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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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halten der Arbeiter ließ diesen jesuitischen Plan scheitern. Die Heizer und
die Walzer erklärten, daß sie das Loos der Puddler theilen wollten, und die
Eisenfabrik des Herrn John Cockerill blieb verlassen."

In diesem Bericht des officiellen Organes des großen Arbeiterbundes
findet man leicht heraus, was sich eigentlich hatte zutragen sollen. Die In¬
ternationale hatte einen Strike der Puddler gewollt, das war auf den ersten
Schlag nicht gegangen, die Arbeiter hatten sich vielmehr bald mit ihrem
Arbeitgeber verständigt, aber die Internationale rächte sich. Die Rückkehr des
"verabscheuten Chefs der Fabrik" kann nur ein Vorwand gewesen sein; denn
in dem Bericht des "Ne'veil" von Seraing, der zwischen der ersten Wieder¬
aufnahme der Arbeit und der abermaligen Unterbrechung derselben geschrieben
ist, werden alle Beschwerden der Arbeiter in behaglicher Breite aufgezählt und
langer Erörterung unterzogen, aber man begegnet darin nicht einmal einer
Anspielung auf Reclamationen gegen irgend einen Fabriks-Chef.

Diesmal gelang es der Internationale vollständig. Sie hatte höchst
wahrscheinlich eine nur theilweise Arbeitseinstellung gewünscht und angerührt;
denn es liegt in ihrem Interesse, möglichst wenig Leute füttern zu müssen.
Sind einmal die von den feiernden Arbeitern geforderten Zugeständnisse ihren
Arbeitgebern entrissen, so legt man sie fast immer ohne Kampf allen übrigen
Chefs derselben Industrie auf. Nichts ist natürlicher als diese Taktik, und
wir haben den Beweis in den Händen, daß es das System ist, dem die Führer
des Bundes für gewöhnlich den Vorzug geben. Villetard führt mehrere Briefe
Varlins an Aubry an, welche dies deutlich aussprechen. Wir geben daraus
nur eine Stelle aus dem Briefe vom 8. October 1869, der sich auf eine Coa-
lition in Elboeuf bezieht und wo es heißt:

"Ich muß Ihnen rathen, die Ausdehnung der Arbeitseinstellung auf
andre Fabriken in der Nachbarschaft von Elboeuf zu vermeiden. Wenn die
Arbeitgeber sie nicht mit Gewalt drängen, so mögen die Arbeiter sich in Ge¬
duld fassen, und warten mit der Erzwingung des Tarifs, bis ihn die gegen¬
wärtig feiernden Häuser erlangt haben."

Die Führer bei der Arbeitseinstellung von Seraing hatten dieses System,
mit dem sie gewöhnlich Erfolg gehabt, wieder anwenden wollen. Aber die
Anstrengungen, die sie gemacht, um die Puddler zum Striken zu bewegen,
hatten auch die übrigen Arbeiter, die in der industriellen Strategie wenig
erfahren waren, zum Losbrechen veranlaßt. "Unglücklicherweise", so sagt d'as
officielle Organ des Bundes, "legten auch die Arbeiter, die in den Cockerill-
schen Kohlenwerken beschäftigt waren. die.Arbeit nieder, trotz der verständigen
Mahnungen zur Vorsicht von Seiten der Mitglieder der Internationale von
Seraing, welche ihnen die Unzweckmäßigkeit dieses Verfahrens darzuthun ver¬
suchten. Andere Kohlenwerke folgten diesem Beispiel, unter andern das von


Grenzboten II. 1872. 18

halten der Arbeiter ließ diesen jesuitischen Plan scheitern. Die Heizer und
die Walzer erklärten, daß sie das Loos der Puddler theilen wollten, und die
Eisenfabrik des Herrn John Cockerill blieb verlassen."

In diesem Bericht des officiellen Organes des großen Arbeiterbundes
findet man leicht heraus, was sich eigentlich hatte zutragen sollen. Die In¬
ternationale hatte einen Strike der Puddler gewollt, das war auf den ersten
Schlag nicht gegangen, die Arbeiter hatten sich vielmehr bald mit ihrem
Arbeitgeber verständigt, aber die Internationale rächte sich. Die Rückkehr des
„verabscheuten Chefs der Fabrik" kann nur ein Vorwand gewesen sein; denn
in dem Bericht des „Ne'veil" von Seraing, der zwischen der ersten Wieder¬
aufnahme der Arbeit und der abermaligen Unterbrechung derselben geschrieben
ist, werden alle Beschwerden der Arbeiter in behaglicher Breite aufgezählt und
langer Erörterung unterzogen, aber man begegnet darin nicht einmal einer
Anspielung auf Reclamationen gegen irgend einen Fabriks-Chef.

