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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Vorstände nicht am besten wüßten, was auf dem Kreistag für die Land¬
gemeinden durchgesetzt werden muß, als ob das ewige Wählen eine andere
Folge haben könnte, als Ueberdruß und Theiln ahmlosigkeit! Die Kreistags¬
mitglieder der Städte sollen nach der Letzteren Seelenzahl auf die Kreisstädte
vertheilt werden. Die Wahl soll durch Magistrat und Stadtverordnete er¬
folgen; wo aber mehrere Städte zur Wahl eines gemeinschaftlichen Abgeord¬
neten vereinigt werden mußten, sollen durch Magistrat und Stadtverordnete
Wahlmänner ernannt werden. Bei den Städten wenigstens haben die Ver¬
fechter der Doctrin yuand moins uns mit Urwähler verschont. -- Dies ist
die neue Zusammensetzung des Kreistages.

Für die laufenden Geschäfte der Kreisverwaltung und namentlich für
gewisse richterliche Entscheidungen derselben über die unter ihr stehenden Or¬
gane der Gemeinde und des Amtsbezirkes soll nun aber ein kleineres Colle-
gium von sechs Mitgliedern unter dem Namen Kreisausschuß dem Landrath
beigegeben werden, welches der Kreistag bestellt. Für diesen Ausschuß hat
die Regierungsvorlage allen Kreiseingesessenen das passive Wahlrecht verliehen.
Die Wählbarkeit zum Kreistagsmitgliede dagegen war durch die Regierungs¬
vorlage von dem activen Wahlrecht in den einzelnen Wahlverbänden abhängig
gemacht. Das Abgeordnetenhaus hat die Wählbarkeit zum Kreistagsmitglied
für jeden Wahlverband auf alle Kreiseingesessenen ausgedehnt, was wiederum
eine sehr zweckmäßige Bestimmung ist. Denn die Wahlverbände werden am
besten wissen, wem sie ihre Vertretung am besten anvertrauen können.

Nächst der Eintheilung der Kreisbehörden kommen die verschiedenen Be¬
fugnisse in Betracht. Die ländlichen Gemeindevorstände sind wesentlich Or¬
gan des Amtsvorstehers für die Polizei des Amtsbezirkes. Die Amtsvorsteher
ihrerseits verwalten die Polizei ihres Bezirkes, insonderheit die Sicherheit?-,
Gesinde-, Armen-, Wege-, Feld-, Fischerei-, Gewerbe-, Bau-, Feuerpolizei.
Die Amtsvorsteher können Geldstrafen bis zu zwanzig Thalern gegen Un¬
gehorsame verhängen, gegen welche die Betroffenen während zehn Tagen Be¬
schwerde bei dem Kreisausschuß erheben dürfen. Der Kreisausschuß ist die
entscheidende Aufsichtsbehörde der Amtsvorsteher. Derselbe kann die Amts¬
vorsteher ihres Amtes entheben, jedoch bedarf er der Genehmigung des Ober¬
präsidenten. Die Competenz der Amtsvorsteher ist in manchen Punkten ge¬
ringer, als in dem Kreisordnungsentwurf von 1869 diejenige der Amtshaupt¬
leute war. Bei dem viel kleineren Umfang der jetzigen Amtsbezirke ist dies
gerechtfertigt. Dem Amtsvorsteher ist namentlich die Aufsicht über die Com¬
munalangelegenheiten der im Amtsbezirk liegenden Gemeinden und selbststän-
tigem Güter entzogen. Diese Aufsicht ist dem Kreisausschuß zugefallen und
dem Amtsvorsteher bleibt dabei nur eine vermittelnde Thätigkeit. Der Land¬
rath ist der Vorsitzende des Kreistages und des Kreisausschusses. Er über-


Vorstände nicht am besten wüßten, was auf dem Kreistag für die Land¬
gemeinden durchgesetzt werden muß, als ob das ewige Wählen eine andere
Folge haben könnte, als Ueberdruß und Theiln ahmlosigkeit! Die Kreistags¬
mitglieder der Städte sollen nach der Letzteren Seelenzahl auf die Kreisstädte
vertheilt werden. Die Wahl soll durch Magistrat und Stadtverordnete er¬
folgen; wo aber mehrere Städte zur Wahl eines gemeinschaftlichen Abgeord¬
neten vereinigt werden mußten, sollen durch Magistrat und Stadtverordnete
Wahlmänner ernannt werden. Bei den Städten wenigstens haben die Ver¬
fechter der Doctrin yuand moins uns mit Urwähler verschont. — Dies ist
die neue Zusammensetzung des Kreistages.

Für die laufenden Geschäfte der Kreisverwaltung und namentlich für
gewisse richterliche Entscheidungen derselben über die unter ihr stehenden Or¬
gane der Gemeinde und des Amtsbezirkes soll nun aber ein kleineres Colle-
gium von sechs Mitgliedern unter dem Namen Kreisausschuß dem Landrath
beigegeben werden, welches der Kreistag bestellt. Für diesen Ausschuß hat
die Regierungsvorlage allen Kreiseingesessenen das passive Wahlrecht verliehen.
Die Wählbarkeit zum Kreistagsmitgliede dagegen war durch die Regierungs¬
vorlage von dem activen Wahlrecht in den einzelnen Wahlverbänden abhängig
gemacht. Das Abgeordnetenhaus hat die Wählbarkeit zum Kreistagsmitglied
für jeden Wahlverband auf alle Kreiseingesessenen ausgedehnt, was wiederum
eine sehr zweckmäßige Bestimmung ist. Denn die Wahlverbände werden am
besten wissen, wem sie ihre Vertretung am besten anvertrauen können.

