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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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übrigen unitarischen Anträge, die unter seiner Mitwirkung und Mitanregung
von der nationalen Partei in das Haus eingebracht wurden. Auch hat er
im Jahre 1870 seinen nationalen Sinn bekundet dadurch, daß er sich dem
deutschen Kanzler bedingungslos zur Verfügung stellte, und seine guten
Dienste durchaus uneigennützig und aufopfernd dem Generalgouverne¬
ment des Elsaß leistete. -- Seine freihändlerische parlamentarische Thätigkeit
dagegen ist markirt durch seine zahlreichen Reden im Zollparlament gegen
die schutzzöllnerischen Utopien eines Moritz Mohl und die brutal-fisealischett
Tarif-Vorlagen des Ministers von der Heydt; umgekehrt dagegen durch
sein lebhaftes und erfolgreiches Eintreten in Rede, Schrift und That für das
Zustandekommen der durch den Minister Camphausen vorgelegten freihänd¬
lerischen Tarifreform.

Die freiheitliche Richtung Bambergers endlich ist diejenige, die
noch die zahlreichsten Spuren vom "Wolfseck" zurückgelassen hat. Wir
möchten sagen, in dieser Hinficht ist Bamberger einigermaßen, unbe¬
rechenbar. Wenn er plötzlich einmal die gemeine Freiheit, die germanische
Libertät bedroht glaubt, -- dann regt sich in ihm der geborene Jacobiner,
dann läuft ihm das Antlitz auf der Tribüne des Parlaments wieder "fackel-
feuerroth" an> dann schlägt ihm die ruhige gleichmäßig ausgiebige Stimme
in den alten Discant des Heidelberger "Museums" um. Und dennoch stehen
solche Rückfälle in das alte Naturburschenthum ihm nicht übel. Denn der
Kenner seines Lebens zieht daraus doch nur den einen freudigen Schluß, daß
eine ganz andere Stimmung und Gesinnung ihm die vorherrschende ist, daß
dieser Mann eine weite Bahn zu einem großen Ziele erfolgreich durchmessen
hat, und daß keine augenblickliche Wallung mehr ihn davon abzudrängen
vkMag, Zu solchen demokratischen Velleitäten Bambergers rechnen wir sein
Votum am Vorabend der Entscheidung des Reichstags 1870 über die Todes¬
strafe: "Ich fürchte, der Welt käme es vor, als ständen wir bürgerliche
Deutsche mit dem Halseisen hoch auf einem Gerüste und würgten unser
eigenes Buch Blatt für Blatt hinab, dieweiten unten die Herren vom Adel
spazierten und ironisch das Schauspiel durch ihre Lorgnetten mit ansehen.
?erv^t eoäex, Kat (Zerm-mia,!" Und ebenso rechnen wir dahin seine vor¬
jährige Erhitzung gegen den Generalpostdirector Stephan bei Gelegenheit der
Versetzung von zwei Hamburger Postexpedienten, wo sein höchster Eifer in
dem Citate ausströmte: "Hunde sind wir ja doch." Aber wir sind weit ent¬
fernt, den Werth des Mannes und seiner Leistungen deßhalb gering zu
achten. Vielleicht betrachtet sich auch Ludwig Bamberger vom Schilderhaus
der deutschen Freiheit abgelöst, seitdem Muster gefallen, das Schulaufsichts-
gesetz durchgedrungen, der Trotz des Herrenhauses gebrochen, und das große


Grenjbvten II. 1872. 13

übrigen unitarischen Anträge, die unter seiner Mitwirkung und Mitanregung
von der nationalen Partei in das Haus eingebracht wurden. Auch hat er
im Jahre 1870 seinen nationalen Sinn bekundet dadurch, daß er sich dem
deutschen Kanzler bedingungslos zur Verfügung stellte, und seine guten
Dienste durchaus uneigennützig und aufopfernd dem Generalgouverne¬
ment des Elsaß leistete. — Seine freihändlerische parlamentarische Thätigkeit
dagegen ist markirt durch seine zahlreichen Reden im Zollparlament gegen
die schutzzöllnerischen Utopien eines Moritz Mohl und die brutal-fisealischett
Tarif-Vorlagen des Ministers von der Heydt; umgekehrt dagegen durch
sein lebhaftes und erfolgreiches Eintreten in Rede, Schrift und That für das
Zustandekommen der durch den Minister Camphausen vorgelegten freihänd¬
lerischen Tarifreform.

