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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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berühren daher nur flüchtig diese hervorragende parlamentarische Thätigkeit.
Vom ersten Tage seiner Abgeordnetenlaufbahn an trat er der nationalen
Fraction förmlich bei, während bekanntlich dee herrischen Zöllner, vielumwor¬
ben von den nationalen und der Fortschrittspartei, scheu für sich blieben und
heutzutage den Kern der "liberalen Reichspartei" bilden. Wesentlich auf seine
Anregung wurde die Adresse im Jahre 1868 erlassen, die an der unnatürlichen
Coalition der Konservativen, Particularisten und Fortschrittspartei scheiterte.
Sein Antrag war es, der am 28. Mai desselben Jahres zu dem "großen Tag
des Zollparlaments" führte, wo Bismarck das Wort sprach, "daß ein Appell
an die Furcht in deutschen Herzen niemals ein Echo findet", und Volk hinzu-
fügte: "Jetzt ist Frühling geworden in Deutschland!" Bamberger war es,
der zuerst durch seine mit einer Fülle politischer Ausfälle gegen das System
Dalwigk gewürzte Rede den hessischen Bundesrath Hoffmann und den
"Rechtsconsulenten der Süddeutschen" Herrn Probst zur Abwehr herauslockte,
und damit wieder alle nationalen Geister im Hause und am Ministertisch entfesselte.
Ueberhaupt gehörte Bamberger in der deutschen Frage und allen sonstigen
Einheitsfragen zu den nationalsten der nationalen, in der Zoll- und Handels¬
politik zu den vorgeschrittensten Freihändlern, in allen "Freiheitsfragen" da¬
gegen zu dem linken Flügel der Nationalliberalen. Von diesem dreifachen
Gesichtspunkte aus will sein Wirken im Parlament beurtheilt sein. Dem
nationalen Streben Bambergers entsprang, außer den obigen Anträgen, im
Frühjahr 1870 sein Antrag auf Vornahme einer gesammtdeutschen EnquLte
zur Herstellung der deutschen Münzeinheit, welchen der einstige Reichsregent,
der Schwabe Becher, so ungeschickt angriff, daß Bamberger die willkommenste
Gelegenheit fand, die Verwirrung der süddeutschen Währungsverhältnisse zu
schildern. Er sagte damals: "Ich fürchtete, die Richtigkeit meines Antrags
sei so überzeugend, daß er ohne Sang und Klang votirt werden würde. Ja,
ich glaubte einen Augenblick lang, daß ich mich gegen den Verdacht werde
wehren müssen, als sei dieser Gegner aus Gefälligkeit und aus einer Verab¬
redung mit mir aufgetreten (Heiterkeit), um dem Antrage einiges Relief zu
geben. ... In Wahrheit haben wir die bunteste Münzconfusion im Süden,
die nur je in einem barbarischen Lande existirt hat. (Widerspruch.) Ja, meine
Herren, Sie mögen murren; ich, der ich die Dinge aus eigener Anschauung
kenne, stehe nicht an, Ihnen zu sagen, das Münzwesen des deutschen Südens
ist so verworren, so mit fremden Elementen versetzt, daß ich nicht anstehe,
wenn Sie mir den Ausdruck erlauben wollen, es scrophulös zu nennen."
(Große Heiterkeit.) Die eingehende Schilderung dieses scrophulösen Zustandes,
die nun folgte, ist äußerst erheiternd und belehrend.

Demselben Drange nach Einheit entsprang im Jahre 1871 sein Antrag,
das Bildniß der Landesherren von den Reichsmünzen abzuschaffen, und alle


berühren daher nur flüchtig diese hervorragende parlamentarische Thätigkeit.
Vom ersten Tage seiner Abgeordnetenlaufbahn an trat er der nationalen
Fraction förmlich bei, während bekanntlich dee herrischen Zöllner, vielumwor¬
ben von den nationalen und der Fortschrittspartei, scheu für sich blieben und
heutzutage den Kern der „liberalen Reichspartei" bilden. Wesentlich auf seine
Anregung wurde die Adresse im Jahre 1868 erlassen, die an der unnatürlichen
Coalition der Konservativen, Particularisten und Fortschrittspartei scheiterte.
Sein Antrag war es, der am 28. Mai desselben Jahres zu dem „großen Tag
des Zollparlaments" führte, wo Bismarck das Wort sprach, „daß ein Appell
an die Furcht in deutschen Herzen niemals ein Echo findet", und Volk hinzu-
fügte: „Jetzt ist Frühling geworden in Deutschland!" Bamberger war es,
der zuerst durch seine mit einer Fülle politischer Ausfälle gegen das System
Dalwigk gewürzte Rede den hessischen Bundesrath Hoffmann und den
„Rechtsconsulenten der Süddeutschen" Herrn Probst zur Abwehr herauslockte,
und damit wieder alle nationalen Geister im Hause und am Ministertisch entfesselte.
Ueberhaupt gehörte Bamberger in der deutschen Frage und allen sonstigen
Einheitsfragen zu den nationalsten der nationalen, in der Zoll- und Handels¬
politik zu den vorgeschrittensten Freihändlern, in allen „Freiheitsfragen" da¬
gegen zu dem linken Flügel der Nationalliberalen. Von diesem dreifachen
Gesichtspunkte aus will sein Wirken im Parlament beurtheilt sein. Dem
nationalen Streben Bambergers entsprang, außer den obigen Anträgen, im
Frühjahr 1870 sein Antrag auf Vornahme einer gesammtdeutschen EnquLte
zur Herstellung der deutschen Münzeinheit, welchen der einstige Reichsregent,
der Schwabe Becher, so ungeschickt angriff, daß Bamberger die willkommenste
Gelegenheit fand, die Verwirrung der süddeutschen Währungsverhältnisse zu
schildern. Er sagte damals: „Ich fürchtete, die Richtigkeit meines Antrags
sei so überzeugend, daß er ohne Sang und Klang votirt werden würde. Ja,
ich glaubte einen Augenblick lang, daß ich mich gegen den Verdacht werde
wehren müssen, als sei dieser Gegner aus Gefälligkeit und aus einer Verab¬
redung mit mir aufgetreten (Heiterkeit), um dem Antrage einiges Relief zu
geben. ... In Wahrheit haben wir die bunteste Münzconfusion im Süden,
die nur je in einem barbarischen Lande existirt hat. (Widerspruch.) Ja, meine
Herren, Sie mögen murren; ich, der ich die Dinge aus eigener Anschauung
kenne, stehe nicht an, Ihnen zu sagen, das Münzwesen des deutschen Südens
ist so verworren, so mit fremden Elementen versetzt, daß ich nicht anstehe,
wenn Sie mir den Ausdruck erlauben wollen, es scrophulös zu nennen."
(Große Heiterkeit.) Die eingehende Schilderung dieses scrophulösen Zustandes,
die nun folgte, ist äußerst erheiternd und belehrend.

