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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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triebe der Jesuiten haben als eben Reinkens und es ist wahrlich ein hohes
Glück, daß solche Kenntnisse in solchem Sinne verwerthet werden.

Der Eindruck, den er in München gemacht hat, ist bei Priestern und
Laien, bei Männern und Frauen, bei den Gebildeten wie bei den niederen
Klassen derselbe -- er ist der Liebling des hiesigen Publicums geworden.
Seine öffentlichen Vorträge wie seine Predigt in der Nicolaikirche waren
mustergiltig in jeder Weise und es ist begreiflich, wenn das Münchner Comite
sich bemüht, ihn für den Winter hier festzuhalten. Denn gerade diese takt¬
volle und distinguirte Art wird der Bewegung ein großes Publicum verschaffen,
und die altkatholische Sache in der öffentlichen Meinung, wie bei der Staats¬
regierung gleichmäßig empfehlen.

Die Erfolge, welche Schulte und Reinkens davongetragen, wurden eigent¬
lich nur noch von einem Redner erreicht -- und das war Pater Hyacinthe. Die
Art, wie er von der Versammlung empfangen wurde, ist ein ehrenvolles
Zeugniß für die geistige Freiheit und Toleranz der Deutschen, und alle be¬
deutenden französischen Journale nahmen auch hiervon Notiz. Hyacinthe
selbst schien am meisten hierüber verblüfft zu sein, aber er zeigte schon nach
wenigen Worten, daß er der Sympathien werth war, welche man ihm ent¬
gegentrug. So echt französisch auch sein äußeres Auftreten war, so nahe
stand doch seine geistige Auffassung und sein ganzes religiöses Leben der deut¬
schen Art. Erstaunlich war, wie sehr er seine Rede verständlich zu machen
und wie genau die große Menge ihr zu folgen wußte; der Beifall, der selbst
bei den verstecktesten Feinheiten zu Tage trat, lieferte den Beweis. Die
besten Parthien des gesammten Vortrags waren offenbar jene, wo der ele¬
gante Conversationston die Oberhand gewann oder wo das höchste Pathos
durchbrach: hier wurde Hyacinthe dramatisch und riß alle Hörer in unge¬
stümer Empfindung fort. Aber mit wenigen Sätzen gab er ihnen die Ruhe
des Denkens wieder, die er bedürfte, wenn er sich nun an ihre geistigen
Kräfte, an ihr Erkenntnißvermögen wandte. Der kurze Weg, als Hya¬
cinthe von der Rednerbühne herabstieg, war für ihn ein ununterbrochener
Triumphzug. Ueberall verneigte sich das Publicum und reichte ihm die
Hände, aber der stürmische Applaus erstickte die Worte des Einzelnen. Wem
vergönnt war, das sorgfältige Manuscript des Redners einzusehen, der
fand erst hier die volle Formenschönheit des Stils und der Ideen, denn im
Laus der Rede hatte der momentane Eindruck jede kritische Betrachtung ab-
sorbirt. Hyacinthe überließ sein Manuscript an Hrn. Professor Monod aus
Paris, der die Berichterstattung für den Temps übernommen hatte, und die¬
ser war es natürlich auch, der zuerst den vollen Wortlaut der Rede brachte.

Eine eigene Gruppe bei den öffentlichen Vorträgen bildeten jene Redner,
welche als Deputirte ihrer Länder Grüße zu überbringen hatten. Am besten


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triebe der Jesuiten haben als eben Reinkens und es ist wahrlich ein hohes
Glück, daß solche Kenntnisse in solchem Sinne verwerthet werden.

Der Eindruck, den er in München gemacht hat, ist bei Priestern und
Laien, bei Männern und Frauen, bei den Gebildeten wie bei den niederen
Klassen derselbe — er ist der Liebling des hiesigen Publicums geworden.
Seine öffentlichen Vorträge wie seine Predigt in der Nicolaikirche waren
mustergiltig in jeder Weise und es ist begreiflich, wenn das Münchner Comite
sich bemüht, ihn für den Winter hier festzuhalten. Denn gerade diese takt¬
volle und distinguirte Art wird der Bewegung ein großes Publicum verschaffen,
und die altkatholische Sache in der öffentlichen Meinung, wie bei der Staats¬
regierung gleichmäßig empfehlen.

