Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.wacht die Polizei in den Gemeinden, selbstständigen Gütern und Amtsbezirken. Die wesentliche Aufgabe des Kreistages ist die Feststellung des Kreis¬ wacht die Polizei in den Gemeinden, selbstständigen Gütern und Amtsbezirken. Die wesentliche Aufgabe des Kreistages ist die Feststellung des Kreis¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127516"/> <p xml:id="ID_360" prev="#ID_359"> wacht die Polizei in den Gemeinden, selbstständigen Gütern und Amtsbezirken.<lb/> Entscheidende disciplinarische Anordnungen gegen die ihm unterstehenden Be¬<lb/> hörden kann er aber nur mit Genehmigung des Kreisausschusses treffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_361" next="#ID_362"> Die wesentliche Aufgabe des Kreistages ist die Feststellung des Kreis¬<lb/> haushaltes und die Aufbringung der ordentlichen wie der außerordentlichen<lb/> Geldleistungen des Kreises. Es kommt hier nochmals die Stellung des Amts¬<lb/> bezirkes in Betracht. Die Regierungsvorlage von 1869 wie die von 1871<lb/> gehen davon aus, daß die unzureichende Leistungsfähigkeit der Ortsgemeinden<lb/> überall durch die Kreisgemeinde unmittelbar zu ergänzen ist. Ein Theil der<lb/> liberalen Partei wollte aber die Leistung der Ortsgemeinde zunächst durch die<lb/> Amtsgemeinde ergänzen, welche kleiner ist als die Kreisgemeinde. Deshalb<lb/> sollte der Amtsbezirk eine communale Organisation erhalten, deshalb ist bei<lb/> der diesmaligen Berathung der Amtsausschuß von einem Theil der liberalen<lb/> Partei durchgesetzt worden. Liegt nun hierunter ein politischer Gedanke?<lb/> Vielleicht der, daß je kleiner die Gemeinde, desto leichter die demokratisch un¬<lb/> mittelbare Betheiligung der sämmtlichen Gemeindeglieder an dem Ganzen der<lb/> Geschäfte sein kann, während die Ausdehnung der Gemeinde auf Theilung<lb/> der Arbeit und auf die Herausbildung bevorzugter, zur Erfüllung der schwie¬<lb/> rigeren Functionen geeigneter Kräfte drängt. Der demokratisirende Liberalis¬<lb/> mus dürfte sich indeß, wenn wir ihm einen wahren Eifer für das Staats¬<lb/> wohl zugestehen, hier einer kurzsichtigen Rechnung schuldig machen. Die<lb/> Amtsgemeinde ist viel zu klein, um Neid und Eifersucht der Nachbargemein¬<lb/> den, deren Haushaltsverhältnisse und sociale Zustände ganz verschieden sind,<lb/> wirksam und doch ohne Härte auszugleichen. Es ist sehr ungerecht, wenn der<lb/> durch Glück und Verdienst wohlhabende Nachbar B dem durch Schuld oder<lb/> Unglück verarmten Nachbar C Schule, Wege und was sonst noch bauen soll.<lb/> Es ist aber nicht ungerecht, wenn alle wohlhabenden Gemeindet: des platten<lb/> Landes, der Städte und der selbständigen Güter im Kreise für die verarmten<lb/> oder von sonstigen Schwierigkeiten heimgesuchten Gemeinden Obsorge treffen,<lb/> sei es überall an Ort und Stelle, sei es durch gemeinschaftlich zu benutzende<lb/> Anstalten. Es liegt am Ende auf der Hand, daß bei den heutigen socialen<lb/> Verhältnissen eine Gemeinde von 50 bis 60,000 Einwohnern zur Ausgleichung<lb/> der localen Mißverhältnisse errichtet werden muß, und daß nicht eine solche<lb/> von höchstens 3000 Einwohnern mit Vortheil erst dazwischen zu schieben ist,<lb/> abgesehen von ein paar Ausnahmen. In dem Kreisordnungsentwurf, wie er<lb/> nunmehr vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden ist, hat in Uebereinstim¬<lb/> mung mit der Regierungsvorlage in, Bezug auf den kleinen Umfang der<lb/> Amtsbezirke die kleinbürgerliche oder demokratische Tendenz über die aristo¬<lb/> kratische der großen Amtshauptmannschaften gesiegt. Dagegen ist es dem<lb/> demokratifirenden Liberalismus trotz des durchgesetzten Amtsausschusses nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
wacht die Polizei in den Gemeinden, selbstständigen Gütern und Amtsbezirken.
