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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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gelungen, zwischen Orts- und Kreisgemeinde die Amtsgemeinde als demokra-
tisch communale Organisation einzuschieben.

Dem Kreisausschuß sind nicht unbedeutende Competenzen überwiesen,
welche früher den Bezirksregierungen, und zwar in letzteren der Abtheilung
des Innern zustanden. Es gehörte hierher namentlich die Entscheidung von
Verwaltungsstreitigkeiten innerhalb des Kreises in erster Instanz. Die höhere
Aufsicht über die Kreisverwaltung wird nach wie vor von den Bezirksregier¬
ungen, den Oberpräsidenten und dem Minister.des Innern geübt. Für Ver¬
waltungsstreitigkeiten, welche über den Umfang des Kreises hinausreichen, hat
man die in dem Gesetz vom 8. März 1871, betreffend die Ausführung des
Neichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz, geschaffenen Deputationen für
das Heimathwesen als richterliche Instanz eingesetzt. Die Deputationen für
das Heimathwesen sollten in jener Eigenschaft nach der Regierungsvorlage
den Namen "Deputationen für Verwaltungsstreitigkeiten" führen. Das Ab¬
geordnetenhaus hat aber den Namen "Verwaltungsgerichte" eingeführt. Die
Deputationen für das Heimathwesen haben je eine Provinz zum Wirkungs¬
kreis. Sie bestehen aus einem richterlichen Beamten, einem Verwaltungs¬
beamten und drei von der Provinzialvertretung gewählten Mitgliedern. Der
richterliche und der Verwaltungsbeamte werden vom König ernannt. Wenn
diese Deputationen sich als Verwaltungsgerichte constituiren, so soll ihnen
nach der Regierungsvorlage der Präsident der betreffenden Bezirksregierung
und der Justiziar der Abtheilung des Innern aus derselben Bezirksregierung
hinzutreten. Der Justiziar aus der Abtheilung des Innern ist ein der Ab¬
theilung mit dem Charakter eines Regierungsrathes beigegebener juristischer
Sachverständiger. Das Abgeordnetenhaus hat jedoch den Berwaltungs-
beamten und den Justiziar als Mitglieder beseitigt. Es versteht sich, daß die
Thätigkeit der Verwaltungsgerichte sich in den Normen des richterlichen Ver¬
fahrens bewegt, wie auch schon die des Kreisausschusses, wo er Gerichtsbar¬
keit zu üben hat. Die höchste Instanz für Verwaltungsstreitigkeiten bleibt
für jetzt der Minister des Innern bis zur Einsetzung eines Oberverwaltungs¬
gerichtes.

Die Kreistagsmitglieder werden auf sechs Jahre gewählt mit der Ma߬
gabe, daß alle drei Jahr die Hälfte der Abgeordneten jedes Wahlverbandes
ausscheidet. Die Kreisausschußmitglieder werden aus drei Jahre gewählt, so,
daß jährlich von den sechs Mitgliedern zwei ausscheiden. Die Mitglieder der
Verwaltungsgerichte, soweit sie von der Provinzialvertretung zu wählen sind,
werden auf drei Jahre berufen. Ausgeschlossen von der Wählbarkeit zum
Kreisausschuß sind Geistliche. Kirchendiener und Elementarlehrer. Richterliche
Beamte, als welche aber die nichtjuristischen Techniker bei den Gerichten nicht
betrachtet werden, bedürfen der Erlaubniß des Justizministers.


Greiijboten I. l872. f 15

gelungen, zwischen Orts- und Kreisgemeinde die Amtsgemeinde als demokra-
tisch communale Organisation einzuschieben.

Dem Kreisausschuß sind nicht unbedeutende Competenzen überwiesen,
welche früher den Bezirksregierungen, und zwar in letzteren der Abtheilung
des Innern zustanden. Es gehörte hierher namentlich die Entscheidung von
Verwaltungsstreitigkeiten innerhalb des Kreises in erster Instanz. Die höhere
Aufsicht über die Kreisverwaltung wird nach wie vor von den Bezirksregier¬
ungen, den Oberpräsidenten und dem Minister.des Innern geübt. Für Ver¬
waltungsstreitigkeiten, welche über den Umfang des Kreises hinausreichen, hat
man die in dem Gesetz vom 8. März 1871, betreffend die Ausführung des
Neichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz, geschaffenen Deputationen für
das Heimathwesen als richterliche Instanz eingesetzt. Die Deputationen für
das Heimathwesen sollten in jener Eigenschaft nach der Regierungsvorlage
den Namen „Deputationen für Verwaltungsstreitigkeiten" führen. Das Ab¬
geordnetenhaus hat aber den Namen „Verwaltungsgerichte" eingeführt. Die
Deputationen für das Heimathwesen haben je eine Provinz zum Wirkungs¬
kreis. Sie bestehen aus einem richterlichen Beamten, einem Verwaltungs¬
beamten und drei von der Provinzialvertretung gewählten Mitgliedern. Der
richterliche und der Verwaltungsbeamte werden vom König ernannt. Wenn
diese Deputationen sich als Verwaltungsgerichte constituiren, so soll ihnen
nach der Regierungsvorlage der Präsident der betreffenden Bezirksregierung
und der Justiziar der Abtheilung des Innern aus derselben Bezirksregierung
hinzutreten. Der Justiziar aus der Abtheilung des Innern ist ein der Ab¬
theilung mit dem Charakter eines Regierungsrathes beigegebener juristischer
Sachverständiger. Das Abgeordnetenhaus hat jedoch den Berwaltungs-
beamten und den Justiziar als Mitglieder beseitigt. Es versteht sich, daß die
Thätigkeit der Verwaltungsgerichte sich in den Normen des richterlichen Ver¬
fahrens bewegt, wie auch schon die des Kreisausschusses, wo er Gerichtsbar¬
keit zu üben hat. Die höchste Instanz für Verwaltungsstreitigkeiten bleibt
für jetzt der Minister des Innern bis zur Einsetzung eines Oberverwaltungs¬
gerichtes.

Die Kreistagsmitglieder werden auf sechs Jahre gewählt mit der Ma߬
gabe, daß alle drei Jahr die Hälfte der Abgeordneten jedes Wahlverbandes
ausscheidet. Die Kreisausschußmitglieder werden aus drei Jahre gewählt, so,
daß jährlich von den sechs Mitgliedern zwei ausscheiden. Die Mitglieder der
Verwaltungsgerichte, soweit sie von der Provinzialvertretung zu wählen sind,
werden auf drei Jahre berufen. Ausgeschlossen von der Wählbarkeit zum
Kreisausschuß sind Geistliche. Kirchendiener und Elementarlehrer. Richterliche
Beamte, als welche aber die nichtjuristischen Techniker bei den Gerichten nicht
betrachtet werden, bedürfen der Erlaubniß des Justizministers.


Greiijboten I. l872. f 15
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/121>, abgerufen am 24.08.2024.