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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Mit Ausnahme des Landrathamtes, welches nach wie vor ein besoldetes
Staatsamt ist, und des betreffenden Hülsspersonals, sind alle Aemter der Kreis¬
verwaltung unbesoldet. Doch können die Gemeinde- und Amtsvorstände den
Ersatz der baaren Unkosten, welche ihnen die Geschäftsführung verursacht, ver¬
langen. Die Kreistagsmitglieder empfangen weder Reisekosten noch Tage¬
gelder, wie bisher der Fall war. Ebenso wird es mit den Kreisausschu߬
mitgliedern gehalten; nur die Kosten für die Geschäftsverwaltung des Kreis¬
ausschusses werden vom Kreise getragen.

Ein sehr wichtiger Punkt ist noch die Besteuerung, welche dem Kreistag
zur Deckung der Kreisbedürsnisse zusteht. Die Regierungsvorlage bestimmt,
daß die Kreisbesteuerung nur in der Form von Zuschlägen zu den directen
Staatssteuern erfolgen darf. Der Zuschlag zur Grund- und Gebäudesteuer
soll mindestens den halben und höchstens den ganzen Procentsatz betragen,
welcher zur Classensteuer und Einkommensteuer von Kreises wegen geschlagen
wird. Die Gewerbesteuer kann bei den Zuschlägen übergangen werden, und
darf bei Heranziehung höchstens mit demselben Procentsatz wie die Grund-
und Gebäudesteuer belastet werden. Das Abgeordnetenhaus hat diesen Be¬
stimmungen einen interimistischen Charakter dadurch gegeben, daß dieselben
nur gelten sollen bis zum Erlaß eines allgemeinen Gesetzes über communale
Besteuerung.

Es läßt sich nicht verkennen, daß der Modus der Kreisbesteuerung die
schwache Seite der jetzigen Vorlage ist. Ein vernünftiges Princip der Kreis¬
besteuerung, oder sagen wir lieber der Ortsgemeinde-, Kreisgemeinde - und
Provinzialgemeindebesteuerung liegt nur in der Ueberweisung der Grund- und
Gebäudesteuer an die Gemeinden, als deren einzige Steuerquelle. Zur aus¬
reichenden Begründung dieses Satzes, die jetzt der Raum verbietet, finden wir
wohl noch Gelegenheit. Alle Gründe fassen sich aber in dem einen Satz zu¬
sammen, daß die Grund- und Gebäudesteuer in den Händen der Centralver-
waltung stets eine schwache Steuerquelle bleibt, während sie in den Händen
der localen Verbände von der Ortschaft bis zur Provinz eine großartige Er¬
giebigkeit zu entfalten die Fähigkeit hat, unter der Bedingung natürlich, daß
die Centralverwaltung auf jeden Antheil an den Erträgen dieser Besteuerung
verzichtet. Das richtige Steuerprincip gewährt auch allein und mit Leichtig.
keit die sichere Abstufung des communalen Wahlrechtes, sowie es die Besteuer¬
ung der fiscalischen Grundstücke allein rechtfertigt. Es beseitigt auch das
höchst unglückliche Verlangen nach Staatsfonds, welche die Centralverwaltung
für die Localverwaltung schaffen soll, und welches vom Abgeordnetenhaus in
das Gesetz gebracht worden.

Die Regierungsvorlage zieht gewisse Schranken für die Besteuerung der
Centralbeamten durch die Gemeinden. Das Abgeordnetenhaus hat diese


Mit Ausnahme des Landrathamtes, welches nach wie vor ein besoldetes
Staatsamt ist, und des betreffenden Hülsspersonals, sind alle Aemter der Kreis¬
verwaltung unbesoldet. Doch können die Gemeinde- und Amtsvorstände den
Ersatz der baaren Unkosten, welche ihnen die Geschäftsführung verursacht, ver¬
langen. Die Kreistagsmitglieder empfangen weder Reisekosten noch Tage¬
gelder, wie bisher der Fall war. Ebenso wird es mit den Kreisausschu߬
mitgliedern gehalten; nur die Kosten für die Geschäftsverwaltung des Kreis¬
ausschusses werden vom Kreise getragen.

Ein sehr wichtiger Punkt ist noch die Besteuerung, welche dem Kreistag
zur Deckung der Kreisbedürsnisse zusteht. Die Regierungsvorlage bestimmt,
daß die Kreisbesteuerung nur in der Form von Zuschlägen zu den directen
Staatssteuern erfolgen darf. Der Zuschlag zur Grund- und Gebäudesteuer
soll mindestens den halben und höchstens den ganzen Procentsatz betragen,
welcher zur Classensteuer und Einkommensteuer von Kreises wegen geschlagen
wird. Die Gewerbesteuer kann bei den Zuschlägen übergangen werden, und
darf bei Heranziehung höchstens mit demselben Procentsatz wie die Grund-
und Gebäudesteuer belastet werden. Das Abgeordnetenhaus hat diesen Be¬
stimmungen einen interimistischen Charakter dadurch gegeben, daß dieselben
nur gelten sollen bis zum Erlaß eines allgemeinen Gesetzes über communale
Besteuerung.