Diesmal gelang es der Internationale vollständig. Sie hatte höchst
wahrscheinlich eine nur theilweise Arbeitseinstellung gewünscht und angerührt;
denn es liegt in ihrem Interesse, möglichst wenig Leute füttern zu müssen.
Sind einmal die von den feiernden Arbeitern geforderten Zugeständnisse ihren
Arbeitgebern entrissen, so legt man sie fast immer ohne Kampf allen übrigen
Chefs derselben Industrie auf. Nichts ist natürlicher als diese Taktik, und
wir haben den Beweis in den Händen, daß es das System ist, dem die Führer
des Bundes für gewöhnlich den Vorzug geben. Villetard führt mehrere Briefe
Varlins an Aubry an, welche dies deutlich aussprechen. Wir geben daraus
nur eine Stelle aus dem Briefe vom 8. October 1869, der sich auf eine Coa-
lition in Elboeuf bezieht und wo es heißt:

„Ich muß Ihnen rathen, die Ausdehnung der Arbeitseinstellung auf
andre Fabriken in der Nachbarschaft von Elboeuf zu vermeiden. Wenn die
Arbeitgeber sie nicht mit Gewalt drängen, so mögen die Arbeiter sich in Ge¬
duld fassen, und warten mit der Erzwingung des Tarifs, bis ihn die gegen¬
wärtig feiernden Häuser erlangt haben."

Die Führer bei der Arbeitseinstellung von Seraing hatten dieses System,
mit dem sie gewöhnlich Erfolg gehabt, wieder anwenden wollen. Aber die
Anstrengungen, die sie gemacht, um die Puddler zum Striken zu bewegen,
hatten auch die übrigen Arbeiter, die in der industriellen Strategie wenig
erfahren waren, zum Losbrechen veranlaßt. „Unglücklicherweise", so sagt d'as
officielle Organ des Bundes, „legten auch die Arbeiter, die in den Cockerill-
schen Kohlenwerken beschäftigt waren. die.Arbeit nieder, trotz der verständigen
Mahnungen zur Vorsicht von Seiten der Mitglieder der Internationale von
Seraing, welche ihnen die Unzweckmäßigkeit dieses Verfahrens darzuthun ver¬
suchten. Andere Kohlenwerke folgten diesem Beispiel, unter andern das von


Grenzboten II. 1872. 18
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[0145] halten der Arbeiter ließ diesen jesuitischen Plan scheitern. Die Heizer und die Walzer erklärten, daß sie das Loos der Puddler theilen wollten, und die Eisenfabrik des Herrn John Cockerill blieb verlassen." In diesem Bericht des officiellen Organes des großen Arbeiterbundes findet man leicht heraus, was sich eigentlich hatte zutragen sollen. Die In¬ ternationale hatte einen Strike der Puddler gewollt, das war auf den ersten Schlag nicht gegangen, die Arbeiter hatten sich vielmehr bald mit ihrem Arbeitgeber verständigt, aber die Internationale rächte sich. Die Rückkehr des „verabscheuten Chefs der Fabrik" kann nur ein Vorwand gewesen sein; denn in dem Bericht des „Ne'veil" von Seraing, der zwischen der ersten Wieder¬ aufnahme der Arbeit und der abermaligen Unterbrechung derselben geschrieben ist, werden alle Beschwerden der Arbeiter in behaglicher Breite aufgezählt und langer Erörterung unterzogen, aber man begegnet darin nicht einmal einer Anspielung auf Reclamationen gegen irgend einen Fabriks-Chef. Diesmal gelang es der Internationale vollständig. Sie hatte höchst wahrscheinlich eine nur theilweise Arbeitseinstellung gewünscht und angerührt; denn es liegt in ihrem Interesse, möglichst wenig Leute füttern zu müssen. Sind einmal die von den feiernden Arbeitern geforderten Zugeständnisse ihren Arbeitgebern entrissen, so legt man sie fast immer ohne Kampf allen übrigen Chefs derselben Industrie auf. Nichts ist natürlicher als diese Taktik, und wir haben den Beweis in den Händen, daß es das System ist, dem die Führer des Bundes für gewöhnlich den Vorzug geben. Villetard führt mehrere Briefe Varlins an Aubry an, welche dies deutlich aussprechen. Wir geben daraus nur eine Stelle aus dem Briefe vom 8. October 1869, der sich auf eine Coa- lition in Elboeuf bezieht und wo es heißt: „Ich muß Ihnen rathen, die Ausdehnung der Arbeitseinstellung auf andre Fabriken in der Nachbarschaft von Elboeuf zu vermeiden. Wenn die Arbeitgeber sie nicht mit Gewalt drängen, so mögen die Arbeiter sich in Ge¬ duld fassen, und warten mit der Erzwingung des Tarifs, bis ihn die gegen¬ wärtig feiernden Häuser erlangt haben." Die Führer bei der Arbeitseinstellung von Seraing hatten dieses System, mit dem sie gewöhnlich Erfolg gehabt, wieder anwenden wollen. Aber die Anstrengungen, die sie gemacht, um die Puddler zum Striken zu bewegen, hatten auch die übrigen Arbeiter, die in der industriellen Strategie wenig erfahren waren, zum Losbrechen veranlaßt. „Unglücklicherweise", so sagt d'as officielle Organ des Bundes, „legten auch die Arbeiter, die in den Cockerill- schen Kohlenwerken beschäftigt waren. die.Arbeit nieder, trotz der verständigen Mahnungen zur Vorsicht von Seiten der Mitglieder der Internationale von Seraing, welche ihnen die Unzweckmäßigkeit dieses Verfahrens darzuthun ver¬ suchten. Andere Kohlenwerke folgten diesem Beispiel, unter andern das von Grenzboten II. 1872. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/145>, abgerufen am 02.07.2024.