Die freiheitliche Richtung Bambergers endlich ist diejenige, die
noch die zahlreichsten Spuren vom „Wolfseck" zurückgelassen hat. Wir
möchten sagen, in dieser Hinficht ist Bamberger einigermaßen, unbe¬
rechenbar. Wenn er plötzlich einmal die gemeine Freiheit, die germanische
Libertät bedroht glaubt, — dann regt sich in ihm der geborene Jacobiner,
dann läuft ihm das Antlitz auf der Tribüne des Parlaments wieder „fackel-
feuerroth" an> dann schlägt ihm die ruhige gleichmäßig ausgiebige Stimme
in den alten Discant des Heidelberger „Museums" um. Und dennoch stehen
solche Rückfälle in das alte Naturburschenthum ihm nicht übel. Denn der
Kenner seines Lebens zieht daraus doch nur den einen freudigen Schluß, daß
eine ganz andere Stimmung und Gesinnung ihm die vorherrschende ist, daß
dieser Mann eine weite Bahn zu einem großen Ziele erfolgreich durchmessen
hat, und daß keine augenblickliche Wallung mehr ihn davon abzudrängen
vkMag, Zu solchen demokratischen Velleitäten Bambergers rechnen wir sein
Votum am Vorabend der Entscheidung des Reichstags 1870 über die Todes¬
strafe: „Ich fürchte, der Welt käme es vor, als ständen wir bürgerliche
Deutsche mit dem Halseisen hoch auf einem Gerüste und würgten unser
eigenes Buch Blatt für Blatt hinab, dieweiten unten die Herren vom Adel
spazierten und ironisch das Schauspiel durch ihre Lorgnetten mit ansehen.
?erv^t eoäex, Kat (Zerm-mia,!" Und ebenso rechnen wir dahin seine vor¬
jährige Erhitzung gegen den Generalpostdirector Stephan bei Gelegenheit der
Versetzung von zwei Hamburger Postexpedienten, wo sein höchster Eifer in
dem Citate ausströmte: „Hunde sind wir ja doch." Aber wir sind weit ent¬
fernt, den Werth des Mannes und seiner Leistungen deßhalb gering zu
achten. Vielleicht betrachtet sich auch Ludwig Bamberger vom Schilderhaus
der deutschen Freiheit abgelöst, seitdem Muster gefallen, das Schulaufsichts-
gesetz durchgedrungen, der Trotz des Herrenhauses gebrochen, und das große


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[0105] übrigen unitarischen Anträge, die unter seiner Mitwirkung und Mitanregung von der nationalen Partei in das Haus eingebracht wurden. Auch hat er im Jahre 1870 seinen nationalen Sinn bekundet dadurch, daß er sich dem deutschen Kanzler bedingungslos zur Verfügung stellte, und seine guten Dienste durchaus uneigennützig und aufopfernd dem Generalgouverne¬ ment des Elsaß leistete. — Seine freihändlerische parlamentarische Thätigkeit dagegen ist markirt durch seine zahlreichen Reden im Zollparlament gegen die schutzzöllnerischen Utopien eines Moritz Mohl und die brutal-fisealischett Tarif-Vorlagen des Ministers von der Heydt; umgekehrt dagegen durch sein lebhaftes und erfolgreiches Eintreten in Rede, Schrift und That für das Zustandekommen der durch den Minister Camphausen vorgelegten freihänd¬ lerischen Tarifreform. Die freiheitliche Richtung Bambergers endlich ist diejenige, die noch die zahlreichsten Spuren vom „Wolfseck" zurückgelassen hat. Wir möchten sagen, in dieser Hinficht ist Bamberger einigermaßen, unbe¬ rechenbar. Wenn er plötzlich einmal die gemeine Freiheit, die germanische Libertät bedroht glaubt, — dann regt sich in ihm der geborene Jacobiner, dann läuft ihm das Antlitz auf der Tribüne des Parlaments wieder „fackel- feuerroth" an> dann schlägt ihm die ruhige gleichmäßig ausgiebige Stimme in den alten Discant des Heidelberger „Museums" um. Und dennoch stehen solche Rückfälle in das alte Naturburschenthum ihm nicht übel. Denn der Kenner seines Lebens zieht daraus doch nur den einen freudigen Schluß, daß eine ganz andere Stimmung und Gesinnung ihm die vorherrschende ist, daß dieser Mann eine weite Bahn zu einem großen Ziele erfolgreich durchmessen hat, und daß keine augenblickliche Wallung mehr ihn davon abzudrängen vkMag, Zu solchen demokratischen Velleitäten Bambergers rechnen wir sein Votum am Vorabend der Entscheidung des Reichstags 1870 über die Todes¬ strafe: „Ich fürchte, der Welt käme es vor, als ständen wir bürgerliche Deutsche mit dem Halseisen hoch auf einem Gerüste und würgten unser eigenes Buch Blatt für Blatt hinab, dieweiten unten die Herren vom Adel spazierten und ironisch das Schauspiel durch ihre Lorgnetten mit ansehen. ?erv^t eoäex, Kat (Zerm-mia,!" Und ebenso rechnen wir dahin seine vor¬ jährige Erhitzung gegen den Generalpostdirector Stephan bei Gelegenheit der Versetzung von zwei Hamburger Postexpedienten, wo sein höchster Eifer in dem Citate ausströmte: „Hunde sind wir ja doch." Aber wir sind weit ent¬ fernt, den Werth des Mannes und seiner Leistungen deßhalb gering zu achten. Vielleicht betrachtet sich auch Ludwig Bamberger vom Schilderhaus der deutschen Freiheit abgelöst, seitdem Muster gefallen, das Schulaufsichts- gesetz durchgedrungen, der Trotz des Herrenhauses gebrochen, und das große Grenjbvten II. 1872. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/105>, abgerufen am 24.08.2024.