, kurz nichts unterschied eine föderale Versammlung von einer internationalen. Die Re¬ gierung beschloß im September 1869, diese Zusammenkünfte zu untersagen. Sofort protestirte die Genossenschaft gegen diese Beeinträchtigung des Vereins¬ rechtes. Sie brachte dabei ihre Klage vor das Publicum durch Blätter, die sie sonst aufs Eifrigste verfolgte, und an den Gesetzgebenden Körper durch die Abgeordneten der äußersten Linken, vor denen sie sonst die souveränste Ver¬ achtung zu empfinden sich rühmte. Ihr Protest erschien im „Siecle" vom 12. September 1869, während zu gleicher Zeit der „Travail", ein von den Freunden der Internationale gegründetes Journal, alle Demokraten auffor¬ derte, die Kaffeehäuser und Schenken zu meiden, welche den von ihrer Partei in den Bann gethanen „Siecle" zu halten fortführen. Am 2ö. December desselben Jahres schrieb Varlin an Aubry: „Der „Siecle" ist vielleicht auch in Rouen das Blatt der Weinwirthe und Garköche. Sie könnten gegen ihn denselben Feldzug eröffnen, der gegen ihn in Paris im Zuge ist, und von dem Sie im „Travail" gelesen haben." Den 2. Februar 1870 ferner meldete Bastelica in einem Schreiben aus Marseille Varlin, daß Gambetta und Es- quiros die Regierung wegen der Arbeitseinstellung in Creuzot interpellirt, in¬ dem er sagte: „Was Ihnen ohne Zweifel unbekannt geblieben, ist. daß Gambetta und Esquiros auf unsereSommation hin interpellirt haben." Dann fügte er achselzuckend und mitleidig in Bezug auf diese Unterwürfigkeit der „unversöhnlichen Opposition" hinzu: „Unsere Radikalen ducken sich, bücken sich. Die Ebbe der öffentlichen Meinung wird den verrotteten Kiel dieser alten Wachtschiffe bald aufs Trockne setzen." An dem Tage, wo die Chefs der Internationale diese „alten Wacht¬ schiffe" durch eine Revolution wieder flott gemacht sahen, kannte ihre Wuth keine Grenzen. Dupont schrieb am 7. September von London an Albert Richard in Lyon: „Das erbärmliche Ende des kaiserlichen Soulouque bringt uns die Favre, die Gambetta an die Gewalt. Nichts hat sich geändert, und die. Macht gehört immer noch der Bourgeoisie. Unter diesen Umständen ist die Rolle oder vielmehr die Pflicht der Arbeiter, zuzusehen, wie dieses Bour¬ geois-Ungeziefer mit den Preußen Frieden schließt." Dieser Haß wurde nicht geheim gehalten; denn man hatte es jetzt nicht mese nöthig. Trotz der Prozesse und Verurteilungen, welche die Jnternatio-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/183>, abgerufen am 22.07.2024.