Nächst der Eintheilung der Kreisbehörden kommen die verschiedenen Be¬
fugnisse in Betracht. Die ländlichen Gemeindevorstände sind wesentlich Or¬
gan des Amtsvorstehers für die Polizei des Amtsbezirkes. Die Amtsvorsteher
ihrerseits verwalten die Polizei ihres Bezirkes, insonderheit die Sicherheit?-,
Gesinde-, Armen-, Wege-, Feld-, Fischerei-, Gewerbe-, Bau-, Feuerpolizei.
Die Amtsvorsteher können Geldstrafen bis zu zwanzig Thalern gegen Un¬
gehorsame verhängen, gegen welche die Betroffenen während zehn Tagen Be¬
schwerde bei dem Kreisausschuß erheben dürfen. Der Kreisausschuß ist die
entscheidende Aufsichtsbehörde der Amtsvorsteher. Derselbe kann die Amts¬
vorsteher ihres Amtes entheben, jedoch bedarf er der Genehmigung des Ober¬
präsidenten. Die Competenz der Amtsvorsteher ist in manchen Punkten ge¬
ringer, als in dem Kreisordnungsentwurf von 1869 diejenige der Amtshaupt¬
leute war. Bei dem viel kleineren Umfang der jetzigen Amtsbezirke ist dies
gerechtfertigt. Dem Amtsvorsteher ist namentlich die Aufsicht über die Com¬
munalangelegenheiten der im Amtsbezirk liegenden Gemeinden und selbststän-
tigem Güter entzogen. Diese Aufsicht ist dem Kreisausschuß zugefallen und
dem Amtsvorsteher bleibt dabei nur eine vermittelnde Thätigkeit. Der Land¬
rath ist der Vorsitzende des Kreistages und des Kreisausschusses. Er über-


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[0119] Vorstände nicht am besten wüßten, was auf dem Kreistag für die Land¬ gemeinden durchgesetzt werden muß, als ob das ewige Wählen eine andere Folge haben könnte, als Ueberdruß und Theiln ahmlosigkeit! Die Kreistags¬ mitglieder der Städte sollen nach der Letzteren Seelenzahl auf die Kreisstädte vertheilt werden. Die Wahl soll durch Magistrat und Stadtverordnete er¬ folgen; wo aber mehrere Städte zur Wahl eines gemeinschaftlichen Abgeord¬ neten vereinigt werden mußten, sollen durch Magistrat und Stadtverordnete Wahlmänner ernannt werden. Bei den Städten wenigstens haben die Ver¬ fechter der Doctrin yuand moins uns mit Urwähler verschont. — Dies ist die neue Zusammensetzung des Kreistages. Für die laufenden Geschäfte der Kreisverwaltung und namentlich für gewisse richterliche Entscheidungen derselben über die unter ihr stehenden Or¬ gane der Gemeinde und des Amtsbezirkes soll nun aber ein kleineres Colle- gium von sechs Mitgliedern unter dem Namen Kreisausschuß dem Landrath beigegeben werden, welches der Kreistag bestellt. Für diesen Ausschuß hat die Regierungsvorlage allen Kreiseingesessenen das passive Wahlrecht verliehen. Die Wählbarkeit zum Kreistagsmitgliede dagegen war durch die Regierungs¬ vorlage von dem activen Wahlrecht in den einzelnen Wahlverbänden abhängig gemacht. Das Abgeordnetenhaus hat die Wählbarkeit zum Kreistagsmitglied für jeden Wahlverband auf alle Kreiseingesessenen ausgedehnt, was wiederum eine sehr zweckmäßige Bestimmung ist. Denn die Wahlverbände werden am besten wissen, wem sie ihre Vertretung am besten anvertrauen können. Nächst der Eintheilung der Kreisbehörden kommen die verschiedenen Be¬ fugnisse in Betracht. Die ländlichen Gemeindevorstände sind wesentlich Or¬ gan des Amtsvorstehers für die Polizei des Amtsbezirkes. Die Amtsvorsteher ihrerseits verwalten die Polizei ihres Bezirkes, insonderheit die Sicherheit?-, Gesinde-, Armen-, Wege-, Feld-, Fischerei-, Gewerbe-, Bau-, Feuerpolizei. Die Amtsvorsteher können Geldstrafen bis zu zwanzig Thalern gegen Un¬ gehorsame verhängen, gegen welche die Betroffenen während zehn Tagen Be¬ schwerde bei dem Kreisausschuß erheben dürfen. Der Kreisausschuß ist die entscheidende Aufsichtsbehörde der Amtsvorsteher. Derselbe kann die Amts¬ vorsteher ihres Amtes entheben, jedoch bedarf er der Genehmigung des Ober¬ präsidenten. Die Competenz der Amtsvorsteher ist in manchen Punkten ge¬ ringer, als in dem Kreisordnungsentwurf von 1869 diejenige der Amtshaupt¬ leute war. Bei dem viel kleineren Umfang der jetzigen Amtsbezirke ist dies gerechtfertigt. Dem Amtsvorsteher ist namentlich die Aufsicht über die Com¬ munalangelegenheiten der im Amtsbezirk liegenden Gemeinden und selbststän- tigem Güter entzogen. Diese Aufsicht ist dem Kreisausschuß zugefallen und dem Amtsvorsteher bleibt dabei nur eine vermittelnde Thätigkeit. Der Land¬ rath ist der Vorsitzende des Kreistages und des Kreisausschusses. Er über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/119>, abgerufen am 22.07.2024.