Demselben Drange nach Einheit entsprang im Jahre 1871 sein Antrag,
das Bildniß der Landesherren von den Reichsmünzen abzuschaffen, und alle


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[0104] berühren daher nur flüchtig diese hervorragende parlamentarische Thätigkeit. Vom ersten Tage seiner Abgeordnetenlaufbahn an trat er der nationalen Fraction förmlich bei, während bekanntlich dee herrischen Zöllner, vielumwor¬ ben von den nationalen und der Fortschrittspartei, scheu für sich blieben und heutzutage den Kern der „liberalen Reichspartei" bilden. Wesentlich auf seine Anregung wurde die Adresse im Jahre 1868 erlassen, die an der unnatürlichen Coalition der Konservativen, Particularisten und Fortschrittspartei scheiterte. Sein Antrag war es, der am 28. Mai desselben Jahres zu dem „großen Tag des Zollparlaments" führte, wo Bismarck das Wort sprach, „daß ein Appell an die Furcht in deutschen Herzen niemals ein Echo findet", und Volk hinzu- fügte: „Jetzt ist Frühling geworden in Deutschland!" Bamberger war es, der zuerst durch seine mit einer Fülle politischer Ausfälle gegen das System Dalwigk gewürzte Rede den hessischen Bundesrath Hoffmann und den „Rechtsconsulenten der Süddeutschen" Herrn Probst zur Abwehr herauslockte, und damit wieder alle nationalen Geister im Hause und am Ministertisch entfesselte. Ueberhaupt gehörte Bamberger in der deutschen Frage und allen sonstigen Einheitsfragen zu den nationalsten der nationalen, in der Zoll- und Handels¬ politik zu den vorgeschrittensten Freihändlern, in allen „Freiheitsfragen" da¬ gegen zu dem linken Flügel der Nationalliberalen. Von diesem dreifachen Gesichtspunkte aus will sein Wirken im Parlament beurtheilt sein. Dem nationalen Streben Bambergers entsprang, außer den obigen Anträgen, im Frühjahr 1870 sein Antrag auf Vornahme einer gesammtdeutschen EnquLte zur Herstellung der deutschen Münzeinheit, welchen der einstige Reichsregent, der Schwabe Becher, so ungeschickt angriff, daß Bamberger die willkommenste Gelegenheit fand, die Verwirrung der süddeutschen Währungsverhältnisse zu schildern. Er sagte damals: „Ich fürchtete, die Richtigkeit meines Antrags sei so überzeugend, daß er ohne Sang und Klang votirt werden würde. Ja, ich glaubte einen Augenblick lang, daß ich mich gegen den Verdacht werde wehren müssen, als sei dieser Gegner aus Gefälligkeit und aus einer Verab¬ redung mit mir aufgetreten (Heiterkeit), um dem Antrage einiges Relief zu geben. ... In Wahrheit haben wir die bunteste Münzconfusion im Süden, die nur je in einem barbarischen Lande existirt hat. (Widerspruch.) Ja, meine Herren, Sie mögen murren; ich, der ich die Dinge aus eigener Anschauung kenne, stehe nicht an, Ihnen zu sagen, das Münzwesen des deutschen Südens ist so verworren, so mit fremden Elementen versetzt, daß ich nicht anstehe, wenn Sie mir den Ausdruck erlauben wollen, es scrophulös zu nennen." (Große Heiterkeit.) Die eingehende Schilderung dieses scrophulösen Zustandes, die nun folgte, ist äußerst erheiternd und belehrend. Demselben Drange nach Einheit entsprang im Jahre 1871 sein Antrag, das Bildniß der Landesherren von den Reichsmünzen abzuschaffen, und alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/104>, abgerufen am 22.07.2024.