Die Erfolge, welche Schulte und Reinkens davongetragen, wurden eigent¬
lich nur noch von einem Redner erreicht — und das war Pater Hyacinthe. Die
Art, wie er von der Versammlung empfangen wurde, ist ein ehrenvolles
Zeugniß für die geistige Freiheit und Toleranz der Deutschen, und alle be¬
deutenden französischen Journale nahmen auch hiervon Notiz. Hyacinthe
selbst schien am meisten hierüber verblüfft zu sein, aber er zeigte schon nach
wenigen Worten, daß er der Sympathien werth war, welche man ihm ent¬
gegentrug. So echt französisch auch sein äußeres Auftreten war, so nahe
stand doch seine geistige Auffassung und sein ganzes religiöses Leben der deut¬
schen Art. Erstaunlich war, wie sehr er seine Rede verständlich zu machen
und wie genau die große Menge ihr zu folgen wußte; der Beifall, der selbst
bei den verstecktesten Feinheiten zu Tage trat, lieferte den Beweis. Die
besten Parthien des gesammten Vortrags waren offenbar jene, wo der ele¬
gante Conversationston die Oberhand gewann oder wo das höchste Pathos
durchbrach: hier wurde Hyacinthe dramatisch und riß alle Hörer in unge¬
stümer Empfindung fort. Aber mit wenigen Sätzen gab er ihnen die Ruhe
des Denkens wieder, die er bedürfte, wenn er sich nun an ihre geistigen
Kräfte, an ihr Erkenntnißvermögen wandte. Der kurze Weg, als Hya¬
cinthe von der Rednerbühne herabstieg, war für ihn ein ununterbrochener
Triumphzug. Ueberall verneigte sich das Publicum und reichte ihm die
Hände, aber der stürmische Applaus erstickte die Worte des Einzelnen. Wem
vergönnt war, das sorgfältige Manuscript des Redners einzusehen, der
fand erst hier die volle Formenschönheit des Stils und der Ideen, denn im
Laus der Rede hatte der momentane Eindruck jede kritische Betrachtung ab-
sorbirt. Hyacinthe überließ sein Manuscript an Hrn. Professor Monod aus
Paris, der die Berichterstattung für den Temps übernommen hatte, und die¬
ser war es natürlich auch, der zuerst den vollen Wortlaut der Rede brachte.

Eine eigene Gruppe bei den öffentlichen Vorträgen bildeten jene Redner,
welche als Deputirte ihrer Länder Grüße zu überbringen hatten. Am besten


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[0081] triebe der Jesuiten haben als eben Reinkens und es ist wahrlich ein hohes Glück, daß solche Kenntnisse in solchem Sinne verwerthet werden. Der Eindruck, den er in München gemacht hat, ist bei Priestern und Laien, bei Männern und Frauen, bei den Gebildeten wie bei den niederen Klassen derselbe — er ist der Liebling des hiesigen Publicums geworden. Seine öffentlichen Vorträge wie seine Predigt in der Nicolaikirche waren mustergiltig in jeder Weise und es ist begreiflich, wenn das Münchner Comite sich bemüht, ihn für den Winter hier festzuhalten. Denn gerade diese takt¬ volle und distinguirte Art wird der Bewegung ein großes Publicum verschaffen, und die altkatholische Sache in der öffentlichen Meinung, wie bei der Staats¬ regierung gleichmäßig empfehlen. Die Erfolge, welche Schulte und Reinkens davongetragen, wurden eigent¬ lich nur noch von einem Redner erreicht — und das war Pater Hyacinthe. Die Art, wie er von der Versammlung empfangen wurde, ist ein ehrenvolles Zeugniß für die geistige Freiheit und Toleranz der Deutschen, und alle be¬ deutenden französischen Journale nahmen auch hiervon Notiz. Hyacinthe selbst schien am meisten hierüber verblüfft zu sein, aber er zeigte schon nach wenigen Worten, daß er der Sympathien werth war, welche man ihm ent¬ gegentrug. So echt französisch auch sein äußeres Auftreten war, so nahe stand doch seine geistige Auffassung und sein ganzes religiöses Leben der deut¬ schen Art. Erstaunlich war, wie sehr er seine Rede verständlich zu machen und wie genau die große Menge ihr zu folgen wußte; der Beifall, der selbst bei den verstecktesten Feinheiten zu Tage trat, lieferte den Beweis. Die besten Parthien des gesammten Vortrags waren offenbar jene, wo der ele¬ gante Conversationston die Oberhand gewann oder wo das höchste Pathos durchbrach: hier wurde Hyacinthe dramatisch und riß alle Hörer in unge¬ stümer Empfindung fort. Aber mit wenigen Sätzen gab er ihnen die Ruhe des Denkens wieder, die er bedürfte, wenn er sich nun an ihre geistigen Kräfte, an ihr Erkenntnißvermögen wandte. Der kurze Weg, als Hya¬ cinthe von der Rednerbühne herabstieg, war für ihn ein ununterbrochener Triumphzug. Ueberall verneigte sich das Publicum und reichte ihm die Hände, aber der stürmische Applaus erstickte die Worte des Einzelnen. Wem vergönnt war, das sorgfältige Manuscript des Redners einzusehen, der fand erst hier die volle Formenschönheit des Stils und der Ideen, denn im Laus der Rede hatte der momentane Eindruck jede kritische Betrachtung ab- sorbirt. Hyacinthe überließ sein Manuscript an Hrn. Professor Monod aus Paris, der die Berichterstattung für den Temps übernommen hatte, und die¬ ser war es natürlich auch, der zuerst den vollen Wortlaut der Rede brachte. Eine eigene Gruppe bei den öffentlichen Vorträgen bildeten jene Redner, welche als Deputirte ihrer Länder Grüße zu überbringen hatten. Am besten Grenzboten 11. I87U 80

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/81>, abgerufen am 05.02.2025.