Entscheidende disciplinarische Anordnungen gegen die ihm unterstehenden Be¬
hörden kann er aber nur mit Genehmigung des Kreisausschusses treffen.
Die wesentliche Aufgabe des Kreistages ist die Feststellung des Kreis¬
haushaltes und die Aufbringung der ordentlichen wie der außerordentlichen
Geldleistungen des Kreises. Es kommt hier nochmals die Stellung des Amts¬
bezirkes in Betracht. Die Regierungsvorlage von 1869 wie die von 1871
gehen davon aus, daß die unzureichende Leistungsfähigkeit der Ortsgemeinden
überall durch die Kreisgemeinde unmittelbar zu ergänzen ist. Ein Theil der
liberalen Partei wollte aber die Leistung der Ortsgemeinde zunächst durch die
Amtsgemeinde ergänzen, welche kleiner ist als die Kreisgemeinde. Deshalb
sollte der Amtsbezirk eine communale Organisation erhalten, deshalb ist bei
der diesmaligen Berathung der Amtsausschuß von einem Theil der liberalen
Partei durchgesetzt worden. Liegt nun hierunter ein politischer Gedanke?
Vielleicht der, daß je kleiner die Gemeinde, desto leichter die demokratisch un¬
mittelbare Betheiligung der sämmtlichen Gemeindeglieder an dem Ganzen der
Geschäfte sein kann, während die Ausdehnung der Gemeinde auf Theilung
der Arbeit und auf die Herausbildung bevorzugter, zur Erfüllung der schwie¬
rigeren Functionen geeigneter Kräfte drängt. Der demokratisirende Liberalis¬
mus dürfte sich indeß, wenn wir ihm einen wahren Eifer für das Staats¬
wohl zugestehen, hier einer kurzsichtigen Rechnung schuldig machen. Die
Amtsgemeinde ist viel zu klein, um Neid und Eifersucht der Nachbargemein¬
den, deren Haushaltsverhältnisse und sociale Zustände ganz verschieden sind,
wirksam und doch ohne Härte auszugleichen. Es ist sehr ungerecht, wenn der
durch Glück und Verdienst wohlhabende Nachbar B dem durch Schuld oder
Unglück verarmten Nachbar C Schule, Wege und was sonst noch bauen soll.
Es ist aber nicht ungerecht, wenn alle wohlhabenden Gemeindet: des platten
Landes, der Städte und der selbständigen Güter im Kreise für die verarmten
oder von sonstigen Schwierigkeiten heimgesuchten Gemeinden Obsorge treffen,
sei es überall an Ort und Stelle, sei es durch gemeinschaftlich zu benutzende
Anstalten. Es liegt am Ende auf der Hand, daß bei den heutigen socialen
Verhältnissen eine Gemeinde von 50 bis 60,000 Einwohnern zur Ausgleichung
der localen Mißverhältnisse errichtet werden muß, und daß nicht eine solche
von höchstens 3000 Einwohnern mit Vortheil erst dazwischen zu schieben ist,
abgesehen von ein paar Ausnahmen. In dem Kreisordnungsentwurf, wie er
nunmehr vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden ist, hat in Uebereinstim¬
mung mit der Regierungsvorlage in, Bezug auf den kleinen Umfang der
Amtsbezirke die kleinbürgerliche oder demokratische Tendenz über die aristo¬
kratische der großen Amtshauptmannschaften gesiegt. Dagegen ist es dem
demokratifirenden Liberalismus trotz des durchgesetzten Amtsausschusses nicht
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