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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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bedacht sein, damit wir aus Ostern (1565) vermittelst göttlicher Verleihung
an andre Oerter mehr gesandt werden, da wir mehr können sehn und lernen.
Denn ich will nicht länger hier bleiben, will auch gleichfalls an die Räthe
schreiben und mich nochmals, wie zuvor geschehn, erklären. Darnach sich E.
Liebden haben zu richten!" Noch kecker tritt der junge Barnim auf: "Ew.
Liebden mögen machen und rathschlagen, wie Sie wollen, unsere Gelegenheit
ist es nicht, daß wir länger hier bleiben!"

Auf diese Weise ist zwischen den reiselustigen Studenten und den fürst¬
lichen Brüdern in der Heimat, die sie zum längeren Bleiben in Wittenberg
bewegen wollen, nach und nach eine kleine unfreundliche Spannung eingetre¬
ten. Zum Glück fehlt ihnen das nöthige Reisegeld, sonst würden sie auch
ohne Erlaubniß der Vormünder und des regierenden Bruders in die weite
Welt gehn. Nur die Vorstellungen der zu diesem Zweck nach Wittenberg
entsandten pommerschen Räthe: des Großhofmeisters Ulrich von Schwerin
und des Kanzlers von Eickstedt -- und das freundliche Zureden des alten
Fürsten Wulf haben sie überhaupt bewegen können, zu versprechen: noch bis
Pfingsten 1565 in Wittenberg zu bleiben und fleißig zu studiren. Beides
halten die jungen Fürsten mit großer Gewissenhaftigkeit.

Als aber wieder der Frühling über Wittenberg kommt und die jungen
Herzen in neuer Wanderlust und Freiheitshoffnung schwellt und dennoch von
der Heimat wieder neue hochbepackte Proviantwagen eintreffen, deren Inhalt
die Küche reichlich wieder bis Michaelis versorgt hätte--da bricht der
Unmuth unserer Studenten auf's Heftigste aus. Sie fürchten, bis zum Herbst
in Wittenberg zurückgehalten zu werden und erklären sehr bestimmt: daß sie
zu Johannis auf jeden Fall abreisen würden "das ist mein Ernst und zuver¬
lässige Meinung!"

Das wirkt. Bon Pommern langen denn auch wirklich gegen Johannis
Reiter, Wagen und Pferde und vor allen Dingen das nöthige Reisegeld an --
und auch noch etliche pommersche Thaler darüber, um verschiedene brummende
Bären zu beschwichtigen. Mit Jubel geht's an das Abschiednehmen bei dem
Kurfürsten von Sachsen und dem Fürsten Wulf, den der böse König von
Czippern gezwungen hat, die Regierung und sich selber im Herbst niederzu¬
legen. Die Krankheit erlaubt dem guten Alten nicht einmal, an dem solen¬
nen Abschiedsschmause Theil zu nehmen, den seine Mündel der ganzen Uni¬
versität geben. Dagegen läßt er diese Gelegenheit nicht vorübergehen, seine
jungen Freunde vor der garstigen Majestät von Czippern zu warnen. Er
schreibt ihnen kurz vor dem Festschmause bei Uebersendung von Fischen:
"Fürstliche liebe Vettern, ich bitt, Euer Liebden wollen sich des Trunks bei
ihrem Gelag, auch auf der Reise so viel als möglich enthalten!" -- mag er
auch kurz vorher an den Hofmeister Hennig von Melde geschrieben haben:


bedacht sein, damit wir aus Ostern (1565) vermittelst göttlicher Verleihung
an andre Oerter mehr gesandt werden, da wir mehr können sehn und lernen.
Denn ich will nicht länger hier bleiben, will auch gleichfalls an die Räthe
schreiben und mich nochmals, wie zuvor geschehn, erklären. Darnach sich E.
Liebden haben zu richten!" Noch kecker tritt der junge Barnim auf: „Ew.
Liebden mögen machen und rathschlagen, wie Sie wollen, unsere Gelegenheit
ist es nicht, daß wir länger hier bleiben!"

Auf diese Weise ist zwischen den reiselustigen Studenten und den fürst¬
lichen Brüdern in der Heimat, die sie zum längeren Bleiben in Wittenberg
bewegen wollen, nach und nach eine kleine unfreundliche Spannung eingetre¬
ten. Zum Glück fehlt ihnen das nöthige Reisegeld, sonst würden sie auch
ohne Erlaubniß der Vormünder und des regierenden Bruders in die weite
Welt gehn. Nur die Vorstellungen der zu diesem Zweck nach Wittenberg
entsandten pommerschen Räthe: des Großhofmeisters Ulrich von Schwerin
und des Kanzlers von Eickstedt — und das freundliche Zureden des alten
Fürsten Wulf haben sie überhaupt bewegen können, zu versprechen: noch bis
Pfingsten 1565 in Wittenberg zu bleiben und fleißig zu studiren. Beides
halten die jungen Fürsten mit großer Gewissenhaftigkeit.

Als aber wieder der Frühling über Wittenberg kommt und die jungen
Herzen in neuer Wanderlust und Freiheitshoffnung schwellt und dennoch von
der Heimat wieder neue hochbepackte Proviantwagen eintreffen, deren Inhalt
die Küche reichlich wieder bis Michaelis versorgt hätte--da bricht der
Unmuth unserer Studenten auf's Heftigste aus. Sie fürchten, bis zum Herbst
in Wittenberg zurückgehalten zu werden und erklären sehr bestimmt: daß sie
zu Johannis auf jeden Fall abreisen würden „das ist mein Ernst und zuver¬
lässige Meinung!"

Das wirkt. Bon Pommern langen denn auch wirklich gegen Johannis
Reiter, Wagen und Pferde und vor allen Dingen das nöthige Reisegeld an —
und auch noch etliche pommersche Thaler darüber, um verschiedene brummende
Bären zu beschwichtigen. Mit Jubel geht's an das Abschiednehmen bei dem
Kurfürsten von Sachsen und dem Fürsten Wulf, den der böse König von
Czippern gezwungen hat, die Regierung und sich selber im Herbst niederzu¬
legen. Die Krankheit erlaubt dem guten Alten nicht einmal, an dem solen¬
nen Abschiedsschmause Theil zu nehmen, den seine Mündel der ganzen Uni¬
versität geben. Dagegen läßt er diese Gelegenheit nicht vorübergehen, seine
jungen Freunde vor der garstigen Majestät von Czippern zu warnen. Er
schreibt ihnen kurz vor dem Festschmause bei Uebersendung von Fischen:
„Fürstliche liebe Vettern, ich bitt, Euer Liebden wollen sich des Trunks bei
ihrem Gelag, auch auf der Reise so viel als möglich enthalten!" — mag er
auch kurz vorher an den Hofmeister Hennig von Melde geschrieben haben:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/75>, abgerufen am 05.02.2025.