Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.ten Maränen aus dem nahen Madüesee, "weil ich, Herzog Barnim Aber nicht einmal diese Festlichkeiten vermögen die Unlust der jungen ten Maränen aus dem nahen Madüesee, „weil ich, Herzog Barnim Aber nicht einmal diese Festlichkeiten vermögen die Unlust der jungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192374"/> <p xml:id="ID_265" prev="#ID_264"> ten Maränen aus dem nahen Madüesee, „weil ich, Herzog Barnim<lb/> wegen des Nectorats etliche vornehme und gute Leute einladen muß, uns<lb/> auf unsere Kosten und Zahlung gegen den anstehenden Leipziger Neujahrs¬<lb/> markt zukommen zu lassen." Der alte Barnim, wohl eingedenk der frohen<lb/> Zeit, wo er selber in Wittenberg jugendfröhlich studirte und als Rector mit<lb/> Luther und Melanchthon zur Leipziger Disputation in Begleitung von 200<lb/> bewaffneten Studenten zog, sendet sogleich „XX Dröge Murenen" — „mit<lb/> ganz freundlicher Bitte, E. Lbd. wollen dieselben, so gut sie sein, von uns,<lb/> als dem einigen Vettern fürlieb freundlich auf- und annehmen!" Diese Ma¬<lb/> ränen machen nicht geringes Aufsehn unter den zahlreichen Gästen bei der<lb/> Nectorats-Kostung —- nicht nur wegen ihrer Seltenheit und des schmackhaften<lb/> Fleisches — noch mehr durch die Geschichte, die der junge Barnim von ihnen<lb/> zu erzählen weiß, und die unter seinen Gästen — selbst unter den Professoren<lb/> und Geistlichen viel gläubige Ohren findet. Soll nämlich ein Abt des<lb/> Klosters Kolbatz, ein großer Lebemann und Feinschmecker, dem Teu¬<lb/> fel seine arme Seele verschrieben haben, wenn dieser ihm bis zum nächsten<lb/> Mittag 12 Uhr ein schönes Gericht Maränen liefere, die bis dahin nur in<lb/> einem See Italiens vorkamen. Mit Lüsternheit und doch mit Bangen sah<lb/> der Abt der nächsten Mittagszeit entgegen — nur noch eine halbe Stunde<lb/> fehlte an 12 Uhr... aber schon saust der Teufel mit einem ganzen Sack voll<lb/> Maränen über den Madüe-See daher.. . Dem armen Abt sinkt das fein¬<lb/> schmeckerige Herz in die Knie--doch plötzlich stößt der gute dumme Teu¬<lb/> fel einen garstigen Schrei und noch garstigeren Schwefelduft aus und läßt<lb/> vor Schreck den Sack mit den Maränen in den Madüe-See fallen: er hat<lb/> soeben einen Blick auf die Klosteruhr geworfen und diese hat der listige Bru¬<lb/> der Thürmer aus Sorge für die Seele seines Abtes um eine Stunde voraus¬<lb/> gestellt! —</p><lb/> <p xml:id="ID_266" next="#ID_267"> Aber nicht einmal diese Festlichkeiten vermögen die Unlust der jungen<lb/> Fürsten an dem Wittenberger Leben zu verdrängen — ihr Unmuth und die<lb/> Sehnsucht in die Weite zieht sich immer rückhaltloser durch alle ihre Briefe<lb/> in die Heimat. Ernst Ludwig schreibt an seinen regierenden Bruder: „Ich<lb/> muß die Wahrheit bekennen, daß einem jungen Menschen nichts Lieberes<lb/> kann widerfahren, denn daß er sich ein wenig unter fremden Leuten umsehe<lb/> und viel Leute, Sitten und Mores lerne; weil ich noch jung und zu reisen<lb/> Lust!" Zunächst möchten sie gern an die sächsischen Höfe ziehn. Kurfürst<lb/> August hat I. Lbd. eingeladen und versprochen, ihnen die Merkwürdigkeiten<lb/> der sächsischen Bergstädte zu zeigen. - Immer ungestümer — ja fast trotzig<lb/> wird die Forderung, Wittenberg zu verlassen. So schreibt Ernst Ludwig an<lb/> Johann Friedrich: „Weil auch fast füglich die Zeit, so wir allhier zu bleiben<lb/> gewilligt, verflossen ist, so werden E. Lbd. unterdeß auf Mittel und Wege</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0074]
