Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Gymnasium, mit allgemeinen Bildungsmitteln und grundlegenden Kenntnissen Die preußische Regierung hält also daran fest, daß die unwissen¬ Gymnasium, mit allgemeinen Bildungsmitteln und grundlegenden Kenntnissen Die preußische Regierung hält also daran fest, daß die unwissen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192398"/> <p xml:id="ID_363" prev="#ID_362"> Gymnasium, mit allgemeinen Bildungsmitteln und grundlegenden Kenntnissen<lb/> zu thun. Zwischen Gymnasium und Realschule findet daher kein<lb/> principieller Gegensatz, sondern ein Verhältniß gegenseitiger Ergänzung<lb/> statt. Sie theilen sich in die gemeinsame Aufgabe, die Grundlage der ge-<lb/> sammten höheren Bildung für die Hauptrichtungen der verschiedenen Berufs¬<lb/> arten zu gewähren. Die Theilung ist durch die Entwickelung der Wissen¬<lb/> schaften und der öffentlichen Lebensverhältnisse nothwendig geworden, und<lb/> die Realschulen haben dabei allmählich eine coordinirte Stel¬<lb/> lung zu den Gymnasien eingenommen." „Nur in dem Maße/'<lb/> lautet eine andere Stelle der angeführten Unterrichtsvrdnung, „in welchem<lb/> die Aufgabe der allgemeinen und ethischen Bildung von der Real- und höhe¬<lb/> ren Bürgerschule erkannt und gelöst wird, kann sie die irrige Vorstel¬<lb/> lung, sie vermöge und wolle rascher und leichter als das Gym¬<lb/> nasium für den praktischen Lebensberuf vorbereiten und Kenn e-<lb/> rlöse mittheilen, die sich unmittelbar verwerthen lassen, be¬<lb/> richtigen und der Ueberzeugung Eingang verschaffen, daß gerade dann nicht<lb/> für die Schule, sondern sür das Leben gelernt und ein höherer Grad von<lb/> Brauchbarkeit erreicht wird, wenn die für die Zwecke des Lebens nöthigen<lb/> Kräfte ihrem Wesen und ihrer Bestimmung nach, an und für sich selbst aus¬<lb/> gebildet werden. Die Schule dient dem Leben und achtet auf seine Anforde¬<lb/> rungen , das beweist die Existenz gerade der Realschulen und die Einrichtung<lb/> ihres Lehrplans: aber sie hat es mit der Jugend zu thun und kann bei ihr<lb/> zu der Bildung, welche die einzelnen Berufsarten erfordern, nur den allge¬<lb/> meinen und dauernden Grund legen wollen. Alle Berufsbildung muß<lb/> sich aus freie menschliche Bildung des Geistes und des Gemü¬<lb/> thes gründen." — „Wird diese wahrhafte Realität des Lebens von den<lb/> Realschulen übersehen, so wäre von ihnen kein Gewinn für das Leben in der<lb/> Nation zu hoffen: sie würden alsdann eine wissenschaftliche und<lb/> sittliche Geistesbildung nicht gewähren, sondern den materiel¬<lb/> len Zeitrichtungen dienstbar sein, was gegen ihre Bestimmung<lb/> ist." — Was sagt dagegen das Regulativ für die Realschulen im Königreich<lb/> Sachsen vom 2. Juli 1860 über die Aufgabe der Realschulen? Die Realschulen<lb/> sollen den „näheren Dienst des Lebens" und „praktische Zwecke" im Auge<lb/> haben!</p><lb/> <p xml:id="ID_364"> Die preußische Regierung hält also daran fest, daß die unwissen¬<lb/> schaftliche Praxis des Nützlichkeitsprincips den Charakter einer<lb/> allgemeinen höheren Bildungs anstalt aufhebe, und nicht ge¬<lb/> eignet sei, dem wirklichen Bedürfniß des Lebens zu genügen.<lb/> Die sächsische Regierung dagegen hat zum Theil die Realschule der materiellen<lb/> Zeitrichtung dienstbar gemacht und sie dadurch ihrer Bestimmung entfremdet.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
Gymnasium, mit allgemeinen Bildungsmitteln und grundlegenden Kenntnissen
zu thun. Zwischen Gymnasium und Realschule findet daher kein
principieller Gegensatz, sondern ein Verhältniß gegenseitiger Ergänzung
statt. Sie theilen sich in die gemeinsame Aufgabe, die Grundlage der ge-
sammten höheren Bildung für die Hauptrichtungen der verschiedenen Berufs¬
arten zu gewähren. Die Theilung ist durch die Entwickelung der Wissen¬
schaften und der öffentlichen Lebensverhältnisse nothwendig geworden, und
die Realschulen haben dabei allmählich eine coordinirte Stel¬
lung zu den Gymnasien eingenommen." „Nur in dem Maße/'
lautet eine andere Stelle der angeführten Unterrichtsvrdnung, „in welchem
die Aufgabe der allgemeinen und ethischen Bildung von der Real- und höhe¬
ren Bürgerschule erkannt und gelöst wird, kann sie die irrige Vorstel¬
lung, sie vermöge und wolle rascher und leichter als das Gym¬
nasium für den praktischen Lebensberuf vorbereiten und Kenn e-
rlöse mittheilen, die sich unmittelbar verwerthen lassen, be¬
richtigen und der Ueberzeugung Eingang verschaffen, daß gerade dann nicht
für die Schule, sondern sür das Leben gelernt und ein höherer Grad von
Brauchbarkeit erreicht wird, wenn die für die Zwecke des Lebens nöthigen
Kräfte ihrem Wesen und ihrer Bestimmung nach, an und für sich selbst aus¬
gebildet werden. Die Schule dient dem Leben und achtet auf seine Anforde¬
rungen , das beweist die Existenz gerade der Realschulen und die Einrichtung
ihres Lehrplans: aber sie hat es mit der Jugend zu thun und kann bei ihr
zu der Bildung, welche die einzelnen Berufsarten erfordern, nur den allge¬
meinen und dauernden Grund legen wollen. Alle Berufsbildung muß
sich aus freie menschliche Bildung des Geistes und des Gemü¬
thes gründen." — „Wird diese wahrhafte Realität des Lebens von den
Realschulen übersehen, so wäre von ihnen kein Gewinn für das Leben in der
Nation zu hoffen: sie würden alsdann eine wissenschaftliche und
sittliche Geistesbildung nicht gewähren, sondern den materiel¬
len Zeitrichtungen dienstbar sein, was gegen ihre Bestimmung
ist." — Was sagt dagegen das Regulativ für die Realschulen im Königreich
Sachsen vom 2. Juli 1860 über die Aufgabe der Realschulen? Die Realschulen
sollen den „näheren Dienst des Lebens" und „praktische Zwecke" im Auge
haben!
Die preußische Regierung hält also daran fest, daß die unwissen¬
schaftliche Praxis des Nützlichkeitsprincips den Charakter einer
allgemeinen höheren Bildungs anstalt aufhebe, und nicht ge¬
eignet sei, dem wirklichen Bedürfniß des Lebens zu genügen.
Die sächsische Regierung dagegen hat zum Theil die Realschule der materiellen
Zeitrichtung dienstbar gemacht und sie dadurch ihrer Bestimmung entfremdet.
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