Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.uns beschäftigt sein müsse, um uns aus unsern Grenzen zu rücken, unsere Goethe nahm diesen Geist des Maßes griechischer Sophrosyne immer
Wenn er nun der alten Klopstock'schen Hymnenform sich noch bediente, Grenzen der Menschheit (Tiesurter Journal 1782).
Wie einfach und doch wie majestätisch! Der von Herder empfohlene Klopstock stürzte sich auch wohl in den Ocean der Weltenalle, schwebte Arm^öden II. 187 t. 78
uns beschäftigt sein müsse, um uns aus unsern Grenzen zu rücken, unsere Goethe nahm diesen Geist des Maßes griechischer Sophrosyne immer
Wenn er nun der alten Klopstock'schen Hymnenform sich noch bediente, Grenzen der Menschheit (Tiesurter Journal 1782).
Wie einfach und doch wie majestätisch! Der von Herder empfohlene Klopstock stürzte sich auch wohl in den Ocean der Weltenalle, schwebte Arm^öden II. 187 t. 78
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192365"/> <p xml:id="ID_234" prev="#ID_233"> uns beschäftigt sein müsse, um uns aus unsern Grenzen zu rücken, unsere<lb/> Schranken unendlich zu erweitern und uns die Ewigkeit in der Zeit, d. i.<lb/> den Ocean in der Nußschale zu genießen zu geben."</p><lb/> <p xml:id="ID_235"> Goethe nahm diesen Geist des Maßes griechischer Sophrosyne immer<lb/> mehr in sich auf; er stärkte in seiner Seele die von der Natur eingeborene<lb/> verwandte Kraft, bis endlich alle Wüstheit früherer Jahre abgethan war und<lb/> sicher und fest dem Gemüth als unverbrüchliche Lebensmarime sich eingeprägt<lb/> hatte, was er selbst in den Versen ausspricht:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> Dieser schöne Begriff von Macht und Schranken, von Willkür<lb/> Und Gesetz, von Freiheit und Maß, von beweglicher Ordnung!<lb/> Keinen höhern Begriff erringt der sittliche Denker,<lb/> Keinen der thätige Mann, der dichtende Künstler, der Herrscher.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_236"> Wenn er nun der alten Klopstock'schen Hymnenform sich noch bediente,<lb/> wie mußte Ton und Form sich von Klopstock'sehen Schwulst, wie aber der In¬<lb/> halt und Gruudcharcckter der Gedanken von dem überwallenden Promotheus-<lb/> stolz seiner eigenen Jugend entfernt haben! Wenn jetzt ein Gewitter ihn zur<lb/> Andacht ladet, wie einst Klopstock, wenn er jetzt in Klopstock'schen Rhythmen<lb/> seinem Gefühl Ausdruck gibt, wie wird es aussehen?</p><lb/> <p xml:id="ID_237"> Grenzen der Menschheit (Tiesurter Journal 1782).</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> Wenn der uralte,<lb/> Heilige Vater<lb/> Mit gelassener Hand<lb/> Aus rollenden Wolken<lb/> segnende Blitze<lb/> Ueber die Erde sa t,<lb/> Küss ich den letzten<lb/> Saum seines Kleides,<lb/> Kindliche Schauer<lb/> Treu in der Brust.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_238"> Wie einfach und doch wie majestätisch! Der von Herder empfohlene<lb/> Klopstock'sche Ton ist noch beibehalten, aber zu reiner Idealität verklärt.<lb/> Was in ihm lag von Schönheit und Erhabenheit der Potenz nach, ist Wirk¬<lb/> lichkeit, Energie, Vollendung geworden. Alles so hingegossen, so ohne Zwang,<lb/> Riß und Sprung, so ohne forcirtes und aufgeblasenes Echauffement; rein,<lb/> edel und groß, und darum schließlich doch wirkungsvoller als bei Klopstock.</p><lb/> <p xml:id="ID_239"> Klopstock stürzte sich auch wohl in den Ocean der Weltenalle, schwebte<lb/> unter ewigen Geistern und Engeln; auch Goethe sehnte sich einst, aus dem<lb/> schäumenden Becher des Unendlichen zu trinken, in prometheischem Stolze<lb/> fühlte er sich den Göttern gleich; jetzt haben die Griechen ihn gelehrt zu<lb/> respectiren „jene strahlenfcine Linie, über welche Nemesis nicht hinausläßt":</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Arm^öden II. 187 t. 78</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
uns beschäftigt sein müsse, um uns aus unsern Grenzen zu rücken, unsere
Schranken unendlich zu erweitern und uns die Ewigkeit in der Zeit, d. i.
den Ocean in der Nußschale zu genießen zu geben."
Goethe nahm diesen Geist des Maßes griechischer Sophrosyne immer
mehr in sich auf; er stärkte in seiner Seele die von der Natur eingeborene
verwandte Kraft, bis endlich alle Wüstheit früherer Jahre abgethan war und
sicher und fest dem Gemüth als unverbrüchliche Lebensmarime sich eingeprägt
hatte, was er selbst in den Versen ausspricht:
Dieser schöne Begriff von Macht und Schranken, von Willkür
Und Gesetz, von Freiheit und Maß, von beweglicher Ordnung!
Keinen höhern Begriff erringt der sittliche Denker,
Keinen der thätige Mann, der dichtende Künstler, der Herrscher.
Wenn er nun der alten Klopstock'schen Hymnenform sich noch bediente,
wie mußte Ton und Form sich von Klopstock'sehen Schwulst, wie aber der In¬
halt und Gruudcharcckter der Gedanken von dem überwallenden Promotheus-
stolz seiner eigenen Jugend entfernt haben! Wenn jetzt ein Gewitter ihn zur
Andacht ladet, wie einst Klopstock, wenn er jetzt in Klopstock'schen Rhythmen
seinem Gefühl Ausdruck gibt, wie wird es aussehen?
Grenzen der Menschheit (Tiesurter Journal 1782).
Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
segnende Blitze
Ueber die Erde sa t,
Küss ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
Treu in der Brust.
Wie einfach und doch wie majestätisch! Der von Herder empfohlene
Klopstock'sche Ton ist noch beibehalten, aber zu reiner Idealität verklärt.
Was in ihm lag von Schönheit und Erhabenheit der Potenz nach, ist Wirk¬
lichkeit, Energie, Vollendung geworden. Alles so hingegossen, so ohne Zwang,
Riß und Sprung, so ohne forcirtes und aufgeblasenes Echauffement; rein,
edel und groß, und darum schließlich doch wirkungsvoller als bei Klopstock.
Klopstock stürzte sich auch wohl in den Ocean der Weltenalle, schwebte
unter ewigen Geistern und Engeln; auch Goethe sehnte sich einst, aus dem
schäumenden Becher des Unendlichen zu trinken, in prometheischem Stolze
fühlte er sich den Göttern gleich; jetzt haben die Griechen ihn gelehrt zu
respectiren „jene strahlenfcine Linie, über welche Nemesis nicht hinausläßt":
Arm^öden II. 187 t. 78
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