Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Anakreon, Theokrit, Pindar sind es jetzt, an denen Muth und Muth Sein "Feierkleid" ist aus dem Zeuge geschnitten, welches den andächtigen War's auf unmittelbare Anregung dieser Ode, daß der sprühende Genius,
Und noch Eins ist zu bemerken, ähnlich wie vorhin bei den Studien
Anakreon, Theokrit, Pindar sind es jetzt, an denen Muth und Muth Sein „Feierkleid" ist aus dem Zeuge geschnitten, welches den andächtigen War's auf unmittelbare Anregung dieser Ode, daß der sprühende Genius,
Und noch Eins ist zu bemerken, ähnlich wie vorhin bei den Studien
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192362"/> <p xml:id="ID_220"> Anakreon, Theokrit, Pindar sind es jetzt, an denen Muth und Muth<lb/> seines stolzen Genius sich entzündet. Aber er feiert sie nicht in griechischen<lb/> Versen, sondern in den freien Silbenmaßen des Klopstock'schen Hymnus, in<lb/> der musikalischen, idiotischer, kecke Inversionen nicht scheuenden Sprache, die<lb/> Herder verlangt und geübt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_221"> Sein „Feierkleid" ist aus dem Zeuge geschnitten, welches den andächtigen<lb/> Gefühlen der „Frühlingsfeier" das Gewand gab. Er kennt dieses Gedicht<lb/> genau; es summt ihm in jeder ähnlich gestimmten Stunde in den Ohren.<lb/> Wer gedenkt nicht der schönen Stelle in Werther's Leiden. Werther berichtet<lb/> unterm 16. Juni: — „Das Gewitter war vorüber und ich folgte Lotten in<lb/> den Saal. Wir traten an's Fenster; es donnerte abseitwärts und der herr¬<lb/> lichste Regen säuselte auf das Land, und der erquickendste Wohlgeruch stieg<lb/> in aller Fülle einer warmen Luft zu uns auf. Sie stand, auf ihren Elln-<lb/> bogen gestützt; ihr Blick durchdrang die Gegend, sie sah gen Himmel und auf<lb/> mich; ich sah ihr Auge thränenvoll, sie legte ihre Hand auf die meinige, und<lb/> sagte: Klopstock! Ich erinnerte mich sogleich der herrlichen Ode, die ihr in<lb/> Gedanken lag und versank in dem Strome von Empfindungen, den sie in<lb/> dieser Losung über mich ausgoß."</p><lb/> <p xml:id="ID_222"> War's auf unmittelbare Anregung dieser Ode, daß der sprühende Genius,<lb/> den nun jede Gelegenheit „bereit" fand, sofort die ähnlichen Klänge ertönen<lb/> ließ in dem Gedichte „Ganymed?" Auch hier bei aller Ähnlichkeit des Rhyth¬<lb/> mus, der Laute und Vorstellungen, wie anders Goethe als Klopstock! Dort<lb/> David, hier Faust am Ostertage; dort alttestamentliche Unterwerfung unter<lb/> den Ewigen, hier pantheistische Versenkung in das Allleben der unend¬<lb/> lichen Natur.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l> Wie im Morgenglanze<lb/> Du rings mich anglühst,<lb/> Frühling, Geliebter!<lb/> Mit tausendfacher Lieb es Wonne<lb/> Sich an mein Herz drangt<lb/> Deiner ewigen Wärme<lb/> Heilig Gefühl,<lb/> Unendliche Schöne!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_223"> Und noch Eins ist zu bemerken, ähnlich wie vorhin bei den Studien<lb/> nach Hans Sachs. Ist es nicht, als hörten wir hier zwar Klopstock: aber<lb/> von aller ungesunden Affectation und forcirten Erhabenheit erlöst und geheilt,<lb/> frei von allen Erdenmalen, ganz Gesundheit, Natur und Maß, und doch<lb/> Hoheit, Gemüthstiefe, und auch hier Religion?<lb/> '</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_14" type="poem"> <l> Hinauf! Hinauf strebts —<lb/> Aufwärts an deinen Busen,<lb/> Allliebender Bater.</l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
Anakreon, Theokrit, Pindar sind es jetzt, an denen Muth und Muth
seines stolzen Genius sich entzündet. Aber er feiert sie nicht in griechischen
Versen, sondern in den freien Silbenmaßen des Klopstock'schen Hymnus, in
der musikalischen, idiotischer, kecke Inversionen nicht scheuenden Sprache, die
Herder verlangt und geübt hatte.
Sein „Feierkleid" ist aus dem Zeuge geschnitten, welches den andächtigen
Gefühlen der „Frühlingsfeier" das Gewand gab. Er kennt dieses Gedicht
genau; es summt ihm in jeder ähnlich gestimmten Stunde in den Ohren.
Wer gedenkt nicht der schönen Stelle in Werther's Leiden. Werther berichtet
unterm 16. Juni: — „Das Gewitter war vorüber und ich folgte Lotten in
den Saal. Wir traten an's Fenster; es donnerte abseitwärts und der herr¬
lichste Regen säuselte auf das Land, und der erquickendste Wohlgeruch stieg
in aller Fülle einer warmen Luft zu uns auf. Sie stand, auf ihren Elln-
bogen gestützt; ihr Blick durchdrang die Gegend, sie sah gen Himmel und auf
mich; ich sah ihr Auge thränenvoll, sie legte ihre Hand auf die meinige, und
sagte: Klopstock! Ich erinnerte mich sogleich der herrlichen Ode, die ihr in
Gedanken lag und versank in dem Strome von Empfindungen, den sie in
dieser Losung über mich ausgoß."
War's auf unmittelbare Anregung dieser Ode, daß der sprühende Genius,
den nun jede Gelegenheit „bereit" fand, sofort die ähnlichen Klänge ertönen
ließ in dem Gedichte „Ganymed?" Auch hier bei aller Ähnlichkeit des Rhyth¬
mus, der Laute und Vorstellungen, wie anders Goethe als Klopstock! Dort
David, hier Faust am Ostertage; dort alttestamentliche Unterwerfung unter
den Ewigen, hier pantheistische Versenkung in das Allleben der unend¬
lichen Natur.
Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühst,
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Lieb es Wonne
Sich an mein Herz drangt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!
Und noch Eins ist zu bemerken, ähnlich wie vorhin bei den Studien
nach Hans Sachs. Ist es nicht, als hörten wir hier zwar Klopstock: aber
von aller ungesunden Affectation und forcirten Erhabenheit erlöst und geheilt,
frei von allen Erdenmalen, ganz Gesundheit, Natur und Maß, und doch
Hoheit, Gemüthstiefe, und auch hier Religion?
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Hinauf! Hinauf strebts —
Aufwärts an deinen Busen,
Allliebender Bater.
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