ten Maränen aus dem nahen Madüesee, „weil ich, Herzog Barnim
wegen des Nectorats etliche vornehme und gute Leute einladen muß, uns
auf unsere Kosten und Zahlung gegen den anstehenden Leipziger Neujahrs¬
markt zukommen zu lassen." Der alte Barnim, wohl eingedenk der frohen
Zeit, wo er selber in Wittenberg jugendfröhlich studirte und als Rector mit
Luther und Melanchthon zur Leipziger Disputation in Begleitung von 200
bewaffneten Studenten zog, sendet sogleich „XX Dröge Murenen" — „mit
ganz freundlicher Bitte, E. Lbd. wollen dieselben, so gut sie sein, von uns,
als dem einigen Vettern fürlieb freundlich auf- und annehmen!" Diese Ma¬
ränen machen nicht geringes Aufsehn unter den zahlreichen Gästen bei der
Nectorats-Kostung —- nicht nur wegen ihrer Seltenheit und des schmackhaften
Fleisches — noch mehr durch die Geschichte, die der junge Barnim von ihnen
zu erzählen weiß, und die unter seinen Gästen — selbst unter den Professoren
und Geistlichen viel gläubige Ohren findet. Soll nämlich ein Abt des
Klosters Kolbatz, ein großer Lebemann und Feinschmecker, dem Teu¬
fel seine arme Seele verschrieben haben, wenn dieser ihm bis zum nächsten
Mittag 12 Uhr ein schönes Gericht Maränen liefere, die bis dahin nur in
einem See Italiens vorkamen. Mit Lüsternheit und doch mit Bangen sah
der Abt der nächsten Mittagszeit entgegen — nur noch eine halbe Stunde
fehlte an 12 Uhr... aber schon saust der Teufel mit einem ganzen Sack voll
Maränen über den Madüe-See daher.. . Dem armen Abt sinkt das fein¬
schmeckerige Herz in die Knie--doch plötzlich stößt der gute dumme Teu¬
fel einen garstigen Schrei und noch garstigeren Schwefelduft aus und läßt
vor Schreck den Sack mit den Maränen in den Madüe-See fallen: er hat
soeben einen Blick auf die Klosteruhr geworfen und diese hat der listige Bru¬
der Thürmer aus Sorge für die Seele seines Abtes um eine Stunde voraus¬
gestellt! —
Aber nicht einmal diese Festlichkeiten vermögen die Unlust der jungen
Fürsten an dem Wittenberger Leben zu verdrängen — ihr Unmuth und die
Sehnsucht in die Weite zieht sich immer rückhaltloser durch alle ihre Briefe
in die Heimat. Ernst Ludwig schreibt an seinen regierenden Bruder: „Ich
muß die Wahrheit bekennen, daß einem jungen Menschen nichts Lieberes
kann widerfahren, denn daß er sich ein wenig unter fremden Leuten umsehe
und viel Leute, Sitten und Mores lerne; weil ich noch jung und zu reisen
Lust!" Zunächst möchten sie gern an die sächsischen Höfe ziehn. Kurfürst
August hat I. Lbd. eingeladen und versprochen, ihnen die Merkwürdigkeiten
der sächsischen Bergstädte zu zeigen. - Immer ungestümer — ja fast trotzig
wird die Forderung, Wittenberg zu verlassen. So schreibt Ernst Ludwig an
Johann Friedrich: „Weil auch fast füglich die Zeit, so wir allhier zu bleiben
gewilligt, verflossen ist, so werden E. Lbd. unterdeß auf Mittel und Wege
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