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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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uns kaum ein Vorbild oder ein Mahner sein. Ein Mann, dessen Stärke und
dessen Verdienste so gut wie ganz in der Negative sich erschöpfen, ist nicht
der geeignete Pathe bei unserem heute erwachten nationalen Leben. Luna
euicsu"! Huttens Andenken wollen wir anrufen, wo es zu zerstören gilt: nicht
für alles und jedes ist er uns als Vorbild vorzuhalten! Natürlich, unsere Be¬
merkungen zielen nicht darauf hin, als ob die Erneuerung der Huttenbiogra-
phie uns nicht am Platze zu sein schiene; nein, wir glauben damit nur die
Erklärung zu geben für diese neue wenig zeitgemäße und allzu gekünstelte
Einführung, wie sie Strauß der neuen Auflage mitgeben zu sollen für passend
erachtet hat.

Daß Strauß von den Fortschritten der wissenschaftlichen Arbeit auf
jenem Gebiete mehr als nur oberflächliche Notiz genommen hat, das tritt
an sehr vielen Stellen des Buches zu Tage. Eine gründliche Revision hat
er durchgeführt. Sowohl die kritischen Arbeiten Böckin g's als die scharf¬
sinnigen und in verschiedenen Richtungen durchgreifenden Untersuchungen
Kamp schulte's boten Anlaß und Stoff zu Ergänzungen und Berichtigun¬
gen in manchem Detail. Nachdem wir einer genauen Vergleichung die beiden
Auflagen unterzogen haben, können wir versichern, daß mit Sorgfalt und
Gewissenhaftigkeit Strauß die bezeichneten Arbeiten zu seiner zweiten ver¬
bessertem Auflage benutzt, daß er mit Bereitwilligkeit manchen Irrthum der
ersten Ausgabe beseitigt und gerne und rückhaltlos in mancher streitigen
Frage Belehrung von Anderen angenommen hat. Hier ist nicht der Ort,
kleine Details noch weiter zu berichtigen: merken wir nur das Eine an, was
in beiden Auflagen uns falsch zu sein scheint: (früher I. 226, jetzt S. 173)
der Adressat des hier benutzten Briefes Hutten's ist nicht Adrian von Uetrecht,
der spätere Papst Adrian VI., sondern Cardinal Adrian von Corneto, ein
bekannter Gönner und Beschützer Reuchlin's und der deutschen Humanisten.

Einzelnes aus der neueren Literatur scheint auch Strauß entgangen zu
sein: so vermissen wir die Benutzung einiger in den letzten Jahren erschienenen
Dissertationen, z. B. über Hoghstraaten, über Hermann vom Busch u. dergl.
Dagegen hat er von dem lehrreichen Buche von Geiger über Reuchlin noch
Gebrauch machen können. Kurz, der Forschung Anderer ist Strauß im Gan¬
zen aufmerksam gefolgt und hat seinen Entwurf mit guter Benutzung dessen,
was Andere geleistet, im Einzelnen verbessert.

In allen für die Auffassung Hutten's entscheidenden Puncten konnte
Strauß bei seinem früheren Urtheil verbleiben. Da ihm durch Böcking's
Liberalität auch früher schon das hauptsächlichste Material zugänglich gemacht
war, vermochte er damals schon die Grundlinien seiner Charakteristik richtig
zu zeichnen: zu einer irgendwie bedeutenderen Aenderung war für ihn also
kein Grund vorhanden. Eine sehr competente Stimme hatte sich früher dahin


uns kaum ein Vorbild oder ein Mahner sein. Ein Mann, dessen Stärke und
dessen Verdienste so gut wie ganz in der Negative sich erschöpfen, ist nicht
der geeignete Pathe bei unserem heute erwachten nationalen Leben. Luna
euicsu»! Huttens Andenken wollen wir anrufen, wo es zu zerstören gilt: nicht
für alles und jedes ist er uns als Vorbild vorzuhalten! Natürlich, unsere Be¬
merkungen zielen nicht darauf hin, als ob die Erneuerung der Huttenbiogra-
phie uns nicht am Platze zu sein schiene; nein, wir glauben damit nur die
Erklärung zu geben für diese neue wenig zeitgemäße und allzu gekünstelte
Einführung, wie sie Strauß der neuen Auflage mitgeben zu sollen für passend
erachtet hat.

Daß Strauß von den Fortschritten der wissenschaftlichen Arbeit auf
jenem Gebiete mehr als nur oberflächliche Notiz genommen hat, das tritt
an sehr vielen Stellen des Buches zu Tage. Eine gründliche Revision hat
er durchgeführt. Sowohl die kritischen Arbeiten Böckin g's als die scharf¬
sinnigen und in verschiedenen Richtungen durchgreifenden Untersuchungen
Kamp schulte's boten Anlaß und Stoff zu Ergänzungen und Berichtigun¬
gen in manchem Detail. Nachdem wir einer genauen Vergleichung die beiden
Auflagen unterzogen haben, können wir versichern, daß mit Sorgfalt und
Gewissenhaftigkeit Strauß die bezeichneten Arbeiten zu seiner zweiten ver¬
bessertem Auflage benutzt, daß er mit Bereitwilligkeit manchen Irrthum der
ersten Ausgabe beseitigt und gerne und rückhaltlos in mancher streitigen
Frage Belehrung von Anderen angenommen hat. Hier ist nicht der Ort,
kleine Details noch weiter zu berichtigen: merken wir nur das Eine an, was
in beiden Auflagen uns falsch zu sein scheint: (früher I. 226, jetzt S. 173)
der Adressat des hier benutzten Briefes Hutten's ist nicht Adrian von Uetrecht,
der spätere Papst Adrian VI., sondern Cardinal Adrian von Corneto, ein
bekannter Gönner und Beschützer Reuchlin's und der deutschen Humanisten.

Einzelnes aus der neueren Literatur scheint auch Strauß entgangen zu
sein: so vermissen wir die Benutzung einiger in den letzten Jahren erschienenen
Dissertationen, z. B. über Hoghstraaten, über Hermann vom Busch u. dergl.
Dagegen hat er von dem lehrreichen Buche von Geiger über Reuchlin noch
Gebrauch machen können. Kurz, der Forschung Anderer ist Strauß im Gan¬
zen aufmerksam gefolgt und hat seinen Entwurf mit guter Benutzung dessen,
was Andere geleistet, im Einzelnen verbessert.

In allen für die Auffassung Hutten's entscheidenden Puncten konnte
Strauß bei seinem früheren Urtheil verbleiben. Da ihm durch Böcking's
Liberalität auch früher schon das hauptsächlichste Material zugänglich gemacht
war, vermochte er damals schon die Grundlinien seiner Charakteristik richtig
zu zeichnen: zu einer irgendwie bedeutenderen Aenderung war für ihn also
kein Grund vorhanden. Eine sehr competente Stimme hatte sich früher dahin


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/456>, abgerufen am 05.02.2025.