Es läßt sich nicht verkennen, daß der Modus der Kreisbesteuerung die
schwache Seite der jetzigen Vorlage ist. Ein vernünftiges Princip der Kreis¬
besteuerung, oder sagen wir lieber der Ortsgemeinde-, Kreisgemeinde - und
Provinzialgemeindebesteuerung liegt nur in der Ueberweisung der Grund- und
Gebäudesteuer an die Gemeinden, als deren einzige Steuerquelle. Zur aus¬
reichenden Begründung dieses Satzes, die jetzt der Raum verbietet, finden wir
wohl noch Gelegenheit. Alle Gründe fassen sich aber in dem einen Satz zu¬
sammen, daß die Grund- und Gebäudesteuer in den Händen der Centralver-
waltung stets eine schwache Steuerquelle bleibt, während sie in den Händen
der localen Verbände von der Ortschaft bis zur Provinz eine großartige Er¬
giebigkeit zu entfalten die Fähigkeit hat, unter der Bedingung natürlich, daß
die Centralverwaltung auf jeden Antheil an den Erträgen dieser Besteuerung
verzichtet. Das richtige Steuerprincip gewährt auch allein und mit Leichtig.
keit die sichere Abstufung des communalen Wahlrechtes, sowie es die Besteuer¬
ung der fiscalischen Grundstücke allein rechtfertigt. Es beseitigt auch das
höchst unglückliche Verlangen nach Staatsfonds, welche die Centralverwaltung
für die Localverwaltung schaffen soll, und welches vom Abgeordnetenhaus in
das Gesetz gebracht worden.

Die Regierungsvorlage zieht gewisse Schranken für die Besteuerung der
Centralbeamten durch die Gemeinden. Das Abgeordnetenhaus hat diese


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[0122] Mit Ausnahme des Landrathamtes, welches nach wie vor ein besoldetes Staatsamt ist, und des betreffenden Hülsspersonals, sind alle Aemter der Kreis¬ verwaltung unbesoldet. Doch können die Gemeinde- und Amtsvorstände den Ersatz der baaren Unkosten, welche ihnen die Geschäftsführung verursacht, ver¬ langen. Die Kreistagsmitglieder empfangen weder Reisekosten noch Tage¬ gelder, wie bisher der Fall war. Ebenso wird es mit den Kreisausschu߬ mitgliedern gehalten; nur die Kosten für die Geschäftsverwaltung des Kreis¬ ausschusses werden vom Kreise getragen. Ein sehr wichtiger Punkt ist noch die Besteuerung, welche dem Kreistag zur Deckung der Kreisbedürsnisse zusteht. Die Regierungsvorlage bestimmt, daß die Kreisbesteuerung nur in der Form von Zuschlägen zu den directen Staatssteuern erfolgen darf. Der Zuschlag zur Grund- und Gebäudesteuer soll mindestens den halben und höchstens den ganzen Procentsatz betragen, welcher zur Classensteuer und Einkommensteuer von Kreises wegen geschlagen wird. Die Gewerbesteuer kann bei den Zuschlägen übergangen werden, und darf bei Heranziehung höchstens mit demselben Procentsatz wie die Grund- und Gebäudesteuer belastet werden. Das Abgeordnetenhaus hat diesen Be¬ stimmungen einen interimistischen Charakter dadurch gegeben, daß dieselben nur gelten sollen bis zum Erlaß eines allgemeinen Gesetzes über communale Besteuerung. Es läßt sich nicht verkennen, daß der Modus der Kreisbesteuerung die schwache Seite der jetzigen Vorlage ist. Ein vernünftiges Princip der Kreis¬ besteuerung, oder sagen wir lieber der Ortsgemeinde-, Kreisgemeinde - und Provinzialgemeindebesteuerung liegt nur in der Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Gemeinden, als deren einzige Steuerquelle. Zur aus¬ reichenden Begründung dieses Satzes, die jetzt der Raum verbietet, finden wir wohl noch Gelegenheit. Alle Gründe fassen sich aber in dem einen Satz zu¬ sammen, daß die Grund- und Gebäudesteuer in den Händen der Centralver- waltung stets eine schwache Steuerquelle bleibt, während sie in den Händen der localen Verbände von der Ortschaft bis zur Provinz eine großartige Er¬ giebigkeit zu entfalten die Fähigkeit hat, unter der Bedingung natürlich, daß die Centralverwaltung auf jeden Antheil an den Erträgen dieser Besteuerung verzichtet. Das richtige Steuerprincip gewährt auch allein und mit Leichtig. keit die sichere Abstufung des communalen Wahlrechtes, sowie es die Besteuer¬ ung der fiscalischen Grundstücke allein rechtfertigt. Es beseitigt auch das höchst unglückliche Verlangen nach Staatsfonds, welche die Centralverwaltung für die Localverwaltung schaffen soll, und welches vom Abgeordnetenhaus in das Gesetz gebracht worden. Die Regierungsvorlage zieht gewisse Schranken für die Besteuerung der Centralbeamten durch die Gemeinden. Das Abgeordnetenhaus hat diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/122>, abgerufen am 24.08.2024.